„Zukunftsforum NRW-Niederlande“ – Noordwijk, 21./22. November 2024
Zukunftsforum NRW – Niederlande
Begrüßung
Prof. Bodo Hombach
21. November 2024
Verehrter Herr Ministerpräsident Wüst,
Verehrter Herr Finanzminister Opdendrenk,
Verehrte Frau Botschafterin Somsen,
Verehrter Herr Botschafter Meyer-Landrut,
Sehr verehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen zu diesem Treffen.
Liebe Frau Derkzen, liebe Frau Plättner,
mit kluger Professionalität haben Sie schon den Erfolg des ersten Treffens mitbegründet. Die hochbedeutende Teilnehmerliste lockt mich, jeden von Ihnen persönlich zu begrüßen. Zeitökonomie steht dagegen. Jeder weiß – ganz sicher von sich selbst – wie bedeutsam und willkommen er oder sie ist.
Ein bisschen inkonsequent will ich sein, Herr Otto Fricke, MdB, hochrespektierter Haushaltsexperte und Vorsitzender der deutsch-holländischen Parlamentariergruppe, hat Geburtstag. Lieber Herr Fricke – wie alt muss man eigentlich werden, um noch so jung zu sein? Herzlichen Glückwunsch Ihnen und uns, dass Sie dennoch Zeit für uns haben. Großer Dank an Herrn Prof. Dr. Jan Peter Balkenende, ehemals Ministerpräsident der Niederlande und Herrn Armin Laschet, gewesener Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Beide haben erneut die Schirmherrschaft über unser Treffen. Damit ist klar: Es wird alles gut.
Gesprächsformate im kleinen Grenzverkehr werden viel wichtiger. Im großen Grenzverkehr sind sie nämlich schwieriger. Stefan Zweig nannte den Nationalismus „die Erzpest“ unseres Kontinents. Für dessen Überwindung gab es mal Rückenwind. Für das daraus gewachsene Europa gibt es nun Gegenwind. Man muss kreuzen, um voranzukommen. Das Europa der Regionen hat noch Dynamik. Gemeinsame Chancen und Probleme sind konkret. Da geht man aufeinander zu, nicht aufeinander los.
Wir hatten vor einem Jahr einen lebhaften Austausch von Kenntnissen, Einschätzungen und Ideen. Die Forderung der Teilnehmer war: Das müssen wir fortsetzen. Die Brost-Stiftung sieht sich in der Pflicht, nein, in der Lust, dafür den Rahmen zu schaffen. Vertraute Gewissheiten erweisen sich gerade als brüchig. Eine regelbasierte Weltordnung ist nicht verlässliche Errungenschaft. Sie ist wieder nur „Wille und Vorstellung“. Innere Sicherheit und Stabilität erleben einen Stresstest nach dem anderen. Für Handelskriege wird gerüstet. Alleingänge auf Kosten anderer sind politische Programme. Diplomatie macht Pause.
In der Nachkriegszeit eingeschlafen, sind wir in der Vorkriegszeit aufgewacht. Reichweiten werden gerade verlängert. Im öffentlichen Diskurs zerfallen Umgangsformen. Wohlstands- und Steuerversenker rödeln herum. Administratoren trödeln herum. Ich habe das schlicht regierte Berlin im Auge. Viele Bürger fürchten, Kontrolle über ihre Zukunftsgestaltung verloren zu haben. Dass die nicht falsch abbiegt, muss ständiges Bemühen auch parteiunabhängiger Stiftungen sein. Da lohnt es sich, die Lage zu sondieren. Als Deutscher staune ich schon lange über die holländische Begabung, bei neuen Lagen gelassen zu bleiben. Vielleicht liegt es am ewigen Hin und Her von Ebbe und Flut.
Mit fragilen Mehrheiten und Konsenszwängen scheint man irgendwie klarzukommen. Hier nutzte eine Nationalflagge zum ersten Mal drei Farben. Französische Revolutionäre machte die zur Trikolore. Die Vereinigten Niederlande waren die ersten in Europa, die religiös-ideologische Fremdherren vertrieben. Den spanischen Besatzern machten sie nasse Füße.
Und wichtiger: Sie realisierten früh die Zivilgesellschaft. Rembrandts „Nachtwache“ dokumentiert Bürgerstolz und Einsatz fürs allgemeine Wohl. Die privilegierte Führungsschicht im restlichen Europa wurde vom Adel besetzt. In den Niederlanden galt der „Adel“ des erfolgreichen Geschäftsmannes. Eine breite Mitte aus Handwerkern, Händlern, Schiffern und kleineren Beamten konnte schreiben und lesen, und natürlich rechnen. Der stolze holländische Bürger wartete nicht darauf regiert zu werden.
Der freilaufende Bürger bewegt sich außerhalb der politisch – medialen Gatter und ohne Sattel und Trense. Es entsteht der Eindruck: In jedem pragmatischen und deshalb guten Entscheidungsträger steckt was Holländisches. Da nimmt sich einer ein Stück Meer. Er zäunt es ein und pumpt es aus. Irgendwann ist die Fläche trocken. Er sät Gras, das die Kühe fressen. Deren Milch verwandelt er in Käse. Ganz nebenbei hat er Europa vergrößert. Ein gutes Motto für unser Treffen.
Wir üben uns in Polderwirtschaft. Da ist eine Gelassenheit, von der ich lernen möchte. „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Hölderlins Spruch ist keine Beruhigungspille, sondern „Aufforderung zum Tanz“. Ein Treffen wie dieses kann funktionieren. Freunde und Menschen mit gleichen Interessen entdecken. Nachbarn rücken zusammen. Kräfte bündeln sich. Optimistische Menschen neigen dazu, an das Gute in anderen zu glauben. Das fördert Vertrauen und Solidarität. Es braucht Verbündete gegen geistige Obdachlosigkeit und intellektuelle Verwahrlosung. Kulturhistoriker sagen: Krisen lösen Fortschritte aus.
Im Suhrkamp-Jubiläumsband von Sloterdyk habe ich vor 35 Jahren meinem Beitrag die Überschrift gegeben: „Denken folgt auf Schwierigkeiten und geht dem Handeln voraus“. Die ewigen Apokalyptiker leben vom Problem und löst keines. Gute Vorschläge wider den selbstprophezeiten Untergang betrachten die als „geschäftsschädigendes Verhalten“. Der Pragmatiker fragt: „Wo tut’s weh?“ „Was machen wir jetzt und hier?“ und „Wo wollen wir hin?“ Wenn es nötig ist auch „Was kostet das?“ und „Wie erwirtschaften wir das“
Sein Eigenanspruch ist nicht „die Welt zu retten“, aber dennoch tut er es tatsächlich. Ich bin sicher, dass wir morgen klüger gehen als wir gekommen sind. Dafür vorauseilenden Dank. Herr Prof. Dr. Balkenende nun freue ich mich darauf Ihnen zu hören zu dürfen.