Fachsymposium „Citylogistik für das Ruhrgebiet“ – Bottrop, 27. Februar 2019

Begrüßung durch Prof. Bodo Hombach

27. Februar 2019

Sehr verehrte Herren Bürger- und Oberbürgermeister,
liebe Gäste und Experten,
sehr verehrte Damen und Herren,

unser Gast aus Düsseldorf ist Beweger. Er holt dafür sogar wieder Geld aus Berlin und Brüssel ab.

In ein Desaster hineingewählt zu werden, schützt nur in den ersten vier Wochen vor oppositionellen Freudentänzen und medialer Häme. Medien sind schnelllebig. Der Souverän ist ungeduldig.

Neues Geld bringt neue Baustellen. Mobilität im Dschungelkampf des Straßenverkehrs erinnert mich an einen Kastenwagen. Der fährt durch die Stadt. Alle fünfhundert Meter hält der Fahrer an. Er steigt aus und schlägt mit dem Stock an die Blechwand. Er fährt weiter.

Ein Passant fragt, was das soll. „Der Wagen darf nur eine Tonne laden“, sagt der Fahrer. „Ich habe anderthalb Tonnen Wellensittiche an Bord. Nun muss ich dafür sorgen, dass immer eine halbe Tonne am Fliegen ist.“

Mobilität: Dreierlei muss zusammenkommen, damit die Sache läuft: Ein Bedürfnis, ein Gerät und eine freundliche Infrastruktur. Wir bewegen Güter, besuchen ferne Länder, suchen Abenteuer. Mobilität ist kein Luxus. Sie ist ein Bürgerrecht. Sie ist Freiheit und Entfaltung. Wer sie einschränkt, nimmt uns eine wesentliche Eigenschaft des Daseins.

Freiheitsstrafe ist Freiheitsentzug, ist Mobilitätsentzug. Freiheit und Mobilität sind verschwistert. Mobilität ist nicht alles, aber ohne Mobilität ist alles nichts. Aber: Selbst über Wolken ist Freiheit nicht grenzenlos. Auch Mobilität kennt Grenzen. Solche Grenzen zu mehren und neue zu erdenken, gilt einigen als geboten. Laut Statistik sollen gerade Vielflieger zu dieser Gruppe gehören. Es geht offenbar auch um Volkserziehung. Das will aber – wie man hört – gerne mobil bleiben.

Dessen Wünsche wachsen sogar, aber die Möglichkeiten nicht. In diesem Spannungsfeld Verkehrsminister zu sein, ist nicht vergnügungssteuerpflichtig.

In der Literatur gibt es einen Landwirt, der sagt, er brauche kein Auto. Er meint: „Die Erde dreht sich doch. Da muss ich nur die Beine heben und komme auch so überall hin.“

Eine lustige Fantasie, aber: Mobilität braucht Wege, Straßen und Brücken. Modernes Wirtschaften ist nicht denkbar ohne zuverlässig getaktete Infrastruktur. Die entsteht aus Ideen, Erfindungen und Steuern. Und kluger Verkehrspolitik. – Ein seltenes Gut:

Beispiel Bahn: Jahrzehnte systematischer Vernachlässigung lassen sich nicht weglächeln. Auch nicht durch ein paar Bahnhöfe, die in Eventbühnen verwandelt werden.

Die Leute wollen Pünktlichkeit und freundlichen Service. Bei einem Investitionsstau von geschätzten 47 Milliarden Euro schwer zu realisieren. Von der Digitalisierung des Schienennetzes verspricht man sich viel.

Beispiel Straße: Jeder spürt täglich, welche gewaltigen Investitionen notwendig wären. Der Verfall der letzten Jahre muss aufgehalten werden. Es knistert in vielen Brücken. Das Straßennetz ist dem Aufkommen nicht mehr gewachsen. Der freilaufende Bürger denkt vielleicht global. Er lebt regional. Er erlebt immer nur das konkrete Defizit. Er leidet stumm oder wird wütend. Er empfindet Kontrollverlust und entzieht dem System Vertrauen. Nicht alle sind im Zustand fideler Resignation: „Toll! – Die Bahn schenkt uns mehr Reisezeit als uns laut Ticket zusteht!“

Negative Pädagogik hilft nicht. Bisher sind alle Versuche gescheitert, dem Individualverkehr das Leben so schwer zu machen, dass man gern auf Kollektivverkehr umschaltet.

Natürlich muss man an Alternativen denken. Das klappt selten über Denk- und Fahrverbote. Wer Verhalten der Leute ändern will, muss sie mit dem Besseren locken. Das Gewohnte zu beschimpfen oder Worte zu modellieren oder den Teufel an die Wand zu malen, wirkt nicht nachhaltig.

Kaufzentren vor der Stadt veröden Innenstädte. Man kann leicht hinfahren, parken und trockenen Fußes das Ziel erreichen. Regionale Mobilität ist von entscheidender Bedeutung. Das muss man im Ruhrgebiet keinem erklären. Als Metropole kann man einen überschaubaren Raum verstehen, in dem es vielfältige Angebote gibt. Die müssen aber leicht erreichbar sein. Wer über den Tellerrand hinausblicken soll, braucht niedrige Schwellen. Es muss leicht fallen, Grenzen zu ignorieren.

Volksvertreter am Düsseldorfer Schwanenspiegel können die Weltprobleme nicht lösen. Sie können aber mit jeder guten Idee und jeder klugen Maßnahme Gutes tun. Die Heutigen haben es nicht schwer, ihre Vorgänger in den Schatten zu stellen. Sie sind offen dafür, Ideen bei denen abzuholen, die an der Realitätsfront arbeiten.

Deshalb gilt der Dank der Brost-Stiftung nicht nur den Experten aus der Wissenschaft, sondern auch den Oberbürgermeistern und Kommunalpolitikern. Die bringen sich mit ihrem profunden Wissen ein.

Neue Gedanken sind gut. Neues Denken ist besser. Im täglichen Stau auf der A40 haben wir Ruhris viel Zeit dafür. Es gilt, Entwicklungen zu antizipieren und vorbeugend zu handeln. Es braucht dringend Initiativen, noch dringender als neue Gesetze. Festgefahrene Strukturen sind aufzubrechen. Bei Verkehrsbetrieben, in Parteibüros und Fraktionen. Und ganz wichtig: Auch in den Köpfen der Nutzer.

Man muss nicht alles auf den Kopf stellen, aber man darf nicht auf denselben gefallen sein. Auch deshalb großen Dank denen, die nicht auf der Bremse stehen, sondern bewegen.

Die Persönlichkeiten, die heute hier sind, sind Garantie dafür: Wir werden diesen Raum klüger verlassen, als wir ihn betreten haben. Dafür schon jetzt vorauseilenden Dank.