„Ist Sicherheit eine Frage des Geldes? –Chancen und Risiken beim Einsatz privater Sicherheitsfirmen“ Bibliothek des Ruhrgebiets, 29. Oktober 2019

Begrüßung durch Prof. Bodo Hombach

29. Oktober 2019

Verehrte Damen und Herren,


die BAPP – ein Institut der Universität Bonn – ist mal wieder Gast in der Ruhr – Region. Dem Gastgeber und unseren großartigen Gästen herzlichen Dank dafür. Die werden vom WDR Redakteur für Landespolitik, Herrn Marc Steinhäuser, gleich protokollgerecht vorgestellt.
Ihm danke ich – auch in ihrem Namen – schon jetzt.

Staatliche und private Sicherheitsproduzenten sind unter uns.Herr Kötter, dem ich auch danke, leitet ein wichtiges Sicherheitsunternehmen. In mehr als zehn Verbänden und Organisationen vertritt er diese wachsende Zunft – auch in Brüssel. An ihn werde ich zuerst übergeben.

Der Theologe Karl Barth wurde gefragt: „Sehe ich meine Lieben im Himmel wieder?“
Seine Antwort: „ Ja….Die anderen aber auch.“ Sie merken, mein Stichwort heißt: Miteinander!

Ich erinnere eine Karikatur aus Zeiten der Studentenunruhen. Zwei Glatzen verprügeln einen linken Demonstranten. Der am Boden liegende Langhaarige ruft einem Polizisten zu: „He, verdammter Bulle, verpiss dich mal schnell hierher!“ So kann’s kommen, wenn man plötzlich Hilfe braucht. Den erbetenen Helfer hatte man lange – ideologisch korrekt – verachtet.

Sicherheit gehört zu den elementaren Bedürfnissen. Sie ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. Objektiv oder gefühlt…Leider eine schwer messbare Größe. Beides kann weit auseinanderliegen. Menschen reagieren heftig auf kriminelle Ereignisse in ihrer Nähe. Da hat eine Balkengrafik wenig Überzeugungskraft. Das ist evolutionäres Grundverhalten. Das aktiviert Verteidigungs- und Abwehrkräfte, aber auch Erregung.

Gefühle sind Tatsachen. Politik hat abzuwägen. Sie darf Gefühle der Leute nicht ignorieren.
Sie muss aber hysterischen Ausfällen entgegentreten. Den Satz: „Auf uns hört ja keiner“ höre ich so oft wie nie. Übersetzt heißt das wohl: „Egal was ich sage oder poste, es interessiert kein Schwein.“

Irrelevanz darf nicht Grundgefühl breiter Schichten sein. Wie und mit wem man leben will, muss formuliert werden dürfen. Wenn 78 Prozent der Deutschen den Allensbachern (FAZ) flüstern, sie könnten nicht sagen was, sie denken, und mehr als zwei Drittel das auch bei einer Infratest – Umfrage (MDR) verrieten, schrillt für Demokraten die Alarmsirene.
Es reicht nicht, zu singen: „Die Gedanken sind frei!“ An verspürten Wortfesseln kann der Wert von Freiheit schwinden.Die jüngste Shell – Jugendstudie spricht von 68 Prozent der 12 – 25 Jahre alten, die meinen, dass man nicht offen diskutieren könne.

Sicherheit und Freiheit sind untrennbar verbunden. Bei uns dient Sicherheit dem Schutz der Freiheit. Sicherheit für das Volk – nicht Sicherheit vor dem Volk – wie in Diktaturen und „gelenkten Demokratien“. Sprungbereit lauern extreme Gruppen oder Parteien. Sie schüren Ängste, um sich als Retter zu empfehlen.

