„Wohin steuert Deutschland?“ – Diskussionsveranstaltung, 11. Februar 2025

Diskussionsveranstaltung
Wohin steuert Deutschland?

Begrüßung
Professor Bodo Hombach

11. Februar 2025

Verehrte, liebe Gäste,

heute vertrete ich ihre Präsidenten. Wohin steuert Deutschland? Im fortgeschrittenen Alter ist einem die Frage nicht neu. 1966 fragte Karl Jaspers: „Wohin treibt die Bundesrepublik?“. Jemand steuert das Schiff, aber es treibt auch in der Strömung und driftet im Wind. Steuermänner sollten die Nachfolgetechnik von Kompass, Sextant und Senkblei beherrschen.

Gegenwärtig peilen sie gern über den Daumen. Frage: „Wissen Sie überhaupt, wo wir sind.“ „Nein…aber wir kommen gut voran.“ An der Weggabelung grübelt ein Wanderer über die Richtungsanzeiger „Abenteuer“ und „Sicherheit“. Er entscheidet sich für Abenteuer, denn Sicherheit erscheint ihm heute doch zu unsicher. Medialer Mainstream und Demoskopie ersetzen Seekarten. Erfahrene Seebären, die aus der Geschichte gelernt haben, sind in den Sprechshows nicht willkommen. Dort sind Seegarn-Spinner Stars. Klabautermänner greifen ins Ruder. Eine Crew, die bereit und fähig ist, in die Wanten zu klettern, Segel zu reffen oder zu setzen, wird dringend gesucht. Erwählte Kapitäne verkünden: „Ich bin ganz meiner Meinung“. Da wird es ungemütlich.

Der Kurs läuft aus dem Ruder. Wozu Recht haben, wenn es für die Follower genügt, Recht zu behalten. Auf der Brücke moralischer Pose und Selbstgerechtigkeit wächst die Hybris. Die alten Griechen hatten das kapiert. Es war der Stoff für ihre Tragödien. Und die gingen immer übel aus. Die Seelandschaft passt nicht mehr zu den Karten. Das Reiseziel ist nicht mehrheitsfähig. Kaum noch koalitionsfähig. Die wirtschaftlichen und außenpolitischen Segel killen. (Für Binnenländer: sie hängen schlapp oder schlackern).

Wer nach dem Sturm einschläft, wacht im nächsten wieder auf. Lange ist scheinbar alles im Lot und genug Wasser unter dem Kiel. Aber das ist trügerisch. Es ist die Ruhe vorm Sturm.
Kurt Tucholsky beschrieb: “Die Dämmerung“. „Die Leute gehen täglich ihren Geschäften nach, machen Verordnungen und durchbrechen sie, halten Feste ab und tanzen, heiraten und lesen Bücher – aber es rumort in der Tiefe, und der Boden schwankt leise“. In der Nachkriegszeit eingeschlafen und der Vorkriegszeit aufgewacht. Etliche fühlen sich wie in einem kratzigen Pullover. Das Schiff „Europa“ will in die „Freiheit der Meere“. Da sollte für die Kajüte nicht auf Gängelung, plumpe Beeinflussung und unzureichend begründbare Verbote gesetzt werden.

Gesellschaftliche Meuterei ist Folge und Ursache zugleich. Mit Risiko zur Eskalation. Psychologen beobachten „Reaktanz“ als zunehmendes Handlungsmotiv. Eine ideologisch „betreute Gesellschaft“ wird bockig und droht, falsch abzubiegen. Vergiftete Köder liegen bereit. Da springen Demokraten wie Herr Dieter Nuhr und Herr Prof. Dr. Winkeljohann an die Pumpen. Sie formulieren, was viele denken. Sie wollen nicht Gefolgschaft, sondern bieten Hilfe zum Verstehen. Wo journalistische Influenzer Gleichschritt fordern und der Algorithmus im Netz Berührungsangst vor anderen Meinungen erzeugt, da mischen sie auf.

Frau Tanit Koch auf ihre kluge Weise auch. Denn – so diagnostizierte Niklas Luhmann: „Medien erzeugen die Realität, die wir für real halten. Sie tragen daher eine besondere Verantwortung, möglichst viele Perspektiven zuzulassen.“ Das ist „geschäftsschädigendes Verhalten“ für intentionalen sogenannten Haltungsjournalismus und Weltuntergangs-Junkies. Die lärmen und lähmen. Sie leben von Problemen. Und sind selber eines, denn sie lösen keines.

Dieter Nuhr eignet sich nicht zum Apokalyptiker. Gegen die hat schon Martin Luther vehement gepredigt: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Ist das naiv? Oder Pfeifen im Wald? Ich meine nicht. Es ist das optimistische: „Jetzt erst recht!“. Es ist Hoffnung als trotzige Pflicht. Es motiviert zur kreativen Lösung aktueller Probleme, bevor Kipppunkte überschritten werden.

Privat, wirtschaftlich, politisch. „Immer wieder Anfang“. Das scheint mir Nuhrs Devise zu sein. Und „Woanders ist überall“, titelt die Wanderausstellung seiner Bilder. Seit Aristoteles wissen wir: „Der Anfang ist immer schon die Hälfte“.

„Wohin?“ Ist nun der Titel seines neuesten Buches. Für ein paar nützliche Navigierhilfen sind wir hier. Ganz sicher hat auch Herr Prof. Dr. Winkeljohann für uns Orientierungspunkte. Die wird Frau Tanit Koch für uns erfragen und unsere großartigen Gäste protokollgerecht vorstellen.
Die Erwartung ist hoch, lieber Herr Prof. Dr. Winkeljohann, lieber Herr Nuhr.

Ich bin sicher, in anderthalb Stunden werden wir klüger sein, als wir gekommen sind.
Dafür vorauseilenden Dank!