„Kohle, Fußball, Currywurst. Der Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet und seine Bedeutung für NRW“ – Unternehmertag Arbeitgeberverband Rhein Ruhr, 26. November 2012

Duisburg, 26. November 2012
Unternehmertag Arbeitgeberverband Rhein-Ruhr

Meine Damen und Herren,

heute Morgen war Bundespräsident Joachim Gauck in unserem Revier. Er interessierte sich lebhaft für InnovationCity. Das ist ein zukunftsweisendes Energie-Projekt des Initiativkreises Ruhr. Ich konnte ihn dort so offen begrüßen wie man ihn kennt. Für ihn bedeutet der Aufbau nicht mehr nur „Osten“. Er blickt in alle Richtungen. Die Erde ist zudem rund. Wer weit genug nach Osten geht, kommt irgendwann auch nach Bottrop.

„Nur Kohle, Fußball, Currywurst?“ – Dieser Dreieinigkeit der Ruhrpott-Klischees soll ich hier auf Wunsch von Heinz Lison mannhaft entgegentreten. – Ich will’s gehorsam tun. Lieber durch Umdeuten als durch Wegstreichen. Wir haben im Revier Übung darin, das Alte auf neue Weise zu tun. – Das ist oftmals die intelligentere Lösung. Abschaffen kann jeder. Verwandeln, aus dem Vertrauten neu erschaffen ist die höhere Kunst.
Kohle:

Ein Wirtschaftsstandort soll Kohle bringen.

Schon in Beethovens „Fidelio“ singt Kerkermeister Rocco:

Hat man nicht auch Gold beineben,
kann man nicht recht glücklich sein.
Traurig schleppt sich fort das Leben.
Mancher Kummer stellt sich ein.
Doch wenn’s in den Taschen fein klimpert und rollt,
dann hält man das Schicksal gefangen,
denn Macht und Liebe verschafft uns das Gold
und stillet das kühnste Verlangen.

So gesehen soll sich das Ruhrgebiet nicht von seinem wichtigen Rohstoff verabschieden. Den Strukturwandel zu bestehen, heißt, den Begriff „Kohle“ auf andere Weise zu verstehen. Wir sind ehrlich: Es ging auch schon um „Kohle“, als es noch um Kohle ging.

Lange war das Revier zwischen Emscher und Ruhr ein ländliches Idyll. Schon im Mittelalter zog aber eine wichtige Handelsstraße von West nach Ost. Der Hellweg war unsere „Seidenstraße“. Hier bahnten Händler einen Trampelpfad zunächst ins Unbekannte. Der Tross Karls des Großen kroch von Pfalz zu Pfalz. Es wanderten Geschichten und Ideen. Wo eine solche Ader pulsiert, bilden sich Knotenpunkte und Verdichtungen.

Dann begann die Sache mit den schwarzen Steinen. Die lockten braune Erze herbei, Pioniere, Erfinder, Ingenieure und Ströme von Menschen aus den Hungergebieten Europas.

Im Revier, so hofften sie, fielen alte Grenzen. Hier wuchsen Dörfer über Nacht zu Großstädten. Es gab persönliche Aufstiegschancen. Hier zählte nicht mehr der Adel bei Geburt sondern der Adel der Arbeit, der guten Idee und Durchsetzungskraft gegen Widerstände und Rückschläge.

Die Industrielle Revolution fand hier ihren Ort. 150 Jahre lang war hier Zukunft, mitten in der Gegenwart. Wurzelnd in ländlicher Vergangenheit. Man ertrug schroffe Gegensätze und Spannungen. Man wühlte sich in die Erde. Millionen verbrachten dort eine Hälfte ihres Lebens.

Das ging nicht ohne Kooperation am Arbeitsplatz,  am Nachbarzaun, im Taubenzüchterverein und in sozialen Netzen.

Es war ein hartes Leben, wortkarg und gestenarm. „Gimma Mottek!“ statt „Reichen Sie mir mal bitte den Hammer herüber!“

1957 förderten 600.000 Bergleute 150 Millionen Tonnen Steinkohle. Dann kam billige Importkohle. Die große Erzählung ging zu Ende; unter Schmerzen und Trauer. 2018 soll die letzte Zeche in Bottrop schließen. Vier Tage nach Weihnachten (in diesem Jahr) wird nicht weit von hier das Bergwerk West geschlossen.

Was ist das Revier heute?

–       Ein Abklingbecken des Industriezeitalters?

