„Auf der Suche nach dem Ruhrgebiet – Heimat, Identität und das „Wir“ im Pott“ – FUNKE Even-Center, Essen, 15. Februar 2024

Begrüßung:
Prof. Bodo Hombach

15. Februar 2024

Verehrte Frau Ministerin Scharrenbach,
verehrte Frau Becker,
Ihnen habe ich für die Gastfreundschaft am Stammsitz der Funke Mediengruppe besonders zu danken.
Verehrter Herr Staatssekretär Hovenjürgen,
verehrte Frau Generalkonsulin Mikolajczak,
verehrte Gäste auf dem Podium und im Saal,

herzlich Willkommen zu diesem Auftakt-Treffen besonderer Art!
Respekt, dass Sie sich diesem komplexen Thema stellen. Ein ganzes Ministerium führt den Begriff „Heimat“ im Schilde. Das zeigt uns, dass da etwas in Frage steht, dass es nicht selbstverständlich oder
nur irgendein Gefühl ist. Es belegt, dass es Bedarf an Aufmerksamkeit und Diskurs gibt. Dafür, dass Sie
das aufmerksam begleiten – Frau Ministerin – will ich danken.
In der Nachkriegszeit eingeschlafen, erwachen wir gerade in der Vorkriegszeit. Keine Ahnung wer führt.
Politisiert wird vielstimmig, gesendet und geschrieben eilfertig. Alte Gewissheiten gingen verloren.
Konsensfähige neue tragen noch nicht. Verunsicherung zerrüttet Zusammenhalt. Das muss man
bearbeiten, bevor schreckliche Vereinfacher es auf ihre Agenda setzen. Uns treibt dabei unruhige
Geduld.

Die Erfahrung zeigt: Der Begriff „Heimat“ gehört zu denjenigen, die erst durch Annäherung merkwürdig
werden. Spontan und naiv scheint es einfach. Aber dann setzen gegebene Anlässe Emotionen und
Kontroversen frei. Plötzlich muss man das Wort – frei nach Goethe – neu erwerben, um es wieder zu
besitzen. Das ist mühsam, aber es steigert seinen Kurs. Heimat ist nicht geografische Konstante.

Immanuel Kant war der größte geistige Weltbürger der Aufklärung und kam „leibhaftig“ nicht über
Königsberg hinaus. Heimat ist auch, aber nicht nur ererbter Lebensraum. Sie ist Projektionsfläche für
persönliche Eigenschaften und Bedürfnisse. Eine Melange aus Sprache, Biografie, Bildung, Begegnung,
Milieu, sogar Geruch. Auch aus Hoffnungen und Sorgen.

Jeder Mensch macht sich seinen Reim auf seine Welt. Ich vermute, Heimat ist Wohnlichkeit im eigenen
Leben, Referenzpunkt für Geborgenheit. Auch ein Panic-Room in den Stromschnellen der Geschichte.
Es lohnt sich, diesen Freiraum zu pflegen.
Politik tut gut daran, ihn zu schützen. Projektionsflächen kann man ideologisch benutzen. Dann ist der
Begriff nicht mehr Verständigung, sondern Waffe. Nicht Brücke, sondern Graben. Nicht mehr
einladende Landschaft, sondern Minenfeld. Undefiniert wird er zum Battle-Field, wo man ausgrenzt
und niedermacht.

Immer suchten Menschen in der Fremde, „im Elend“, wie man das lange nannte, eine neue Heimat.
Das war immer auch Herausforderung für die Einheimischen. Immer erzeugte es Reibungshitze.

„Neighbourhood“, „Meltingpot“. Dafür steht ein Wort: „Ruhrgebiet“. Hier sind alle Facetten in freier
Wildbahn zu beobachten. Man findet Stellen mit erhöhter Temperatur. Was lag näher, als hier zu
erkunden, was es mit dem Heimatbegriff auf sich hat. Das erste Kapitel der Feldstudie liegt vor. Wir
übergeben sie demnächst der Öffentlichkeit, in der sie entstand. Das wird ein spannendes Büchlein.
Heute, wie sich das gehört, nicht mit Pauken und Trompeten, sondern im Diskurs. Mit Vorsicht, um
nichts zu verschütten.

Ich danke allen, die sich beteiligt haben und weiter beteiligen werden. Der Funke-Mediengruppe,
Herrn Prof. Dr. Marlovits, Herrn Prof. Dr. Heinze und allen Mitstreitern.
Eine solche „Expedition ins Landesinnere“ bringt interessante Ergebnisse.

„Hier kann ich sein, wie ich bin.“ Das haben fast alle, besonders früh Zugewanderte als
ruhrgebietstypisch und liebenswert genannt.
Gerade die aber beklagen Konformitätsdruck durch später Gekommene. Sie wollen altes Denken und
Bräuche nicht mehr als ihre Identität annehmen. Herr Prof. Dr. Marlovits wird das vertiefen.
Unter der gekonnten Moderation von Frau Susanne Wieseler vom Regionalprogramm des WDR wird
die Podiumsdiskussion das sicher auch beleuchten. Der prominente Schriftsteller Herr Per Leo war ein
Jahr geschätzter Metropolenschreiber Ruhr und Gast der Brost-Stiftung. Er hat sich intensiv mit uns
beschäftigt.
Herr Dr. Jost Lübben, Chefredakteur der Westfalenpost, muss das schon lange und beständig. Bei ihm
ist das Ruhrgebiet mit allen Befindlichkeiten Teil seines beruflichen Stoffwechsels.
Großartig, dass Frau Ministerin Ina Scharrenbach sich auch die Zeit genommen hat, an der Diskussion
teilzunehmen.

Ihnen allen ganz herzlichen Dank!

Aber zunächst freuen wir uns sehr auf die einleitende Rede von Frau Ministerin für Heimat,
Kommunales, Bau und Digitalisierung unseres Landes Nordrhein-Westfalen, Frau Ina Scharrenbach,
unser Thema liegt in den besten Händen.

Wir alle werden diesen Saal klüger verlassen, als wir ihn betreten haben. Frau Ministerin, helfen Sie
uns dabei! Sie haben das Wort.