„Townhall-Meeting mit Oberbürgermeister Thomas Kufen“ – BAPP, 19. November 2018

Townhall Meeting mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen

Begrüßung durch Prof. Bodo Hombach

19. November 2018

Verehrter Herr Oberbürgermeister Kufen, verehrter Herr Dr. Marinos,
sehr verehrte Damen und Herren,

Sie kennen vermutlich die Erzählung über Helmut Kohl. Der hatte das Gefühl: Egal was ich mache, die Presse höhnt und ätzt, und die Leute pfeifen mich aus. Er sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Eine Stimme aus den Wolken empfahl ihm, einfach mal auf dem Wasser des Rheins zu wandeln. Kohl ist begeistert. Am nächsten Morgen sehen zwei Angler das Wunder. „Schau, der Kanzler!“ ruft der eine. „Ich hab’s geahnt“, sagt der andere. „Der kann nicht mal vernünftig schwimmen.“

Den Volksparteien geht es scheinbar ähnlich. Das „Volk“ kommt ihnen abhanden. Offenbar sehen sich viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr abgeholt und mitgenommen. „Uns hört ja keiner!“ wurde zum geflügelten Wort. Gewiss kann man solches „Geflügel“auch hinterfragen. Wolfgang Schäuble wird geradezu wütend, wenn er das hört. „Noch nie“, so sagte er jüngst im Deutschlandfunk, „hatte der Bürger so viele Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, wie heute: In Leserbriefen, in Sendungen des Bürgerfunks, im Internet, in einer Sturzflut von Erhebungen, Befragungen und Versammlungen.“

Das mag ja sein, und die Leute küren ihn seit Jahren zu einem der beliebteren Politiker der Republik. Sie bekommen aber offenbar zu wenige oder zu falsche Antworten auf ihre Fragen. Was ihnen unter den Nägeln brennt, erhitzt ihre gewählten Vertreter weniger. Die beschäftigen sich scheinbar mit Fingerhakeln und Postenschacher – also mit sich selbst. In diesem Sommer war das in Berlin bis zur Schmerzgrenze zu erleben. Symbolpolitik gebärdete sich als Schicksalsfrage. Am lautesten gackerten diejenigen, die die kleinsten Eier legten. Bert Brecht hätte gesagt: Entweder das Volk ändert sich, oder die Regierung wählt sich ein neues.

Wir meinen, es gibt noch eine dritte Möglichkeit: Reden. Diskutieren. Meinungsaustausch. Sachlich und mit Leidenschaft. „Wir“ sind zum Beispiel die Mitarbeiter der Bonner Akademie BAPP und der Brost-Stiftung. Sie ermöglichen Forschung zu aktuellen Fragen. Sie bekämpfen die grassierende Argumentationsarmut. Sie suchen Wahrheit in den Tatsachen. Nur so – davon sind wir überzeugt – entsteht ein Überfluss an Alternativen. Man kann sich für die Bessere entscheiden.

Ein Thema, das bewegt, heißt „Migration und Integration“. Gibt es eine Obergrenze für Humanität? Wie groß ist die soziale Spannkraft einer Gesellschaft bei wachsender Angst vor Abstieg und Kontrollverlust? Das vor einem Panorama dramatischer Umbrüche.

Sie kennen die Vokabeln:

  • Zerfall der internationalen Friedensordnung,
  • Risiken der Digitalen Revolution,
  • Klimawandel und Energiewende,
  • unbezahlbarer Wohnraum in den Ballungszonen,
  • marode Infrastruktur,
  • sinkende Wirtschaftsdaten bei drohenden Handelskriegen,
  • Flucht in nationale Abschottung.

 

Alles hat reale Grundlagen. Alles erzeugt aber auch Phantasien. Internet und klassische Medien schütten ihr Öl nicht auf die Wogen, sondern ins Feuer. Umgangsformen zerfallen. Sprache marodiert.

Wir misstrauen Parolen und Sprechchören. Wenn mehr als 60 Prozent der Befragten in keiner anderen Zeit der deutschen Geschichte gelebt haben wollen und gleichzeitig einer Politik des Ausgleichs das Vertrauen entziehen, dann haben wir ein Kommunikationsproblem. Da hilft nur Kommunizieren – am besten mit einem Mund und zwei Ohren. So sind wir nämlich gebaut.

Willkommen also zu diesem „Townhall Meeting“. Man könnte auch sagen „Rathausgespräch“. Gastgeber ist der Obermeister der Essener Bürger Thomas Kufen. Von wichtigen Funktionen in der Landespolitik in die Kommunalpolitik aufgestiegen. Die Moderation übernimmt Dr. Alexander Marinos, stellvertretender Chefredakteur der WAZ.

Das Wort haben alle, die gekommen sind. Ich freue mich auf jeden Beitrag und will dar- über nachdenken. Ich habe vor, diesen Saal klüger zu verlassen als ich ihn betreten habe.

Henry Ford sagte einmal: „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist einFortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.“

Ich danke Ihnen.