„3. Deutsch-Chinesisches Akademisches Forum“ Begrüßung und Tischrede – BAPP, 30. Oktober 2015
„Wirtschaftsentwicklung, Rechtsstaat
und Sozialer Wandel“
3. Deutsch-Chinesisches Akademisches Forum
5./6. November 2015
Shanghai
Tagungsort: Dongjiao State Guest Hotel, 1800 Jinke Rd, Pudong, Shanghai
Begrüßung
Prof. Bodo Hombach
Mit Freude und Spannung sind wir in Deutschland abgeflogen. Wir wurden freundlich und entspannt empfangen. Ein Flug nach China dauert viele Stunden. Das ist länger als ein Klick im Internet. Das gibt Gelegenheit, den schnellen Alltagstakt hinter sich zu lassen und sich innerlich auf Neues vorzubereiten. Es öffnet andere Sinne.
Die Verbindung besteht schon seit Jahren. Sie ist lebendig und hält. Kennenlernen liegt hinter uns. Wir schätzen uns. Wir haben konkrete Ergebnisse. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben und mitwirken.
Ein französischer Schriftsteller sagte: „Du bist verantwortlich für das, was du dir vertraut gemacht hast.“ – Wir haben uns gegenseitig vertraut gemacht. Das macht uns verantwortlich – für unsere Themen, die Form und den Verlauf unserer Gespräche. Auch für die Bewahrung des Respektes, den wir für einander haben.
Bei uns hörte ich den Satz: Man ist im falschen Alter jung. Oft fehlt den Jungen Zeit und Geld, um Reisen zu machen. Die Alten haben mehr Zeit und Geld. Sie können reisen, aber sie können es kaum mehr für Beruf und Leben nutzen.
Wir vermeiden das. Bei unseren Treffen stehen die Teilnehmer „mitten im Leben“. Sie haben Erfahrungen und wollen neue machen. Sie wissen: Fortschritt und Entwicklung führen über Dialog und Austausch.
In Europa gehen seit tausend Jahren Handwerksburschen auf Wanderschaft. Es genügte nicht, daheim die Handgriffe der Alten zu lernen. Man musste in die Fremde wandern. Dort begegnete man neuen Ideen. Dort wohnten Menschen in anderen Kulturen. Die betrachteten vielleicht die gleichen Dinge mit anderen Augen. Dadurch gab es Lösungen, nach denen man selbst vergeblich suchte.
Wer Abenteuer wagte, weitete seinen Horizont. Er hat bessere Chancen. Europa war jahrhundertelang durchzogen von Wanderwegen. An deren Rändern entstanden Zonen mit „erhöhter Temperatur“. Ganze Provinzen profitierten davon. Sie brachten erstaunliche Leistungen der Kultur und der Zivilisation hervor.
Was führt uns zusammen? – Es sind gemeinsame Interessen und gemeinsame Sorgen.
Die großen Chancen und Probleme unserer Zeit halten sich nicht an geografische oder politische Grenzen. Alles, was irgendwo geschieht, hat Wirkungen – überall. Die modernen Techniken der Kommunikation und Information projizieren jedes Ereignis auf eine globale Leinwand. Aktion und Reaktion folgen schneller aufeinander. – Wir brauchen deshalb stabile Strukturen der Begegnung. Sie erleichtern es, das Wichtige vom Flüchtigen zu unterscheiden. Zusammen sind wir klüger als allein.
Das ist kein langweiliger Einheitsbrei. Wir wollen Wettbewerb, aber wir wollen ihn kooperativ und in einem sinnvollen Gesamtzusammenhang. Das klingt wie ein quadratischer Kreis. Dass es gelingen kann, wissen wir aus jeder spannenden und fairen Sportveranstaltung.
Vor zweieinhalb tausend Jahren (das ist für chinesische Verhältnisse nicht lange her) gab es im Süden Europas die Alten Griechen. Sie machten den geregelten Wettstreit zum Kerngedanken und Motor ihrer Zivilisation. Alles, was sie hervorbrachten, geschah im spielerischen Wettbewerb. Sie philosophierten im Dialog. Sie forschten im Modus der Auseinandersetzung. Auch ihre Theaterspiele ereigneten sich als Wettspiel der Autoren um den Lorbeerzweig, Das war der höchste Preis, der zu vergeben war. Klar, dass sie auch die Olympischen Spiele erfanden.
