„Unternehmenskommunikation“ mit Rüdiger Oppers (Evonik Industries) – HBRS, 17. November 2015

Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie und unseren heutigen Gast. Rüdiger Oppers war Pressesprecher des Westdeutschen Rundfunks, dann Chefredakteur der „Neue Ruhr / Neue Rhein Zeitung“ (NRZ) und ist heute Chef für Corporate Communications des Chemie-Giganten Evonik Industries AG in Essen.

Ich bin sicher, dass ihn unser Thema lebhaft interessiert (sonst wäre er auch nicht hier). Es ist sein tägliches Brot. Veränderungen im Kommunikationsgefüge des Unternehmens, der Gesellschaft und beider miteinander zu beobachten und möglichst zu antizipieren. Das ist nicht einfach. Es braucht Kenntnisse, Erfahrung und ein empfindsames Sensorium. Und es braucht gesicherte Kriterien, die das Relevante vom Flüchtigen unterscheiden helfen.

Bahnbrechende Innovationen fallen nur selten vom Himmel. Man kann sie auch nicht auf Befehl erzeugen. Die Anordnung „Sei spontan!“ ist ein verbreiteter, aber auch einer der dümmsten Fehler menschlicher Kommunikation. Ideen entstehen zunächst heimlich im Kopf eines Kreativos, dann technisch in den Entwicklungsabteilungen kleiner und großer Betriebe. Virulent werden sie, wenn sie als gereiftes Produkt oder Konzept auf eine sozialpsychologische Großwetterlage treffen. Dann erwachen die Märkte. – Und in der Regel beginnt dann erst der Lernprozess der Politik. Er ist fast immer Nachhilfeunterricht.

Wer erneuern will, muss bei sich selbst anfangen, und das ständig von neuem. Das ist kein Lernziel, sondern eine Haltung. Ohne eine solche Grunddisposition seiner DNA hat er kaum Chancen, Ideen, Dienstleistungen und Produkte von morgen zu entwickeln. Erst wenn es gelingt, wirtschaftliche Prozesse, technologische Potentiale oder neue Märkte frühzeitig zu erkennen und in ihrer Natur zu verstehen, ist Erfolg zu erwarten. Dazu braucht es eine Strategie. Sie erzeugt nicht das Neue, aber sie schafft ein Klima und einen Rahmen, in dem es entstehen kann.
Was kennzeichnet ein neues Produkt? Ist es leistungsstärker als sein Vorgängermodell? Wird es effizienter hergestellt, mit weniger und erneuerbaren Rohstoffen? Wie reagieren die Kunden? Nehmen sie die Innovation an oder greifen sie eher auf die Produkte der Konkurrenz zurück? Moderne Betriebe verkünden nicht. Sie suchen den Dialog mit allen beteiligten Gruppen, bevorzugt mit ihren Kunden.
Wer international mitbieten will, muss früh seine Fühler ausstrecken, auch in die mögliche Zukunft. Auch auf der Höhe des Erfolges. Er weiß: Hinter jedem Gipfel geht es nur noch bergab.

Erfolg will Wachstum, und Größe macht zunächst auch stark, aber jenseits einer gewissen Grenze macht sie auch träge. Im globalen Wettbewerb – auf einem zum Teil gesättigten Markt – zählt nicht mehr Masse, sondern Qualität. Spektakuläre Großprojekte scheitern an ihrer eigenen Komplexität. Erfolgsverwöhnte Unternehmen geraten ins Abseits, weil sie zu lange ihren eigenen Festschriften geglaubt haben.
Entscheidend ist auch die interne Kommunikation. Gibt es eine Fehlertoleranz? Gibt es genügend Transparenz und Mitwirkung? Gibt es vor allem eine angstfreie Gesprächskultur, wo man nicht nur über jedes gelegte Ei gackert, sondern auch Defizite benennen darf?
Gerade erleben wir, wie schnell falsche Strukturen Weltkonzerne wie die Deutsche Bank oder VW in existenzbedrohliche Sackgassen treiben können. Da ist die geschickte Platzierung neuer Produkte erst einmal das kleinere Problem.

Und betroffen ist nicht etwa nur eine Branche. Aufstieg und Niedergang kann jedes Unternehmen erleben, sei es ein ehrwürdiger Medienriese, ein Energieversorger, eine Partei oder die Katholische Kirche. Die Geschichte zeigt: Jedem Untergang geht ein Realitätsverlust der Führungsebene voraus. Er ist die Folge autokratischer Allmachtsgefühle, die immer ärmlicher argumentieren und den Dialog verweigern. Zuletzt genügt ein vergleichsweise läppischer Fehler, um den Absturz einzuleiten.

Demokratische Strukturen können gegensteuern. Sie sind oft mühsam, langwierig und glanzlos, aber sie können Fehlentwicklungen im frühen Stadium zur Sprache bringen und Lösungsalternativen entdecken. Sie fördern auch die Entwicklung flacher Hierarchien und horizontaler Vernetzung. Pompöses Territorialverhalten war gestern. Heute und künftig brauchen wir eine möglichst intelligente und dynamische Logistik.
Mit dem „Internet der Dinge“ wird die digitale Revolution jeden Bereich von Produktion und Vermarktung durchdringen. Mehr denn je werden die Prozessoren miteinander kommunizieren und im Nano-Tempo Entscheidungen fällen. Mensch und Gesellschaft haben vermutlich nur noch die Wahl, den langsamen und lästigen Störfall zu spielen oder als Endprodukt eine humane Gesellschaft zu programmieren.

Lieber Herr Oppers, ist das Thema erkennbar beschrieben? Sehen Sie vielleicht zusätzliche oder auch ganz andere Aspekte? Wie spielt es sich in Ihrem konkreten Arbeitsfeld ab? – Wo stehen wir und wo geht’s lang?

Wir sind gespannt. Sie haben das Wort.

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