Stiftungstag im Erich Brost Pavillon, Zeche Zollverein, Essen – 12. September 2024

Stiftungstag

Begrüßung:
Prof. Bodo Hombach

12. September 2024

Verehrte, liebe Gäste,

„Alle Jahre wieder“ Brost-Tag klingt wie Wiederkehr des Gleichen. Davon kann keine Rede sein. Kurt Tucholsky schrieb in einem Essay „Die Dämmerung“, „…Die Leute gehen täglich ihren Geschäften nach, machen Verordnungen und durchbrechen sie, halten Feste ab und tanzen, heiraten und lesen Bücher – aber es rumort in der Tiefe, und der Boden schwankt leise …“.
Wir erleben wirtschaftliche, soziale und außenpolitische Verwerfungen. Gesellschaftliche Aufsplitterung ist da Folge und Ursache zugleich. Das ist politikgemacht mit Wahrscheinlichkeit zur Eskalation. Zur Vermeidung von Kipppunkten ist privates Bürger-engagement sehr nützlich. Dazu gehören unsere Projekte aus der Welt des sozialen, medizinischen und kulturellen Miteinander. Von Weltuntergangs-Junkies halten wir nichts. Die lärmen und lähmen. Die verbreiten Unruhe und Angst. Die leben von Problemen. Die lösen keines.

Martin Luther hat wider die Apokalyptiker gepredigt. „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Das klingt naiv – ist aber das allzeit bewährte: „Jetzt erst recht.“ Bei ungewisser Zukunft und möglichen Katastrophen ist Blockieren oder Wortdiarrhoe die schlechteste Option. Stiftungen als Initiativen der Zivilgesellschaft müssen Dynamik entfachen. Mein Geschichtsbuch ist voller Beispiele, wie Gesellschaften und Staaten zerbröseln. Sie verschleppen Reformen und Innovationen.
Leistungslose Ansprüche befördern Trägheit. Wohlstandsverlust, aber auch Wohlstands-verwahrlosung bewirken politischen Akzeptanzverlust. Das und beschwiegene Realitäten sind Nährlösung der Entfremdung und Radikalisierung für Traumtänzer, Wirrköpfe und Demagogen. Brost-Kuratoriumsmitglied und Ministerpräsident Hendrik Wüst formulierte in seiner Regierungserklärung: „Eine Politik der Mitte beschäftigt sich nicht mit Ideologien – sondern mit der alltäglichen Realität der Menschen“. So wollte es auch unsere Stifterin Anneliese Brost.

Wir wollen es so auch. Gerade kompliziert zusammengefügte Parteibünde müssen Grenzen des Interessenegoismus respektieren. Unsere Projekte der „Volksbildung“, (so nennt das der Gesetzgeber) sind dem Gemeinwohl nie einer Parteipolitik verpflichtet. Ohne Illusionen über die Wirkmächtigkeit unseres Handelns übernehmen wir dafür Verantwortung – immer auf der Suche nach Gleichgesinnten und Mittätern. Und mit dem kritischen Rationalismus des Philosophen Karl Popper: „Ich gebe zu, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden“. Der große Denker weiß, eine pluralistische Gesellschaft verändert man nicht sprunghaft, sondern schrittweise. Es geht nicht um publizistische Fleißkärtchen und nicht um Streicheleinheiten von und für bestimmte Gruppen. Es geht um Nutzen und Wirkung. Geprüft wird Idee und Praxis an rationaler Problemlösung zum allgemeinen Wohl.

Die Projektpartner unserer Stiftung können ihre Beiträge vorweisen und darauf stolz sein.
Boris hat kürzlich ein 35 Jahre altes Buch von Peter Sloterdijk ausgegraben. Meinem Beitrag darin gab ich die Überschrift: „Denken folgt auf Schwierigkeiten und geht dem Handeln voraus“. Heute muss ich gestehen: Ich habe nichts hinzugelernt. Auch intellektuelles Schaffen muss immer in die tatsächliche Welt geführt werden. Da wird nicht indoktriniert oder determiniert. Nur dort können Bürgerinnen und Bürger ihre Zukunft frei wählen. Nur das erhält Bürgerstolz und individuelle Verantwortungsbereitschaft. Ereignisgerechte Ordnungs-leistungen des Staates sind nötig, um das Zusammenleben von Menschen konfliktarm zu halten. Sicherheit ist essenziell für die Legitimität eines Staates. Die von Frank Richter vorangetriebenen Publikationen dazu finden viel Zustimmung. Die neue Aufmerksamkeit gilt den Opfern.

