„An Widerständen Wachsen“ – Erich Brost Pavillon, Zeche Zollverein, Essen 14. Januar 2025
An Widerständen Wachsen
im
Erich Brost Pavillon, Zeche Zollverein, Essen
14. Januar 2025
Grußwort
Prof. Bodo Hombach
14. Januar 2025
Verehrte, liebe Gäste,
begrüßen Sie bitte mit mir Herrn Ministerpräsident in Ruhe Armin Laschet und die Bergsteiger- Legende Reinhold Messner.
Zwei von Gipfeln Angezogene. Oben angekommen lockt der nächste! Der wirkt nahe. Aber zunächst muss man von einem runter. Man durchquert das Tal. Mit Rückenwind ist es einfach. Am Gegenwind wächst der Wille.
Wir erleben ein Gipfeltreffen besonderer Art. Im architektonisch spannenden Raum. Auf oktogonalem Fundament eines Kühlturmes gegründet. Das Achteck hatte magische Bedeutung in der Antike. Achtstrahlig war der Stern als Urbild der Vollkommenheit. Ein Rendez-Vous von zweien, die was zu sagen haben. Sich und uns.
Sloterdijk hat mich vor 40Jahren geheißen, einen Gesinnungsaufsatz fürs Suhrkamp-Jubiläums- Buch zu schreiben. Den überschrieb ich: „Denken folgt auf Schwierigkeiten und geht dem Handeln voraus.“ So schien es mir lange alternativlos. Das Messner-Buch legt nahe: Es geht auch anders. „Denken sucht Schwierigkeiten und geht dem Handeln voraus.“
Der renommierten und vielfach bewährten Co-Herausgeberin von The Pioneer, Dagmar Rosenfeld, ein herzliches Willkommen und Dank. Sie wird uns die Gipfelstürmer verstehen helfen. Beide haben sich selbst herausgefordert.
Einer hat mit der physikalischen Gravitation gerungen. In dünner Luft, an Gletscherspalten, unter Steinschlag und Wettersturz. Wir ahnen mit Ehrfurcht, wie mühevoll die letzten Schritte vor dem vereisten Gipfel sind. Der andere im zeit- und pausenfrei inszenierten Schaukampf an der medialen Steilwand unter spöttischem Hohn von Gegner und Parteifreund, in blockierter Gesellschaft, im Eiswind digital sezierender Debatten und dem Lawinenabgang journalistischer Treibjagden.
Beide – das nehme ich an – haben etwas gemeinsam. Sie hatten früh den besonderen Blick. Nicht begrenzt auf die Verhältnisse ihres Ortes und Milieus. Nicht auf behagliches Dasein in ausgetretenen Wegen! Beide fokussierten ferne Gipfel. Die lagen in der Sonne, wenn unten alles im Nebel dämmerte. Das war eine riskante Verlockung.
Es gab Umwege, Sackgassen, Schrammen, Narben für immer. Reinhold Messner und Armin Laschet wissen das aus Erfahrung. Beide wurden im Gegenwind nicht verweht. Sie belegen: Aus Herausforderungen kann transformative Kraft entstehen. Aus Widerständen werden Chancen.
Die Welt ist eine Nummer zu groß für die Sehnsucht des Menschen. Wir lernen eher aus Irrtümern als aus scheinbarer Wahrheit. Der Krieg galt einst als simpelstes Mittel der Bereicherung. Nun erfahren wir: Er ist zum Verlustgeschäft geworden. Für alle!
Elias Canetti provozierte „Am meisten missfallen mir Gedanken, wenn sie sich zu bald als richtig herausstellen.“ Bewegungsenergie kommt nicht aus Selbstzufriedenheit, sondern aus Zweifel und Wille. Die Welt braucht nicht unsere Wut! Zorn darf es gelegentlich sein. Der wird zu Unrecht unterbewertet.
Papst Gregor der Große wusste schon im 7. Jahrhundert: „Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht.“ Freiheit erkämpfen ist oft Grenzverletzung. Der politische Weltbürger muss auch mal das Land Utopia bereisen. Wer davor erschrickt, hat nicht begriffen.
Herr Laschet weiß: In der Politik muss man zuspitzen, sonst wird man nicht gehört. Man muss aber auch erklären, sonst wird man nicht verstanden. Beides muss man können. „Wir haben das Nebeneinander organisiert“, sagte Willy Brandt, „und werden das Miteinander zu lernen haben.“
Ich denke, der Bergsteiger kann zustimmen. In der Seilschaft ist das Miteinander lebenswichtig. Der Kraftmeier, der gegen den Berg anrennt, vergeudet sich selbst und die Welt ringsum. Reinhold Messner weiß um die Verletzlichkeit dieser scheinbar so rauen Welt. Mit geballter Erfahrung und unruhiger Geduld kämpft er für den Erhalt ihrer Unverfügbarkeit.
Liebe Gäste, das alles ist nichts für zarte Gemüter und nicht fürs Poesiealbum. Dieses Gipfeltreffen zwischen den Welten kultet nicht um Helden. Beide könnten von sich sagen, was Conrad Ferdinand Meyer im Epos „Huttens letzte Tage“ seinem Helden in den Mund legt: „Ich bin kein ausgeklügelt Buch. Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.“
Schon als ich diesen interessanten Saal betreten habe, wusste ich: Ich werde klüger gehen, als ich gekommen bin. Dafür vorauseilenden Dank.
Frau Rosenfeld, bitte übernehmen Sie.