–       Ein chaotischer Ballungsraum?

–       Ein Labor für Zukunft?

–       Oder ein Wald von 53 Kirchtürmen, die sich misstrauisch im Wege stehen?

Von allem etwas. Aber doch viel mehr.
An zentralen Begriffen möchte ich die Standortfrage festmachen.

Der Begriff „Standort“ erscheint mir antiquiert. Wir leben nicht mehr in der Epoche der „stabilitas loci“. So nannten die Benediktiner ihr Bestreben, an einem klar erkennbaren Ort zu siedeln. Dort wollten sie ihren kleinen Gottesstaat errichten. 700 Jahre lang war das ihr unangefochtener Vorteil. Das trug wesentlich zur Kultivierung Europas bei.

Plötzlich aber betraten Dominikaner und Franziskaner die Szene. Sie setzten auf Volatilität. Mit leichtem Gepäck wanderten sie in der Weite. Sie hatten eine flache Hierarchie und durchlässige Strukturen. Dynamisch konnten sie sich so den wechselnden Gegebenheiten anpassen. Sie hockten nicht mehr hinter Klostermauern. – Sie gingen zu den Leuten. Auf die Märkte und Plätze der rasch wachsenden Städte. Sie predigten „just-in-time“.

Eine Zeitansage über unsere Region kann man in vier Stichworten machen:

Das erste heißt Produktion.

Im Ruhrgebiet ging der Zusammenhang von Real- und Finanzwirtschaft nicht verloren. Wer Werte verteilen will, muss sie erst einmal schaffen. Der produktive Sektor entscheidet über Wohlstand und Wohlergehen. Er ist nicht die Sättigungsbeilage der Wirtschaft. Er ist ihr Grundnahrungsmittel.

Das Revier war Industriestandort und will es bleiben. Es hat dafür günstige Voraussetzungen.

  • Es liegt im Herzen Europas.
  • Es besitzt den größten Binnenhafen des Kontinents.
  • Es ist gut vernetzt mit dem Umland, der Rheinschiene und mit allen wichtigen Nervenbahnen der kontinentalen und globalen Wachstumsbranchen.

Allerdings – ich sage nichts Neues – kämpfen alle Großunternehmen mit dem Sättigungsgrad vieler Märkte. Hohe Produktivität im Westen erzeugt Überkapazitäten. Der Nachholbedarf der Schwellenländer kann das nicht mehr dauerhaft aufnehmen. Die holen auch rapide auf und wollen selbst wirtschaften. – Ein deutliches Symptom ihrer Stärke sind Wachstumsraten und sogar finanzielles Engagement in den Staatshaushalten der EU und der USA.

Kürzlich mussten wir uns Mahnungen zur Haushaltsdisziplin aus China anhören. Man fürchtet dort um seine Investitionen. Wenn Quantität nicht mehr punktet, hilft nur Qualität. Im globalen Wettbewerb zählt die bessere Idee.

Das zweite Stichwort heißt Innovation.

Auf dem Titelblatt des gerade erschienenen Evonik-Magazins häutet sich der Globus. Er sprengt die vertrocknete Hülle. Darunter erscheint er in neuer Frische. Im Vorwort schreibt der Vorstandsvorsitzende Dr. Engel: „Der menschliche Erfindungsreichtum war immer in der Lage, Lösungen für drängende Probleme zu finden.“ Für amerikanische Ohren klingt das selbstverständlich. Für Deutsche eher mentalitätsfremd.

Ich denke an eine Bäuerin. Die hält es mit ihrem tyrannischen Mann nicht mehr aus. Gott soll ein Ende machen. Sie schickt ein Stoßgebet zum Himmel: „Nimm einen von uns zu Dir. – Ich ziehe dann in die Stadt.“

Das Ruhrgebiet ist Labor und Windkanal für neue Ideen: Der Technologiepark in Dortmund, in Tuchfühlung mit der Universität, zahlreiche Forschungsstätten und Kompetenzzentren. Sie bilden ein Treibhaus für Lösungen. Gründer sind willkommen, und sie erhalten großzügige Starthilfen.

Das Rückgrat bilden mittelständische Betriebe. Hier gibt es die kürzeren Wege und qualifizierte Tüftler. Für alte Materialien finden sie neue Anwendungen. Für Vergilbtes ein neues Design. Als Zulieferer der Großen können sie – anders als diese – mit ruhiger Ungeduld ein Bauteil verbessern.

