„Das deutsch-amerikanische Verhältnis im Wandel – Renaissance oder Reform der transatlantischen Beziehungen“ – BAPP, 23. Oktober 2014

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Ederer,

meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich zu dieser Begegnung. Von der verspreche ich mir und Ihnen einen erheblichen Zugewinn an Erkenntnis. Dafür stehen unsere hochkarätigen Gäste. Das sind Kenner unseres Themas. Sie leben damit und leiden wohl auch ein bisschen damit. Das macht es hier sicher lebendig.

Nach den Weltkriegen ging es bei der transatlantischen Verständigung um ein vitales Grundbedürfnis. Das war denen, die das Inferno überlebt hatten, klar. Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist seit den Westverträgen eine Konstante der internationalen Beziehungen. Sie hat schon manchen Stresstest überstanden. Aber historische Erfahrungen geraten in Vergessenheit. Manche halten sie nach 60 Jahren für einen Modeartikel. Als wenn man darauf auch verzichten kann. Exogene Ereignisse erzeugen zusätzlichen Stress. Detailfragen türmen sich zur Grundsatzdebatte auf. – Der Rat eines klugen Alten, in aufgeregten Situationen erst einmal die Klappe zu halten, wird nicht mehr verstanden. Medien erhalten im Überfluss Antworten auf Fragen, die sie gar nicht gestellt haben.

Es gibt natürlich auch reale Gründe, sich neu zu vergewissern. Ich muss sie nicht aufzählen. Wir werden darüber sprechen.

Verhältnisse haben mit Verhalten zu tun. Verzeihen Sie die banale Feststellung: Man kann sie nicht als etablierte Errungenschaft in die Vitrine stellen. Dann verlieren sie an Wert und Wirkung.

Es ist wie mit einem Musikinstrument. Auf dem kann man wunderbare Stücke spielen, wenn man’s denn kann und wenn man’s denn tut. Die Stradivari im Safe ist nichts als ein merkwürdiges Ensemble aus Holz, Draht und Lack. Am Kinn des Könners hat sie eine Stimme. Die erhebt sich über das ganze Orchester. Der begabte Zuhörer ist beglückt.

Die Metapher ist ergiebig. Ein Verhältnis ist mindestens ein Duo. Es regelt ein Zusammenspiel. Die Partner müssen sich nicht ständig verliebt in die Augen sehen, aber sollten wenigstens ein pragmatisches Harmoniebedürfnis haben. Mehr noch: Ein Verhältnis ist kein Zustand, sondern ein Prozess mit Gewissheiten, aber auch Überraschungen.

Ein Konzert kann Höhen und Tiefen haben. Phasen langweiligen Nebeneinanders und Momente lustvollen Miteinanders lösen sich ab. Es gibt auch spannende, anregende, vorwärtstreibende Auseinandersetzung.

Über den Atlantik sind wir uns fremd geworden. Die Missverständnisse und das Missverstehen häufen sich.

Politisch erwachsen ist man, wenn man beginnt, drei neue Eigenschaften zu entwickeln:

  1. Man lernt, den eigenen Standpunkt auch aus dem Blickwinkel des Gegenübers zu betrachten. Das Eigentliche liegt meist nicht auf der einen oder anderen Seite, sondern im Raum dazwischen. Man kann es nur gemeinsam suchen. Also hält man sich nicht damit auf, beleidigt zu sein oder das Gesicht zu wahren. Man stellt die Frage: Wo wollen wir hin?
  2. Das „Entweder-oder“ führt in die Abseitsfalle. Das „Sowohl- als auch“ öffnet Spielräume.
  3. Über große Völker und Staaten kann man sagen, was man will, es stimmt immer irgendwo und irgendwie. Die Konfliktlinien verlaufen selten zwischen den Staaten oder gar den Regierungen, sondern innerhalb derselben. Da sind interessante Bündnisse möglich.

Politisch denken heißt: differenzieren. Es ist die Kunst, das Machbare zu tun, das Unabänderliche unruhig zu respektieren und beides von einander zu unterscheiden.

Dies hier ist ein Ort, wo wir das machen. Wir haben dabei großartige Helfer:

Der leitende Phoenix-Redakteur, Herr Michael Krons, wird die Diskussion moderieren. Er wird nicht durch künstliche Kontroversen den Unterhaltungswert suchen, sondern wichtige Erkenntnisse für uns herausarbeiten.

Frau Anja Bröker schätzen wir als Auslandskorrespondentin der ARD in Moskau und als Moderatorin des ARD-Nachtmagazins. Sie ging als Autorin für das Schweizer Fernsehen nach Peking und war auch im dortigen ARD-Studio tätig. Von 2009 bis 2012 war Frau Bröker Korrespondentin der ARD in New York. Jetzt ist sie als Redakteurin beim WDR in Köln.

Herr Dr. Markus Ederer ist seit Januar 2014 Staatssekretär des Auswärtigen Amts in Berlin. Vorher war er ab Januar 2011 für den neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) als Leiter der Delegation der Europäischen Union in Peking tätig, zuständig für China und die Mongolei. Von 2005 bis 2010 war er Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt. Zuvor war Dr. Ederer Unterabteilungsleiter Politische/Wirtschaftliche Auswertung beim Bundesnachrichtendienst in München und Berlin und Kabinettschef des Sonderkoordinators des Stabilitätspakts für Südosteuropa in Brüssel, den er gut geführt und an den balkanesischen Fettnäpfchen vorbeigeleitet hat.

Prof. James D. Bindenagel war US-Botschafter in Deutschland und verfügt über eine 30-jährige Erfahrung im diplomatischen Dienst und ist führender Experte für transatlantische Beziehungen mit dem Fokus auf das deutsch-amerikanische Verhältnis. Prof. Bindenagel war an wichtigen Entscheidungen westlicher Sicherheitspolitik beteiligt. Als langjähriger Leiter eines amerikanischen Think Tanks und Vizepräsident der DePaul Universität in Chicago knüpfte er Beziehungen zur Universität Bonn. Heute hat er den Kissinger-Lehrstuhl inne, der an der BAPP angelehnt ist. Er ist engagiert in zahlreichen Gremien und Organisationen und gehört zu den Initiatoren des „Museums des Kalten Krieges“ in Berlin.

Ich sehe neben vielen guten Bekannten auch Herrn John Magee. Wir wollten schon lange einmal gemeinsam das Missverstehen zwischen Amerikanern und Deutschen aufarbeiten. Es wird Zeit, dass wir damit anfangen, Herr Magee. Ihre Einschätzung ist dabei sehr wichtig.

Herr Staatssekretär Dr. Ederer – lieber Marcus – das ist nun Dein Podium.

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