Auch Diplomatie ist zivilisatorische Errungenschaft der Menschheitsgeschichte. Sie ist aus Kriegsleid gewachsene Methode der Vernunft, Stärke und Gestaltungskraft. Genau wie Respekt und Toleranz. Das baut Brücken und vertieft nicht Gräben. Hitzköpfe begründen Sorgen. Wir sind in der Nachkriegszeit eingeschlafen und in der Vorkriegszeit aufgewacht.

Ein heute geborenes Baby ist nicht klüger als ein Neandertaler Baby. Die uns jetzt regieren, haben Krieg nicht selbst erlebt. Die Erinnerung ans Entsetzliche wurde vielen nicht vererbt. Da neigt man wohl dazu, es noch einmal ohne Diplomatie zu versuchen. Im Geiste des Langzeitgedächtnisses von Anneliese Brost fördern wir deshalb Projekte des grenzüberschreitenden friedlichen Miteinander. Menschliche Hybris war den alten Griechen der Motor aller Tragödien. Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und Hochmut sei Anfang vom Ende. Strotzende Selbstgerechtigkeit gesellt sich gern dazu.
Unsere Stiftung sucht die Bodenhaftung. Das Motto: Alles ist machbar, auch das Gute. Zu würdigen ist: das Gutgemachte und nicht das Gutgemeinte.

Dabei spielen unabhängige aufklärerische Medien eine wichtige Rolle. Mehr als zuvor investieren wir deshalb in Journalismus, der sich unserer „Mission Wahrheit“ verbunden fühlt. Am gleichnamigen neuen Buch hat sich eine spektakuläre Runde von Kennern und Könnern beteiligt. Die Partner, die wir hier gefunden haben, können uns optimistisch stimmen. Überhaupt „Optimismus“. Das ist kein verblasenes Gefühl, kein Pfeifen im Wald. Es ist die Haltung, die zu kreativen Lösungen aktueller Probleme motiviert. Den Projektpartnern, weiteren Unterstützern, Beratern, unseren Gremienmitgliedern und meinen Vorstandskollegen den Herren Dr. Berger und Dr. Sacher danke ich sehr, sehr herzlich. Unser Kuratorium unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Engels gibt uns beständig sehr hilfreiche Impulse. Die vielen guten Erfahrungen, die wir miteinander machen konnten, haben enge Beziehungen und sogar Freundschaften begründet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung und Palladio sind hoch motiviert und effizient. Um wirksam und nachhaltig zu sein, brauchen wir zusätzlich verlässliche und kundige Partner und Sympathisanten. Wir haben großartige Persönlichkeiten
gefunden.

Eine Gesellschaft, die erwartet, dass die Zukunft besser wird, verfällt nicht der frivolen Passivität. Sie investiert in die Zukunft durch Befähigung zu nützlicher Arbeit in Bildung und Wissenschaft oder technologischen Fortschritt. Optimismus trägt zu einem positiven mentalen Umfeld bei. Das fördert individuelle Gesundheit und die psychische Verfassung der Gesellschaft. Till Brönner hat das für uns vertont und Johann Simons visualisiert. Optimistische Menschen neigen dazu, an das Gute in anderen zu glauben. Das fördert Vertrauen und Solidarität. Das stärkt die kollektive Resilienz. Anneliese Brost hat sich nie zur Resignation hinreißen lassen. Für die Stiftung kommt das ohnehin nicht infrage.

Verehrte Gäste, anschwellende Herausforderung und Gegenwind motivieren. Wir können Menschen versammeln, die nicht lamentieren, sich nicht ankleben oder Wände besudeln.
Die tun Gutes.
Solche Partner sind hier. Auch deshalb werden wir optimistischer gehen, als wir gekommen sind. Ich danke und freue mich.

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