„Demokratie statt Bürokratie“ – Handelsblatt, 25. Oktober 2013
Ein wichtiger und guter Aufschlag, aber zu wenig beachtet: Zwei Ministerpräsidenten veröffentlichen einen Text. Einer aus dem kühlen Norden, der andere aus heißem Süden. Jyrki Katainen (Finnland) ist sich einig mit Enrico Letta (Italien): Die Brüsseler Bürokratieblase ist unsinnige Last. Die EU-Rechtsetzung muss entrümpelt und einfacher werden. Sie soll Europa für den globalen Wettbewerb fitmachen und nicht hemmen. Sie soll Arbeitsplätze schaffen, nicht vernichten.
Leichteres Marschgepäck ist nur durch Mehraufwand zu haben, aber Mehraufwand an Intelligenz. Gesetze sind nützlich, wenn sie Leitplanken bilden, zwischen denen sich das freilaufende Leben ereignet. Europa regelt aber mit großem Aufwand den Sonderfall und behindert mühelos den Normalfall. Verordnungen wuchern und verbrauchen mehr Nutzen als sie erzeugen.
Der Auftrag, mit dem der erfahrene Edmund Stoiber nach Brüssel gesandt wurde, entscheidet die Zukunft: Bürokratieabbau! Er treibt. Er hat Erfolge. Er motiviert zu mehr.
Rund 20.000 Rechtsakte, die bei uns beachtet werden wollen, sind durch die EU angeliefert. 5.000 national entstanden. Da wachsen die Chancen und die Lust, viele davon zu ignorieren. Durch den Ho-Chi-Trittin-Pfad getarnt, wurden EU-Regeln erwirkt, die national chancenlos wären. Auch so kann man Europa an die Wand fahren. „Leidenschaftliche Europäer“, wie Bundespräsident Gauck sie kürzlich forderte, sind so nicht zu haben. Bürokratiemonster vermehren sich aber nicht nur in Brüssel. Der deutsche Wirtschaftsbuchpreis 2013 des Handelsblattes ging aus gutem Grund an Prof. Dr. Daniel Zimmer für sein Buch „Weniger Politik“ (C.H. Beck, München 2013). Es ist Plädoyer für eine freiheitsorientierte Konzeption von Staat und Recht. Deutschland wie Europa brauchen diese Debatte dringend. Recht und Gesetz sollen „Infrastruktur“ zur Ermöglichung von Freiraum und Entfaltung sein, entwickeln sich aber immer mehr zum Korsett.
Die Qualität eines Gesetzes besteht nicht nur in der Klugheit seiner Bestimmungen, sondern auch in der Weisheit möglichst schlanker Folgekosten und der Vermeidung unnötigen Ballastes. Manchmal wäre seine weiseste Form gar nicht zu existieren.