„Die Niederlande in Nordrhein-Westfalen – Nachbar, Partner und Investor“ – RWE Pavillion – Philharmonie Essen Conference Center, Huyssenallee 53 – 45128 Essen, 1. Oktober 2024, 19 Uhr

Die Niederlande in Nordrhein-Westfalen – Nachbar, Partner und Investor

Begrüßung:
Professor Bodo Hombach

1. Oktober 2024

Verehrte Gäste,

es geht um Konkretes – also Relevantes. Ein Vorspruch soll davon nichts vorwegnehmen. Dafür haben wir großartige Gäste. Ich begrüße auch in Ihrem Namen sehr herzlich:

Frau Ministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur, Herrn MdB Otto Fricke, Herrn Geschäftsführer André Jurres, Herrn Prof. Dr. Christoph M. Schmidt.
Der Moderator Herr Michael Hirz vom Sender Phoenix – das ist der Sender, der die Gebühren rechtfertigt – wird unsere wunderbaren, kompetenten und erfahrenen Gäste gleich protokollgerecht vorstellen.

An der holländischen Küste gab es im letzten Jahr ein spannendes Treffen. Da wurde auf Fortsetzung gedrängt. Kooperative Nachbarschaft ist vitale Notwendigkeit. Wechselnde Parteienbünde sollen den Austausch von Kenntnissen, Einschätzungen und Ideen nicht blockieren. Die regelbasierte Weltordnung ist nicht mehr gefestigte Errungenschaft. Sie ist wieder einmal „Wille und Vorstellung“. In der Nachkriegszeit eingeschlafen sind wir in der Vorkriegszeit aufgewacht. Mit Nachbarn in vergleichbarer Lage gilt es, diese zu sondieren. Die gemeinsame Schrittweite ist auf Augenhöhe mit Respekt zu sortieren.
Europäisches Zusammenwachsen braucht funktionierende Regionen. Zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden ist Grenze nur noch Theorie. Man ist einander so nah, dass man sich fast vernachlässigt. Aber auch dann braucht Diplomatie nicht Brechstange, sondern Fingerspitze. Menschliche Hybris war für die alten Griechen Ursache für jedes Übel.

Kürzlich beim Brost-Tag habe ich aus Tucholsky Essay „Die Dämmerung“ zitiert: „Die Leute gehen täglich ihren Geschäften nach, machen Verordnungen und durchbrechen sie, halten Feste ab und tanzen, heiraten und lesen Bücher – aber es rumort in der Tiefe, und der Boden schwankt leise“. Schwere wirtschaftliche, soziale und außenpolitische Verwerfungen können wir nicht übersehen. Gesellschaftliche Aufsplitterung ist Folge und Ursache zugleich. Das ist menschengemacht, mit Wahrscheinlichkeit zur Eskalation. Fast 2000 Jahre hatten wir zu viel Geschichte für zu wenig Geografie. Die Vereinigten Niederlande waren die ersten in Europa, die sich von ideologischer Fremdherrschaft befreiten. Die haben mal den Deich durchstoßen und die spanischen Belagerer unter Wasser gesetzt. Das Rot-Weiß-Blau war übrigens die erste „Dreifarben“-Flagge der Geschichte. Die stand für erkämpfte Freiheit. Daraus machte die Französische Revolution ihre „Trikolore“. Aber wichtiger, sie verwirklichten als erste die Zivilgesellschaft. Rembrandts „Nachtwache“ zeigt uns Bürgerstolz. Der maß sich am Einsatz fürs allgemeine Wohl.

Unser Partnerland hat die älteste Nationalhymne der Welt. Zwischen 1568 und 1572 hat deren Autor Valerius als erste Zeile geschrieben: „Wilhelmus von Nassauen bin ich aus deutschem Blut“. Der freilaufende Holländer cancelt offenbar keine Strophe. Er nimmt sich ein Stück Meer, zäunt es ein und pumpt es aus. Irgendwann ist die Fläche nutzbar. Er sät Gras, das die Kühe fressen. Deren Milch verwandelt er in guten Käse. Und ganz nebenbei hat er auch noch Europa vergrößert. Vielleicht ist das ein gutes Motto. Wir üben uns in Polderwirtschaft. Wer das Meer und die Natur beherrschen muss, vergeudet keine Energie an Besserwisserei oder Imponiergehabe. Weltuntergangs-Wiedergänger betrachten wirkende Problemlösung als „geschäftsschädigendes Verhalten“.

Mit kleinen Beiträgen zur Vermeidung von Kipppunkten kann privates und wirtschaftliches Engagement dagegenhalten. In jedem guten praktischen und pragmatischen Entscheidungs-träger steckt auch ein Holländer. Der hat wenig Lust auf kriegerische Methoden. Der eignet sich vor allem nicht zum Apokalyptiker. Gegen die hat Martin Luther vehement gepredigt: „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Das klingt naiv – ist aber das allzeit bewährte, optimistische: „Jetzt erst recht“. Das ist kein verblasenes Gefühl, nicht Pfeifen im Wald. Es ist eine Haltung, die zur kreativen Lösung aktueller Probleme motiviert.

Eine Gesellschaft, die erwartet, dass die Zukunft besser wird, fällt nicht in frivole Passivität.
Sie investiert in die Zukunft, durch Befähigung zu nützlicher Arbeit, in Bildung und Wissenschaft oder technologischen Fortschritt. Optimismus trägt zu einem positiven mentalen Umfeld bei. Das fördert nicht nur individuelles Wohlbefinden, sondern auch die psychische Verfassung der Gesellschaft. Das stärkt die kollektive Resilienz.
Optimistische Menschen neigen dazu, an das Gute in anderen zu glauben. Das fördert Vertrauen und Solidarität. Das befördert intensiven Grenz-„Verkehr“. Da spürt man den gegenseitigen Stoffwechsel nicht nur bei Matjes und Gouda. Da geht es auch um Wasserstoff, Stahl und Wissen. Die Niederlande sind bedeutender Wirtschaftspartner unseres Bundeslandes. Als moderne Industriegesellschaft haben wir die meisten Probleme gemeinsam. Viele davon sind „Sachen“, und damit pragmatisch zu behandeln. Manche sind „Ansichtssachen“. Sie entstehen im Kopf. Wem das gut Gemachte mehr als das gut Gemeinte zählt, sucht nach Lösungen, schwadroniert nicht vom „die Welt“ retten, sondern fragt: „Wo tut’s weh?“ und „Was machen wir jetzt und hier?“.

So kennen und schätzen wir die Trägerin des Brost-Preises 2023. Wir freuen uns auf Frau Mona Neubaur, Landesministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie.
Ich danke ihr und allen im Voraus für kluge Beiträge und kluges Zuhören. Ich bin sicher, wir werden in anderthalb Stunden klüger gehen, als wir gekommen sind.