„Verabschiedung Polizeipräsident Frank Richter“ – Hotel Franz, Essen; 23. Januar 2023

Verabschiedung

Polizeipräsident Frank Richter

Laudatio:
Prof. Bodo Hombach

23. Januar 2023

Verehrte Damen und Herren und großartige, honorige Vorredner,
lieber Herr Stüve, lieber Frank,

kürzlich erlebte ich, dass ein Geehrter am Ende sagte: „Bescheidenheit und Wahrheitsliebe haben in mir einen inneren Konflikt ausgetragen. Die Wahrheitsliebe hat gesiegt.“ Meine Botschaft: Gut begründete Komplimente verinnerlichen.

Abschied kostet immer einen Betrag an Melancholie. Man schaut sich nochmal im geräumten Zimmer um. Die Stimmung ist heiter bis wolkig. Opernliebhaber wie Du kennen Beethovens Gefangenenchor: O welche Lust, den Atem frei zu heben!“

Frank, Du wirst aus Überzeugung gewürdigt. Du hast gute Arbeit gemacht. Niemand, wie Fidelio, alias Leonore ruft: Abscheulicher, wo eilst du hin?“ Der schmierige Don Basilio im Barbier von Sevilla propagiert die zersetzende Wirkung der Verleumdung. Gehässige Verleumdung hast Du erduldet. Kollegen und Dein Minister haben sich nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil! Die öffentlichen Feindseligkeiten haben Dir neue Freunde und Zustimmung beschert.

Der neue Horizont lockt Dich. Ich kenne wunderbare Fotobücher Deiner Safaris ins exotisch Unbekannte. Vielleicht braucht ein Polizeichef die Nähe von Pumas, Schlangen und Schakalen im Urlaub. So ist die Rückkehr ins Büro kein Schock.

„We are the World.“ Dein WunschSong vertont kein Idyll. Bei Gewalt gegen Sicherheit und Rettung ist Schluss mit lustig. Selbst Sprache verliert gerade den Rest ihrer Unschuld. Wer Ross und Reiter benennen will, betritt vermintes Gelände.

Im schlicht regierten Berlin soll per Erlass „Clankriminalität“ nicht ausgesprochen werden. Es verstört offenbar zart besaitete Mafiosi. Frank Richter flatterte vor Ihrer Zeit, Herr Minister dazu eine Einzelanweisung auf den Tisch. Zarter besaitet wurde Frank dadurch nicht. Augsteins Motto: „Sagen, was ist“, war der revolutionärste Gedanke einer aufgeklärten Moderne.

Heute ist ein Tag des Dankes. Polizeibeamte sind angespannt, weil wir entspannen wollen. Jeden Abend begeben wir uns in die Wehrlosigkeit des Schlafes. Wir hoffen, dass das Schloss hält und der Nachbar bei verdächtigen Geräuschen 110 wählt.

Zwei persönliche Erlebnisse muss ich erzählen: In den Achtundsechzigern gab es Randale vor einem Essener Verlagshaus. Jahrzehnte später war mein Büro darin. Die Auslieferung von BILD sollte vor lüsternen TVKameras symbolisch verzögert werden. Ans Ankleben hatte noch keiner gedacht. Ich bewahre den erzieherischen Schmiss am Scheitel. Weil es blutete, war ich wie nie wieder Held unserer Gruppe.

Später als jungnaiver Landtagsabgeordneter traf ich den Gewerkschafter und Personalrat Frank Richter. Ich musste lernen: PolizeiFahrzeuge waren im Sommer mangels Klimaanlage Schwitzkästen auf Rädern. Ich stellte eine parlamentarische Anfrage. Damit stand ich im parteipolitischen Fettnäpfchen. Anfrage an den ParteifreundMinister das ging gar nicht. Es bedurfte mehrerer trotziger Anläufe. Irgendwann wurde die Flotte aufgerüstet. Auch höheren Orts wurde erkannt: Die Beamten sollen Bösewichter ins Schwitzen bringen nicht sich selbst.

Der Rechtsstaat braucht taugliche Mittel, um sich gegen seine Verächter durchsetzen. Das kapiert jeder spätestens dann, wenn er selbst Opfer krimineller Welt wird. Ich erinnere eine geniale Karikatur: Zwei Glatzen verprügeln einen linken Demonstranten. Der ruft einem Polizisten zu: „He, verdammter Bulle, verpiss dich mal hierher! Ich brauch‘ Deine Hilfe!“

Irgendwer muss erreichbar sein, wenn es zur Sache geht. Er oder sie muss einen schwierigen Beruf können: im Getümmel klaren Kopf behalten, Provokateuren die Stirn bieten, immer auf der Seite der Opfer, sich für die gute Tat beschimpfen oder gar verletzen lassen. Oft geht das hart an die Grenzen!

