„Geliebte Krise“ – Handelsblatt, 5. April 2013
Wenn irgendwo Bewegung entsteht, fürchten vor allem Deutsche Risiken und Nebenwirkungen.
Untersuchungen orten den traurigen deutschen Gemütszustand weit unter der tatsächlichen Lage. Die kluge ZEIT titelte „Wir haben schlechte Nachrichten: Es geht uns gut.“
Auch die Energiewende – als Hymne begonnen – wird zur Elegie. Ein Jahrtausendprojekt reibt sich wund an den Ängstlichen, die um ihr Vorgärtchen fürchten. Am Gartenzaun haut man sich moralisch aufgeladene Schlagworte um die Ohren. Nachdem die Ökonomie die Ökologie entdeckt hat, wendet sich nun die
Ökologie gegen die Ökonomie. Vernünftige Abwägung funktioniert kaum mehr. Jeder will die Welt aus einem Punkte erklären, natürlich dem eigenen. Wetterabhängige Energieerzeugung wird zum Steuergrab, Standort- und Arbeitsplatzgefährder und Nebeneinkommen von Selbstversorgern.
Warum nicht Dynamik, aber ökonom- und ökologisch? „Intelligentes Wachstum“ fordert Ralf Fücks – Kopf der grünennahen Böll-Stiftung im gerade erschienenen Buch. An Altmeiers Lieblingsschreckgespenst (oder schwarz-grüne Morgengabe?) Fracking hat er vernünftige Fragen: „Ist es besser, Erdgas aus Sibirien zu importieren, das dort ohne große ökologische Skrupel gefördert wird, als es unter kontrollierten Bedingungen im eigenen Land zu fördern?“
Er sieht sicher, dass unser Nachbar Polen, ganz gewiss nicht Australien, China oder die USA, auf deutsche Parteitagsbeschlüsse hören. Sie werden ihre heimische Energie nicht ungenutzt lassen. Wir stolzen Exporteure (auf Platz 3 gefallen) könnten durch Technologie und Chemie nützlich sein, die umweltschonend sind. Ohne Referenztechnologie im eigenen Land wird aber auch das nichts. Unser CO2-
Ausstoß ist kaum ein Zehntel des chinesischen. Ein relevanter Beitrag für das Weltklima wäre Technologielieferung, die durch verbesserte Wirkungsgrade CO2 drastisch reduziert und die Wirtschaftlichkeit verbessert.
Wo ist die Regierung, die einen „Green New Deal“ verkündet und das Land oder den Kontinent an die innovative Spitze bringt?
Das berühmte griechische Bibelwort „metanoite“ heißt nicht „Kehrt um und tut Buße!“, wie es uns die Apokalyptiker lustvoll predigen. Die korrekte Übersetzung ist: „Denkt größer!“ – über das Ziel und über eure Kraft. Dann nämlich werden nicht nur die Probleme sichtbar, sondern auch die Wege.