„Der Phönix fliegt! Das Ruhrgebiet entwickelt sich neu“ – Initiativkreis Ruhr Essen, 17. Dezember 2012

17. Dezember 2012 – Philharmonie, Essen

Verehrte Gäste,

Herrn Dr. Holthoff-Pförtner danke ich herzlich dafür, dass er das Wirken des Initiativkreises Ruhr informativ und freundlich vorgestellt hat.

Wir hörten auf der Orgel „Bereite dich Zion mit zärtlichem Triebe“. So fromm lässt Johann Sebastian Bach singen. Den Gründungsmythos Europas hatte er sicher nicht im Sinn. Er hätte einen anderen Text komponiert:

Am Anfang ist es nackte Gier.
Gott Zeus, verkleidet sich als Stier,
fällt über die Prinzessin her
und rast mit ihr davon ins Meer.

Die alten Griechen ahnten schon vor 3000 Jahren, wie sie sich Europa vorzustellen hatten.

Carl Zuckmayer wurde gefragt, warum er Europa mag. „Wegen der ausgeprägten vier Jahrzeiten“, seine Antwort. Gegenwärtig kann man sie gleichzeitig erleben: Den Frühling grenzüberschreitender Aufbrüche. Den Sommer satten Behagens. Turbulente Herbststürme – alte Blätter werden von den Bäumen gefegt. Stellenweise Glatteis und Winterstarre. Verzagte Naturen sehen nur chaotische Ereignisse.

Umsichtige entdecken einen Prozess der Selbstfindung zu höherem Niveau. Solche mit Überblick vertrauen auf die Beständigkeit grundlegender Strukturen. Für sie ist die Europäische Einigung unumkehrbar.

Unser Kontinent ist Schicksalsgemeinschaft, keine GmbH. Die Verträge wurden von Regierungen unterschrieben. Geschlossen wurden sie zwischen Völkern. Gemeinwohl ist europäische Politikkultur. Unsere Gesellschaft hat allen Mitwirkenden soviel zu verdanken, wie diese ihr schulden.

Schmerzhafte Erfahrungen der Geschichte lesen wir in Büchern. Aktuelle Schmerzen sind hausgemacht. Wie schon oft stehen sich Raubritter und Baumeister gegenüber. Einige Rumpelstilzchen haben nicht Stroh zu Gold, sondern Gold zu Stroh gedroschen.

Vertrauen wurde verspielt. Nicht weil es zu viel Europa gab, sondern zu wenig.

67 Jahre nach dem Krieg treten wir in eine neue Phase. Gerade die Enttäuschten werden gebraucht. Sie lassen sich durch Illusionen nicht mehr täuschen. Europa muss sich neu erklären.

Wir alle können gute Gründe aufsagen. Das reicht nicht. Woran es fehlt – mit 67 nicht ungewöhnlich – es fehlt an der Libido. Die weltgeschichtliche Sensation: Europäische Einigung wurde Routine. Eine neue Idee von Europa muss sich anstrengen, wenn sie mit der alten mithalten will.

Es braucht Mut, aber auch Augenmaß.

Churchill sagte das so: „Man kann einen Abgrund nicht mit zwei Sprüngen überqueren.“ Europa braucht Europäer. Wer kein Ziel hat, dem hilft verdoppelte Anstrengung nicht.

Noch manches Gipfeltreffen in Brüssel wird zur Geduldsprobe.

Mit fällt dazu die Geschichte vom Löwenjäger ein. Nach dem Jagdausflug fragte einer, warum er denn fröhlich sei. – Er habe doch keinen erlegt. „Oh!“ war seine Antwort, „bei Löwen ist keiner schon viel!“

Kontraste kennzeichnen unseren Kontinent: geizig und spendabel, weise und borniert, ordentlich und anarchisch, heidnisch und fromm, weltoffen und selbstverliebt. Gegensätze: Im günstigsten Fall ziehen sie sich an.

Sehr anziehend finde ich unsere Gäste, die auch ich herzlichst begrüße.

Jürgen Fitschen betont, dass Deutschlands Rohstoff in den Köpfen steckt. Das gilt auch für Europa. Ein innovatives Klima respektiert die guten alten Wege. Es findet neue Wege und lässt sie uns beherzter gehen.

Dr. Josef Joffe steht als Herausgeber von DIE ZEIT für einen großen, unablässigen Verstehensversuch. Wo sich der Horizont nicht auf den Tellerrand beschränkt, ist auch Europa gut aufgehoben.

Peer Steinbrück ist vieles. Wenn er – wie jüngst im Handelsblatt – „Hingabe für Europa“ fordert, dann meint er nicht nur die Euro-Rettung. Ein geborener Europäer wie er, singt nicht „die alten Lieder“, sondern schreitet „Seit an Seit“ auf neue Art.

Peter Terium (alphabetische Reihenfolge), neuer Vorstandschef bei RWE, sagt deutlich:
„Große Wirtschaftsprojekte sind nicht auf dem kleinen Dienstweg durchs Kanzleramt zu realisieren.“ Sie brauchen breite Akzeptanz bei den Bürgern. Die entsteht nur durch frühzeitige Aufklärung und Mitwirkung.

Alle wollen Europas Energie und Wohlstand sichern. Deshalb sind sie hier.

Energie, Geld und Emphase für Europa.

Herzlich willkommen! Ich freue mich schon lange auf diesen Tag.

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