In einem rohstoffarmen Land wie Deutschland ist der wichtigste Rohstoff der Reichtum an Ideen. Die Bereitschaft, sie umzusetzen, braucht Förderung. Ich misstraue seriellem Denken. Es meint, das Ältere werde durch das Neue vollständig abgelöst und verdrängt.

Die Industriegesellschaft weicht nicht der Dienstleistungsgesellschaft. Diese nicht der Wissensgesellschaft. Es findet ein Wandel der Gewichtung und der Deutung statt. Der Wechsel ist kein Abbau, sondern ein Aus- und Weiterbau.

Das Entscheidende geschieht im Kopf. Hier lauern die Blockaden. Es braucht ein Klima der Experimentierfreude.

  • Wer Neues nicht will, findet Gründe.
  • Wer es wagt, findet Wege.
  • Neue Gedanken bringen Veränderung.
  • Neues Denken bringt Wandel.

Erhaltungssubventionen sind teuer und nutzlos. Sie verlängern das Vergangene in die Gegenwart hinein. Sie blockieren Denken. Umstrukturierungssubventionen sind sinnvoll. Sie erzeugen Impulse. Sie refinanzieren sich durch Zukunft.

Nichts gegen Erinnerung. Sie ist lebensnotwendig. Wir leben inmitten zahlreicher Denkmäler der Industriekultur. Sie haben eine ästhetische Kraft und winken uns aus früheren Zeiten zu.Fabrikhallen und Gasometer wurden zu Orten der Begegnung. Halden zu Landmarken und Ausflugszielen. Ein vollkommenes Junktim von Form und Funktion wie Zeche Zollverein wurde Weltkulturerbe. Man kann einen schönen Altbau mit der Abrissbirne vernichten. Man kann ihn auch klug modernisieren. Dann besitzt man plötzlich ein Wertobjekt für hohe Wohn- und Lebenskultur.

Viele hoffen, durch aggressiven Wettbewerb in die Pole-Position zu kommen. Heute weiß man: Regionenstreit, der anderen nur neidet, bringt nichts.

 

Neues Stichwort: Kooperation

Jetzt ist von „Fußball“ die Rede.

Sie kennen den Gründungsmythos des BVB: Ein Dortmunder Kaplan erwischte Jugendliche bei heidnisch-orgiastischem Vergnügen. Wie verrückt rannten sie hinter einer Kugel aus Lumpen her. Die trieben sie in einen markierten Zwischenraum. Der wurde  vom Gegner bewacht. So machten sie die Straßen unsicher. Die

Bibel wurde nicht gelesen. Das Abendland war in Gefahr. Von der Kanzel wetterte der Kaplan auf die Bubenköpfe herab. Für die gab es nur einen Ausgang: „Strukturwandel“. Am Borsigplatz gründeten sie einen Verein. Später nannten sie den „Borussia Dortmund“. Fußball ist ritualisierter Wettkampf oder geregelter Konflikt. Am schönsten wird er durch Fairness und kluges Zusammenspiel.

Im Initiativkreis Ruhr haben sich Unternehmen zusammengeschlossen, die nicht mehr das Trennende, sondern das Gemeinsame suchen. Die 71 Mitgliedsunternehmen kommen auf einen Gesamtumsatz von 630 Milliarden und beschäftigen weltweit 2,25 Millionen Menschen. Sie tun Gutes und reden wenig darüber.

Sie sorgen für neue Beschäftigung und Ausbildung. Sie unterstützen wichtige Kulturereignisse. Sie unterhalten eine internationale Schule. Mit InnovationCity geben sie der Energiewende ein Gesicht. Sie führen Gruppen und Kräfte zusammen, die einander etwas zu sagen haben: Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur, Großbetriebe und mittelständische Unternehmen.

Verdrängungs- und Vernichtungskämpfe sind out. Wir setzen auf symbiotische Beziehungen.

Noch etwas führt uns zusammen: Die Politik ist nicht mehr bereit, sich große Wirtschaftsprojekte zu Eigen zu machen und sie offensiv zu vertreten. Im Kanzleramt ein paar Gläser Rotwein zu trinken und dann zu glauben, die Sache läuft, das ist vorbei. Unternehmen müssen für ihre innovativen Ziele und großen Projekte selber werben.

Der Energiewandel wird nicht von der Politik gemacht. Die kann ihn fördern oder hemmen. Er basiert auf technologischem Fortschritt und wachsender Knappheit fossiler Brennstoffe. Er gelingt nicht mit einer großtechnischen Entscheidungsschlacht.