Zu seiner HagenerZeit schrieb Frank einen Text. Ich fasse zusammen: Die Polizei ist nicht Staat im Staat. Sie handelt nicht nach eigenem Recht. Sie handelt für das soziale Kunstwerk des allgemeinen Wohls. Recht und Gesetz gelten nur, wenn man ihnen Geltung verschafft. Man das ist der Polizeibeamte, auf sich gestellt oder im Team. Es gilt, Verbrecher zu fangen und zu überführen. Lange vorher kann man ihnen lästig werden. Frank Richter hat mit seinen Kolleginnen und Kollegen und dem tatkräftigen Kümmerer Herbert Reul beispielhafte Methoden entwickelt. Finanzamt, Gewerbeaufsicht,
Gesundheitsämter und andere können polizeilich geschützt unhöfliche, erhellende Fragen stellen. Das organisierte Verbrechen fühlt sich belästigt.

Frank berichtet in einem seiner Bücher: Ein junger Kollege wurde bei einem Einsatz übel zugerichtet. Er bot ihm eine Woche Urlaub an, um sich zu erholen. Der Kollege wehrte ab. „Kommt nicht infrage. Das wollen die ja nur!“ Welch stolze Worte! Nach diesem jungen Beamten würde ich eine Straße benennen.

Sicherheit so ein Philosoph ist lebenswichtige Illusion. Das Wertgefühl für Sicherheit wächst. Die ist nicht mehr selbstverständlich. Unsere Gesellschaft wird gestresst. Es verbreitet sich neue Unsicherheit. Da braut sich vieles zusammen.

Sicherheit ist nicht einfach Eigenschaft zivilisierter Gesellschaften. Sie ist der Kitt stabiler, solidarischer Gesellschaften. Sie ist auch Synonym für Freiheit. Beides düngt, neben dem Wohlstandsversprechen, unser Verständnis von Demokratie.

Demokratie braucht auch klare Kante nach innen. Feinde der Verfassung sind als Gesetzeshüter eine Fehlbesetzung. Daran hat Frank Richter keine Zweifel gelassen. Jeder hat eine Wirbelsäule. Er hat auch noch Rückgrat!

Frank Richter hat sich vom Kradfahrer zum Polizeipräsidenten entfaltet. Ich bezeuge: Der Mensch ist derselbe! Es ist nützlich zu wissen, wie man sich in Kurven legt, Fliehkräfte versteht, Gashebel und Bremse unterscheidet. Zweiradfahrer wissen: Nur in Bewegung kommt man voran und heil nach
Hause.

Polizeibeamte haben es nicht nur mit Kriminellen zu tun. Im ständigen Kontakt mit „freilaufenden“ Bürgern sind Hürden der Kommunikation zu überwinden: mit Zeugen, Opfern und Kindern. Frank erfand die Stoffpuppe „Anton“ als „Schwellensenker“. „Anton“ ist nicht nur Maskottchen. Es ist Name eines gemeinnützigen Vereins. Die BrostStiftung lässt eine PolizistinnenFigur als zeitgemäße Ergänzung nähen.

Als Abschiedsgeschenk für Herrn Richter und Begrüßungsgeschenk für Herrn Stüve überbringe ich zusätzlich dem Verein Anton eine feste Zusage. Anton kann 35 000 Euro für gemeinnützige Projekte bei der BrostStiftung abrufen.

Lieber Frank Richter,
die Wertschätzung eines Scheidenden zeigt sich auch am „spezifischen Gewicht“ des Nachfolgers. Das ist so finde ich mit Herrn Oberstaatsanwalt Andreas Stüve beispielhaft gelungen. Ein solcher „bigshot“, lieber Herr Minister Reul, setzt ein Signal. Ein positives für alle, die in unserem Land friedlich und gedeihlich zusammenleben wollen. Ein unbehagliches für FalschSpieler, vom kleinen Ganoven bis zum großen im Maßanzug.

Frank Richter bleibt seinem beruflichen Lebensthema erhalten: im Beirat der BrostAkademie, an der Hochschule für öffentliche Verwaltung. Er wird seine Erfahrungen weitergeben.

Lieber Frank, morgen wirst du aufwachen und dich noch einmal aufs andere Ohr legen. Ich wünsche Dir sehr, dass Du dann das Quartett aus „Fidelio“ summst: „Mir ist so wunderbar…“

Ich danke dir. Ich danke Ihnen.