„Unternehmenskommunikation“ mit Thomas Kirschmeier (Rheingold Institut Köln) – HBRS, 20. Oktober 2015
Meine Damen und Herren,
lieber Herr Kirschmeier,
unser Gast ist Leiter Kommunikation und PR Services im Rheingold Institut Köln, eine Top-Adresse für qualitative Marktforschung und als Dienstleister für öffentlichkeitswirksame Unternehmensstrategie. Bevor er uns den Praxisschock verpasst, eine kleine theoretische Einleitung:
„Der neue Zwang zur Selbsterklärung“. So heißt der Untertitel dieses Seminars. Zwei Mega-Unternehmen der deutschen Wirtschaft haben einen sehr neuen „Zwang zur Selbsterklärung“: die Deutsche Bank und das Volkswagenwerk. – Ich sage voraus: In der nächsten Zeit wird es Bücher hageln, die nach Erklärungen suchen. Was muss zusammenkommen, dass sich Weltbetriebe dieses Formats innerhalb kürzester Zeit zerlegen (mit schweren Folgen für Belegschaft, das Ansehen der deutschen Industrie und der Volkswirtschaft) und sich nicht durch eine falsche Firmenstrategie, sondern durch ganz banale Betrügereien, wie die Libor- und die Abgasmanipulation, in existenzgefährdende Krisen manövrieren. Die Beispiele bescheren uns zwei Erkenntnisse:
1. Der wichtigste Rohstoff eines Unternehmens ist das Vertrauen der Öffentlichkeit. Es wächst nur langsam, ist leicht zerstörbar und braucht danach wieder viel Zeit und Geduld, um es zurückzugewinnen.
2. Auch große Unternehmen haben – zumindest in Teilbereichen – noch immer Lernbedarf bezüglich der Akzeptanzpflege durch Verlässlichkeit und Transparenz auf einem scharf umkämpften Weltmarkt.
Wir leben in einer nervösen Zeit. Umbruch, wohin man sieht. Globalisierung, Internet, digitale Revolution, Energiewende und Klimawandel. Der Globus schiebt keine ruhige Kugel. Der Verlust alter Gewissheiten erzeugt hektische Unruhe. Je nach Standpunkt und Urvertrauen zeigt sich das als Hoffnung oder Sorge. Es gibt ja auch Gewinner und Verlierer.
Wer sich an diesem Seminar beteiligt, will nicht, dass ihn die Entwicklungen herumschubsen. Er will sie überblicken und mitgestalten. Es gibt Voraussetzungen, Strukturen und immer auch Interessen.
Unser Interesse leitet eine Hypothese: Der politische Sektor (Parteien, Parlament, Regierung) schwächelt vor seiner Aufgabe, die Richtlinien vorzugeben. Die Entscheidungsträger leiden – wie wir alle – unter der wachsenden Unübersichtlichkeit der Verhältnisse. Man ist lieber in der Etappe als an der Front. Man flüchtet sich in Symbolpolitik und Worthülsen. Man ist ungeheuer aktiv, tritt aber auf der Stelle. Viel Zeit und Kraft gehen an parteipolitische Pseudo-Konflikte verloren. Notwendige Entscheidungen geraten auf die lange Bank. Es fehlt die langfristige Perspektive, der verlässliche Rahmen. Es fehlt die Kraft, beschlossene Standards durchzusetzen
Und es fehlt an markanten Persönlichkeiten, die das als richtig Erkannte selbstbewusst vortragen.
Auch die wissenschaftliche Beratung hat es schwer. Sie produziert voluminöse Expertisen, bemüht sich um Anschaulichkeit und zusammenfassende Merksätze. Die Regierung nimmt das dann rituell entgegen, legt es aber ungelesen ins Regal. Was drinsteht, kann man ja morgen in der Zeitung lesen. Auch was man davon halten soll.
Lobbyisten stiften zusätzlich Verwirrung mit Hochglanzbroschüren und widersprüchlichen Kursempfehlungen.
Auch die mediale Begleitung ist kurzatmig und wetterwendisch. Man will die schnellere Nachricht und hofft auf den nächsten Skandal. Vor allem will man seine Leser und Inserenten nicht verprellen.
Das alles erzeugt Defizite. Es hemmt wichtige Ideen und Entwicklungen. Die Wirtschaft leidet, wenn sie mit unkalkulierbaren Risiken leben soll. Sie leidet auch, wenn in Kumpanei mit der Politik die Mechanismen von Kontrolle und Selbstkontrolle erodieren. Großprojekte der Infrastruktur brauchen heute die breite Akzeptanz der Gesellschaft, und die müssen sie sich selber besorgen.
Andererseits ringen auch Großunternehmen mit der eigenen Trägheit. Sie verlassen sich länger als klug auf ihre Erfolge und verschlafen wichtige Veränderungen des Umfelds. „Too big to fail“ ist ein schwaches Geschäftsmodell. Und die klamme Öffentliche Hand scheut sich zu Recht, Vergangenheit zu subventionieren.
Unternehmen müssen eine eigene Kommunikationskultur entwickeln, nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Neue Ideen sind nicht in der Welt, weil sie jemand hatte. Sie müssen sinnvollsein und wünschbar erscheinen. Das geschieht durch offenen Diskurs, Teilhabe und gute Argumente.
Aber wie macht man das? Und ist das überhaupt eine richtige Diagnose? Wenn ja, ist sie ein Symptom des Übergangs, oder müssen wir uns langfristig damit abfinden?
Unsere Systeme wachsen schnell, gefährlich schnell, denn das macht sie krisenanfällig und kann schweren Schaden stiften. Neben Akzeptanzentwicklung und Imagepflege ist das Krisenmanagement von grundlegender Bedeutung.
Herr Kirschmeier, wie sehen Sie die Dinge? Wenn VW Sie fragen würde, was würden Sie raten?