Das Klischee „David gegen Goliath“, Schläue gegen Kraft, ist alt. Heute würde man beiden sagen: Vertragt euch und gebt euch die Hand! Weil: Nur so könnt Ihr überleben.

In einer neuen Studie befasst sich das RWE mit neuer Bürgerbeteiligung, Dialog auf Augenhöhe und Akzeptanzfragen. Der Bürger ist hier nicht mehr das lästige Gegenüber, der ewig Gestrige oder das kleine Dummerchen, das man überlisten, umgehen oder im Verwaltungsweg vor die Wand laufen lässt.

Im Gegenteil. Es lohnt sich, ihn einzubeziehen. Das ist nicht Sozialromantik. Es ist Egoismus auf hohem Niveau. Es ist „Corporate Responsibility“ im umfassenden Sinne.

Das Revier reicht weiter als bis Ruhr und Emscher oder von Duisburg bis Unna. Es ist verzahnt mit seinem Umfeld Sauerland, Bergischem Land Münsterland.

Die Zeiten sind vorbei, wo ein Ruhri zum andern sagte: „Ich bin Organspender. Aber nich für Rheinländer. Meine Leber würde die abstoßen.“

Der alte Slogan „small is beautiful“ klingt schön. Klein ist mehr als schön. Es ist der fällige und notwendige Lösungsansatz für Probleme, die im großtechnischen Maßstab nicht mehr lösbar sind. Entscheidend ist, dass sie nicht als „Ich-AG“ auf den eigenen Nabel starren. Die Unternehmen der flexiblen Spezialisierung sind Innovationstreiber der Großen. Die sind naheliegender Absatzmarkt. Eine funktionierende Symbiose.

Großunternehmen müssen sich intern umstrukturieren. Ziel: Ein gut vernetztes Miteinander weitgehend autonomer Kompetenzzentren. Das Modewort „Cluster“ nutze ich im Sinne: gestaltete Landschaft. Die digitale Revolution mit lichtschnellen Übertragungswegen und unbegrenzten Speichern bietet nötige Werkzeuge.
Es gibt Niemanden, der nicht vom Anderen profitieren könnte. Versöhnte Verschiedenheit ist nicht Hindernis, sondern Quelle der Inspiration.

Ich erinnere gern an Ralf Dahrendorf. Mit dem durfte ich bis zuletzt in der Zukunftskommission NRW zusammenarbeiten. Er war ein Genie des Zusammenführens. Das war für ihn nicht nur Methode. Sondern Daseinsweise. Brückenbauer sind gesucht.

Früher bewunderte man Großwildjäger. Man fragte einen, wie er bei den gefährlichen Raubkatzen überleben konnte. Die Antwort war schlicht: „Man braucht nicht schneller laufen als der Löwe, aber schneller als der Jagdgefährte.

Es bleibt noch die „Currywurst“. Eine gute Idee: Man quetscht Fleischmasse in ein Stück Darm, röstet das Gebilde auf dem Grill und übergießt es mit würziger Sauce. Eine deftige Mahlzeit für zwischendurch. Zu oft genossen, ist sie allerdings eine Anschaffung fürs Leben.

Genial ist nicht das Ergebnis, sondern das Design. Mich wundert nicht, dass die Currywurst das Nationalgericht des Ruhrgebiets wurde. Deftige Einfachheit. Das hat Symbolwert wie anderswo die Jeans oder der Burger. Es reduziert das komplexe Problem der Nahrungsaufnahme auf ein gut überschaubares Ereignis. Die Reduktion der Komplexität ist sowieso Voraussetzung des Verstehens.

Das vierte Stichwort heißt Regionalität.

Das Ruhrgebiet muss – wie auch andere Regionen – neue Vokabeln lernen. Es ist dafür gut aufgestellt. Es hat einen klaren Verstand, einen pragmatischen Sinn und weiß schon lange: „Von nix kommt nix.“

Wir profitieren vom Fall der Handelsschranken in immer größeren  Wirtschaftsräumen. Wir zahlen dafür mit einem steilen Anwachsen der Komplexität. Diese ist – für die menschliche Seele – nur beherrschbar mit stabilem Wurzelwerk in der Region.