Bürger erwarten, dass der Schutz der Gesellschaft vor Terrorismus, Kriminalität oder Katastrophen in der Zuständigkeit des Staates liegt. Beamte agieren. Die öffentliche Hand finanziert. Die Realität ist breiter.
Private Einrichtungen übernehmen schon lange Schutz – und Kontrollaufgaben. Und das ist auch gut so. Wenn sie gut sind und sich professionell aufstellen, sind sie effizient und flexibel, schonen sie das Steuersäckel, entlasten sie staatliche Stellen und erleichtern sie der Polizei die Konzentration auf ihre Kernaufgaben. Diese Partnerschaft für unsere Sicherheit ist ausbaufähig.

Private Vorsorge – wie die Sicherung der Wohnung – zeigt messbare Erfolge. Dabei sind private Sicherheitsdienste traditionelle Partner. Die Aufgabenfelder reichen zu neuen Horizonten. Erst recht vor dem Hintergrund enorm gewachsener Gefahrenlage. Ich rede jetzt nicht von gewaltbereitem Extremismus oder traditioneller Kriminalität. Ich rede vom digitalen – uns nahen – banalen Alltag.

Die technische Zivilisation hat einen ungeheuren Grad an Komplexität erreicht. Das verstärkt und erweitert unsere Reichweite wie es sich kein tobsüchtiger Science – Fiction – Autor ausdenken konnte. Mit der Komplexität der Systeme wächst deren Fragilität. Wer digitalisierte Welten bauen kann, kann sie auch attackieren. Angesichts der grotesken Asymmetrie haben nicht nur Apokalyptiker Sorgen.

Die fröhlichen Bastler vom Silicon Valley machen etwas, . . . weil sie es können. Risiken sind nicht eingepreist. Die „Endkontrolle“ überlässt man der Gesellschaft. Behörden und Regelwerke laufen bei dieser Aufholjagd hinterher.

In der Landschaft stehen Schilder mit der Aufschrift: „Dienstweg. Kein Durchgang!“ Das meinen die wörtlich. Politik hat begriffen, dass es vorauseilender Anstrengung bedarf.
Nacheilende Anstrengungen waren hilflos.

Unser Gast, Herr Bosbach, wurde von der NRW – Landesregierung deshalb zum sicherheitspolitischen VORdenker berufen. Gute Ideen gibt es nicht wie Sand am Meer. Zu oft werden sie dann auch noch parteiideologisch zerhandelt. Das Schadensrisiko der neuen Gefährdungsdimension ist groß. Überforderte Sicherheitskräfte kann man sich nicht leisten. Selbst wenn sich Vernunft und politischer Wille synchronisieren: Gute Polizeibeamte werden nicht heute bestellt und morgen geliefert.

Unternehmen wissen das. Längst nutzen sie private Dienstleister zum Schutz ihrer Wertschöpfungsketten. Schutzaufgaben an nicht staatliche Akteure delegiert, ob überhaupt …das ist nicht die Frage. Erst recht keine Systemfrage.

Wir fragen: Welche Qualifikation, Werte und Pflichten verlangt die Gesellschaft von privaten Sicherheitsproduzenten?

Abend für Abend legen sich Milliarden Menschen schlafen. Für einige Stunden sind sie hilflos wie Kinder. Sie vertrauen darauf, dass Fenster und Türen geschlossen sind.

Befriedigung des elementaren Bedürfnisses Sicherheit (das Gefühl, da kümmert sich einer) schafft Vertrauen. Das ist die Voraussetzung von Freiheit. Unsicherheit erzeugt ein gefährliches Vakuum. Dort tummeln sich dann kriminelle Clans oder selbsternannte „Bürgerwehren“.

  • Es gibt Schutzpflichten, für die nicht – staatliche Akteure auf keinen Fall eingesetzt werden sollen.
  • Es gibt welche, die sinnvollerweise verstärkt von privaten Sicherheitsproduzenten erbracht werden sollten.

Wir suchen pragmatische Lösungen. Hier betreten wir noch schwankenden Boden. Deshalb müssen wir darüber reden. Dafür ist die Akademie da. Dafür begrüßen wir unsere wunderbaren, kompetenten Gäste. Die sind Garantie dafür, dass wir diesen Raum klüger – und sicher auch beruhigter – verlassen als wir ihn betreten haben.


Dafür vorauseilenden Dank!