„Bewegung auf dem Balkan“ – Trierischer Volksfreund, 15. Mai 2018

Gastbeitrag im Trierischen Volksfreund

„Bewegung auf dem Balkan“

Bei dem EU-Gipfel in der bulgarischen Hauptstadt Sofia wird es ab Donnerstag vor allem um die Beitrittschancen der Staaten des Westbalkan gehen und um: Reformen sowie nachhaltige Unterstützung.

Reisen bildet – ein gutes Motto für die Visite des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic in Düsseldorf. Je konkreter neue Beziehungen werden, umso besser für beide Seiten. Wer Serbien stabilisiert, stabilisiert die ganze Region und damit Europa an einer gefährlich weichen Flanke.

Dass die NRW-Landesregierung Auslandsbeziehungen aufbaut und Außenwirtschaftsförderung ernst nimmt, ist richtig und wichtig. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat vorgelegt: Bei seinem Besuch hatte er 100 Unternehmer im Gefolge. Etwa 400 Deutsche sind in Serbien schon aktiv. Das Handelsvolumen beträgt 4,4 Milliarden Euro – mit Luft nach oben. In Serbien gibt es sehr gut ausgebildete junge Menschen – die würden gerne im eigenen Land arbeiten.

Der digital kundige und innovationsbegeisterte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart hat in der eloquenten serbischen Ministerpräsidentin Ana Brnabic das richtige Gegenüber. Sie treibt das Projekt „Digital Serbia“ leidenschaftlich voran. Die international ausgebildete Technokratin hat keine politische Hausmacht, aber bei ihrem Präsidenten massiven Rückhalt. Er ermöglicht ihr, wirtschaftspolitische Kompetenz und Einsicht in Praxis zu übersetzen. Das ist mutig und erfolgreich.

Morgen wird Vucic beim EU-Gipfel in Sofia sein. Nach 15 Jahren wird der „Dreisatz“ von Thessaloniki erneut beschworen: Reformen, nachhaltige Unterstützung und europäische Integration. Der Präsident hat vertrauensbildende Gesten und Taten vorgelegt. Er scheut sich nicht, gegen reaktionären Mainstream anzutreten. Eine selten gewordene Tugend. Dass er zu Russen und Chinesen gute Drähte pflegt, hindert ihn nicht an der klaren Ansage: „Serbiens Priorität ist Europa“. Das ist kein Sprint, sondern Marathonlauf. Es braucht langen Atem. Brüssels frühere Willkommenskultur ist abgekühlt. Serbien zahlt den Preis für Enttäuschungen, die andere verursacht haben. Kroatiens Wirtschaft ist nicht auf europäischem Niveau. Rechtssicherheit und Korruptionsbekämpfung in Bulgarien und Rumänien auch nicht. Serbien zeigt wirtschaftlichen Fortschritt, aber ohne Rechtssicherheit und Korruptionsbekämpfung gibt es keinen nachhaltigen Erfolg. Dass die Kosovo-Frage emotional belegt ist, versteht man gerade in Deutschland.

EU-Mitglied Kroatien dämpft nicht etwa die erklärten „Wortkriege“. Statt sich unter dem Dach der Gemeinschaft zu versöhnen, benutzt man sie für ethnisch-nationale Ranküne, um Serbiens Weg in die EU zu behindern. „Der Klügere gibt nach“ – ist im Balkan-Gen noch unterentwickelt (und auch im Westen nicht gang und gäbe).

Präsident Vucic öffnet Türen. Er traf sich mit dem albanischen Präsidenten und mit der kroatischen Führung in Bosnien. Zweimal war er in diesem Jahr bei Angela Merkel. Sie setzt auf ihn. Im sogenannten Berlin-Prozess will sie die ermüdete Integrationsregatta beleben. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bietet Flankenschutz. In den schweren Tagen der Flüchtlingskrise war Vucic ein verlässlicher Partner. Letzte Woche traf er Präsident Wladimir Putin und Präsident Recep Tayyip Erdogan. Vielleicht eine zarte Andeutung: „Ich kann auch anders.“ Bei uns sollte er sich angenommen fühlen und mit konkreten Ergebnissen nach Hause fliegen.

Bodo Hombach (65) war 1998 NRW-Wirtschaftsminister, kurz darauf Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder (SPD) und wechselte dann als Koordinator des Balkans nach Brüssel.