Große Fusionierungen haben es nicht gebracht. Sie haben viel Vertrauen verbraucht. Die global agierenden Headquarters in Helsinki oder Detroit kümmern sich wenig um real existierende Menschen bei Opel oder Nokia in Bochum. Inzwischen stellt sich globales Just-in-time als Vabanque-Spiel heraus.
Nicht wenige Unternehmen sind auf der Suche nach den geringsten Lohnnebenkosten um den Erdball gewandert. Naturkatastrophen, unsichere politische Verhältnisse, weite Wege, aufholende Umweltstandards der Schwellenländer bringen die schönen Prognosen leicht in Unordnung.

Neues Vertrauen entsteht durch Individualität, Nähe  und Verlässlichkeit.

Qualität setzt sich durch. Auch beim globalen Konsumenten. Standorttreue steigt im Kurs. Man will wissen, woher der Joghurt kommt und das Kotelett.

Über das Ruhrgebiet kann man sagen, was man will, es stimmt immer – irgendwie und irgendwo. Es stimmt nicht, wenn man es unter einem Begriff vereinheitlichen will. Das Hohelied von der „Metropole“ singen die Ruhris etwa so wie Lukas Podolski die Nationalhymne. Der große Schritt, der nie gelingt und unterdessen die sinnvollen kleinen unmöglich macht.

 

Meine Damen und Herren,

ich will Probleme nicht verschweigen. Warum auch! Sie kennen sie selbst.

Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit.

  • Die A 40 ist eine Art Sozial-Äquator, der die Brennpunkte des Nordens vom besser entwickelten Süden trennt.
  • Wir haben unverschuldet hoch verschuldete Kommunen, die sich – unter Haushaltskuratel – kaum noch bewegen können.
  • Wir bilden Fachkräfte aus, aber zu viele wandern ab in andere Bundesländer, weil sie für ihre Familien ein besseres Umfeld finden.

Wir zahlen teuer für falsche Kostenrechnungen der Goldgräberzeit. Aufgrund der Absenkung durch den Bergbau wäre das Revier ein einziger See, wenn es nicht ständig leer gepumpt würde. – Ewigkeitslasten nennen wir das.

Noch drücken wir den Leistungsdurchschnitt des Landes. Wir sehen Gründe, dass sich das ändert.

Unsere Probleme waren oft ihrer Zeit voraus. Oft sind es auch die Lösungen. Die bewegen sich in einem tragfähigen Parallelogramm von Urbanität, Mobilität, Kommunikation und Nachhaltigkeit.

Im Ruhrgebiet leben fast 30 % der Einwohner Nordrhein-Westfalens. Wenn das Revier leidet, geht es auch dem Land nicht gut. Es ist von struktureller Bedeutung, „too big to fail“. Wir wollen aber Niemandem auf der Tasche liegen.

Meine Leitmarken für die Region lauten: Innovation – Kooperation – Identifikation.

Peter Sloterdijk sprach vom „sozialen Design“. Der Politologe Claus Leggewie empfiehlt eine „Wiedererfindung des Ruhrgebiets“ im postkarbonen Zeitalter, die sich an neuen, umweltverträglichen Technologien orientiert.

In einer endlichen Welt sind alle „unendlichen“ Konzepte immanent falsch. Prognosen sind ihrem Wesen nach unscharf. Nichts ist theoretisch gut und praktisch schlecht. Was in der Praxis nicht funktioniert, liegt auch theoretisch falsch.

Die Natur macht es vor: Im scheinbaren Chaos der Ereignisse und widerstreitenden Kräfte findet sie – durch Versuch und Irrtum – erstaunlich klare und stabile Muster. Der wachsende Erfahrungsschatz wird allen folgenden Generationen zur Verfügung gestellt. Wir suchen nach Elementen eines erneuerten Gesellschaftsvertrages – und eine bessere Aufgabenteilung – zwischen Europa, Nation und Region.

Ich denke – bei geregeltem Miteinander – an jenes alte Ehepaar: Seit 50 Jahren mustergültig verheiratet, ohne je ein böses Wort oder gar andere Turbulenzen. – Alle Welt staunt, und man fragt sie, wie sie das geschafft haben.„Ganz einfach“, sagt der Mann. „Wir haben da so ein kleines Ritual. Einmal pro Woche gehen wir in unser Lieblingsrestaurant, in das nette Lokal, wo damals der Funke übersprang. Wir trinken unseren Lieblingswein, und jeder bestellt sich sein Lieblingsessen. – Sie am Dienstag. Ich am Donnerstag.“

Ich danke Ihnen.

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