„Der unruhige Balkan – Schlüsselland Serbien“ mit Generalkonsulin Perin Jaric – Uni Bonn, 13. Dezember 2017

„Der unruhige Balkan – Schlüsselland Serbien“

Einführung von Prof. Bodo Hombach

Gast: Generalkonsulin Perin Jaric

13. Dezember 2017

Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie und unseren heutigen großartigen Gast. Frau Generalkonsulin Perin Jaric vertritt ihr Land Serbien auf dem wichtigen diplomatischen Posten des Generalkonsulats in Düsseldorf. Zuvor war sie Sprecherin der Botschaft ihres Landes in Berlin. Sie wird uns sehr interessante und authentische Einblicke geben können. Liebe Frau Generalkonsulin Jaric, ich heiße Sie herzlich willkommen!

Der ebenfalls für heute angekündigte Journalist Dr. Siebenhaar vom Handelsblatt muss wegen der Regierungsbildung in Österreich vor Ort bleiben. Er beobachtet für seine Zeitung nämlich nicht nur die Entwicklung in Südosteuropa sondern auch die in Österreich.

Wie immer möchte ich die Zeit unseres Gastes und unsere Diskussion nicht durch lange Ausführungen beschädigen. Sie haben meine Texte aus früheren Seminaren und aus diesem bereits schriftlich. Es genügt also ein paar Marken zu setzen, die uns eine Orientierung erleichtern. Keine leichte, aber gerade deshalb eine besonders nötige Aufgabe in einem Feld, das dem Westeuropäer als besonders unübersichtlich erscheint. – Vielleicht hat er seine eigene Spannungs- und Konfliktgeschichte nur vergessen. Und wenn er nicht aufpasst, kocht sie schnell wieder hoch, trotz EU und aller Sonntagsreden.

Bei unseren bisherigen Treffen haben wir versucht, die geografischen und historischen Voraussetzungen Südosteuropas zu erkunden. Wir sprachen von einer zerklüfteten Region mit schroffen Gegensätzen. Seit den Zeiten der Römer war sie Durch- und Aufmarschgebiet fremder Mächte. Die ethnische Gliederung hatte lange Zeiten friedlicher Nachbarschaft, konnte aber auch durch Grenzverschiebungen rasch zu Konflikten führen. Fremdgesteuert wurden diese selten beruhigt, stattdessen eher verschärft und für machtpolitische und strategische Zwecke ausgebeutet.

Wie wir aus den Geschichtsbüchern wissen, spielte Serbien eine Schlüsselrolle. Als sich das Ost-West-Schema der Nachkriegszeit auflöste und auch das Jugoslawien Titos zerfiel, kam es zu einem opferreichen Bürgerkrieg, dessen Wunden noch längst nicht geheilt sind. Immerhin rückte die Option „Europa“ in den Vordergrund. Vor allem die jüngere Generation sah hier eine Chance, sich auf einem größeren Globus zu entfalten.

Bitte, erlauben Sie mir, aus einem Beitrag zu zitieren, den ich für das Handelsblatt geschrieben habe und der mir noch immer gültig erscheint. Am Tonfall werden Sie erkennen, dass auch ich lieber durch Hoffnung ermutigen als durch Befürchtungen lähmen wollte. Ich selbst machte beim Wiederlesen die Erfahrung, dass nicht jeder Politiker und Staatsmann die in ihn gesetzte Erwartung enttäuschen muss. Ich bedaure jedenfalls meinen damaligen Beitrag in keiner Weise. Ich würde ihn heute nur ein klein wenig weniger emphatisch schreiben, aber auch heute noch ist Herr Vucic jemand, an den Europa und auch ich große politische Erwartungen haben.

„In Europa flackern die Lichter. Alarmlampen überwiegen. Leuchttürme sind selten. Da wählen die Serben mit großer Mehrheit einen Mann, der konsequent die Korruption bekämpft, kriminellen Oligarchen die Stirn bietet und seinem Land den Weg nach Europa öffnet. – Ach, tut das wohl!

Inmitten apokalyptischer Nachrichten stellt sich Serbien dem Abwärtstrend entgegen. Ausgerechnet das unruhige Balkanland verhagelt den Melancholikern die routinierte Depression. Das Kind schien in den Brunnen gefallen, jetzt klettert es mutig und munter heraus.

Wer es noch spannender will: Wahlsieger Aleksander Vucic war in jugendlichen „wild days“ nicht nur der übliche Euroskeptiker. Als Mediensprecher von Slobodan Milosevic vertrat er den schäumenden Europahasser eloquent. In den heißen Zeiten des Balkankonflikts drohte er jedem, der es wagen würde, serbisches Territorium und die Ehre seiner Bewohner zu schmälern.

Nun spricht alles dafür, dass aus dem Saulus ein Paulus wurde. Er wird sein Land aus der Isolation ins Offene und zum Erfolg führen – starker Tobak für alle, die ihn längst im Zoo ihrer Vorurteile das Schild umhängten „Bitte, nicht füttern!“

In Politik und Geschichte ist es eine nicht seltene Erfahrung: Nicht die Akteure bringen es weit, die schon immer brav dasselbe taten, sondern diejenigen, die auch die andere Seite kennen, vielleicht sogar aus eigenen Irrtümern und Fehlern. Paul Claudel brachte diese geheimnisvolle Dialektik auf den Satz: Gott schreibt gerade – auch auf krummen Zeilen.

Klar, dass ihm eine demokratisch errungene komfortable Mehrheit die Sache enorm erleichtert. O-Ton Vucic: „Jetzt hängen wir nicht länger von Arithmetik und Verhandlungen ab, sondern von seriösen Plänen und Programmen – und wir werden alle guten Ideen aufgreifen, ganz gleich, ob sie von unserer oder einer anderen Partei kommen.“

Wenn er Wort hält, sind ihm auch diejenigen wichtig, die ihn nicht gewählt haben. Er will sie auf seinen Reformweg mitnehmen und auf ihre Talente nicht verzichten. „Versöhnen statt spalten“.
Ich wüsste manch alteingesessenen Demokraten in good old Europe, für den das ein Lehrstück wäre.

Der Lichtblick aus Belgrad ist auch ein Signal an die Wirtschaft.“

Verehrte Frau Jaric, ist das schon Hagiografie oder entspricht es gesicherten Fakten? Können Sie mit Gründen zustimmen oder mit besseren Gründen widersprechen? – Welche Ziele hat Ihr Land, und welche Wege schlägt es ein? Was können die Völker des Balkans tun, um unter Wahrung ihrer Kontur zu friedlicher Nachbarschaft zu kommen und sich die begehrlichen Großmächte vom Leib zu halten?

Sie haben das Wort.