Die einfache Methode des geregelten Wettbewerbs erzeugte eine „Supernova“ der Erkenntnisse und Gestaltungen. Von der profitieren wir noch heute.
Uns geht es weniger um Philosophie oder Theater. Wir suchen nach Wegen in die Zukunft. Wir reden über Politik und Wirtschaft. Wir reden über einen vernünftigen Umgang mit endlichen Ressourcen. Wir wollen ein gutes Leben unserer Zeitgenossen. Das aber nicht auf Kosten der Kinder und Enkel.
Gute Waren in ausreichender Menge sind wichtig. Gute Ideen sind wichtiger. Wir brauchen Wachstum, wo Mangel herrscht. Die Zukunft gehört jedoch der Wissensgesellschaft. Sie hilft uns, nachhaltig zu planen und zu wirtschaften. Sie macht aus den wenigen Grundstoffen, die uns auf diesem Globus zur Verfügung stehen immer neue Produkte. Gute Ideen entstehen heute kaum noch im einsamen Labor oder am einzelnen Schreibtisch. Sie entstehen fast immer in einem Team mit Kompetenz und dichter Kommunikation.
Die Zeiten sind schwieriger geworden. Auch China und Europa erleben gerade Turbulenzen. Die schüren Ungewissheit, wenngleich auf hohem Wachstumsniveau. Europa erlebt besonders heftig, wie leicht Feuer beim Nachbarn auf das eigene Haus übergreifen kann. In Deutschland erleben wir, dass wir den Ruf als ehrlicher und verlässlicher Partner des Welthandels immer wieder neu verdienen müssen.
Das braucht Erklärung und Nachdenken. Ein Grund mehr, den Direktkontakt zu suchen. Er rückt die Dinge ins rechte Licht. Er hilft vor allem, die Realität aus dem Blickwinkel der Anderen zu sehen. In Konfliktlagen liegt die Lösung nie auf der einen oder anderen Seite, sondern im Raum dazwischen. Den muss man begehen und erkunden. Mit Fantasie und Geduld. –Wie ich uns inzwischen kenne, entstehen daraus konkrete Projekte.
Wir haben interessante Themen vor uns. Wir erleben kompetenten Sachverstand. In ein paar Tagen werden wir klüger sein als heute.
Ich freu mich drauf. Noch einmal herzlichen Dank für die gute Vorbereitung! Und guten Verlauf!
Tischrede
Tischreden haben schwere Verantwortung. Sie unterbrechen die Nahrungsaufnahme. In diesem Fall eine besondere Katastrophe. Sie unterbrechen auch die bilateralen Gespräche, auf die es eigentlich ankommt.
Der Redner kann den Schaden nur begrenzen, indem er über
1. das Essen spricht,
2. die anschließenden Gespräche freundlich beflügelt,
3. so kurz wie möglich ist.
1. Die chinesische Küche ist in Deutschland und Europa ein fester Bestandteil der Essenskultur. Sie wurde zum Botschafter für ihr Land und seine vielfältige Kultur. In Deutschland herrschte früher der „Eintopf“. Inzwischen steht in fast jedem Haushalt ein Wok. Ein Symbol für gutes Wirtschaften. Die Rohstoffe werden geschont. Das Ergebnis behält Farbe, Vitamine und Geschmack. Manchmal ringt man mit den Stäbchen. Das fördert Feinmotorik und Geduld. Man kann länger genießen.
2. Was könnte unsere Gespräche beflügeln? – Wir agieren in Ordnungen. Wir planen sorgfältig und auf lange Sicht. Jugendliche Rebellen werden dabei leicht nervös. Aber es gibt nun mal Ordnungen. Die muss man respektieren. Das kann man mit einem kleinen Experiment an sich selbst erleben. Man kreuze Zeigefinger und Mittelfinger, so dass die Kuppen nebeneinander liegen. Wenn man sich damit über die Nase streicht, fühlt man plötzlich zwei Nasen. Das Gehirn ist irritiert. Für Kinder ist es ein Spaß. Es funktioniert mit deutschen Nasen wie mit chinesischen. – Ordnungen und Regeln sind wichtig. Sie sind der Rahmen. Nicht der Inhalt. Damit der Inhalt lebendig bleibt, muss er offen bleiben für Überraschungen. Es schadet also nicht, die Finger zu kreuzen und sich an die Nase zu fassen.
3. Ich versprach ihnen, auch die dritte Eigenschaft einer Tischrede zu beachten: die Kürze. – Ich danke Ihnen herzlich.