„Ruhr-Natur“ Auftaktveranstaltung – Zeche Zollverein, Essen, 23. Februar 2023

Eröffnung:
Prof. Bodo Hombach

23. Februar 2023

Verehrter Herr Ministerpräsident Wüst,

verehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hovenjürgen,

verehrter Herr Messner,

verehrter Herr Dr. Schumacher, verehrte Gäste,

Sie werden gestutzt haben: Ein Paartanz Ruhrgebiet und Südtirol ist nicht selbsterklärend. Hier ein verdichtetes Industrierevier mit schroffen sozialen Gegensätzen. Dort eine grandiose Alpenlandschaft mit Skiparadiesen, Wildbächen und malerischen Dörfern. Das Wetter ist unterschiedlich. Das Klima ist gleich.

Herr Messner hat kürzlich die Bonner Akademie gerockt. Durch Extremerfahrungen ist er flausenfrei. Ernsthafte Liebe zur Natur wägt er gegen soziale und ökonomische Notwendigkeiten. Er liebt nicht nur die Natur, sondern auch die Menschen, die darin und von ihr leben. Er sucht den gangbaren Weg. Ich erlebte einen spürbar tief Überzeugten und Überzeugenden, nicht als Eiferer, sondern als erfrischend klugen, reflektierten, pragmatischen Macher. Nicht das Gutgemeinte zählt, sondern nur das gut Gemachte.

Ich begriff die Ignoranz gegenüber Gemeinsamkeiten als Kern des Problems. Reinhold Messner kann Erfahrenes nachvollziehbar vermitteln. Viele denken nicht daran, zwischen Sprachrestriktion, hysterischen, selbstermächtigten Wertewächtern und bornierten Besserwissern aufzutauchen. Sie bleiben unter sich. Tatsächlich sind sie wohl das größte demokratische Netzwerk. Dessen Vernetzung wird irgendwann jemand schaffen. Ein Neugeborenes ist so dumm wie ein Neandertaler-Baby. Wissen und Erfahrung, die nicht wirkmächtig vermittelt werden, gehen verloren.

Wie sonst würden wir uns duldsam von der Nachkriegszeit in die Vorkriegszeit politisieren, senden und schreiben lassen. Unsere Zeit ist argumentationsarm und propagandaüberflutet. Der Kampf um die Köpfe muss mit dem Waschen und Durchlüften der Köpfe beginnen. Da muss Klarheit rein.

Ich kenne keinen, der aus gewachsener Glaubwürdigkeit so überzeugend bewusstseinsbildend wirkt wie unser Projektpartner Messner. Die jungen Menschen, die ihm durch uns begegnen können, werden Einsicht und Größe gewinnen, weil man an erfahrener Wahrheit wächst.

Allein schon wegen der Partnerschaft mit Herrn Messner, wollen wir dieses Projekt. Die organisatorische Abwicklung unseres Projektes zeigte das Video. Die Sinntiefe nehme ich den folgenden kompetenten Persönlichkeiten nicht vorweg.

Einige andere Aspekte begründen die Verwandtschaft: Beim Klima hat jede Region mit allen anderen zu tun. Wir sitzen – egal wer gerade sägt – auf dem gleichen Ast. Die die Erde schützende Atmosphäre ist nicht einzelnen Nationen zugeteilt. Gelerntes Territorialverhalten hat hier keine Bedeutung. Moralisch-politische Überlegenheitsgefühle helfen nicht.

Wind und Wetter sind skrupellose Grenzüberschreiter. Schlagbäume, Mauern, Zäune sind ihnen herzlich schnuppe. Der Jet-Stream, der die Erde umkreist, ist erbarmungsloser Verteiler. Er fragt nicht, ob es uns gerade passt. Er stellt keinen Asylantrag.

Ob wir die Luxus-Suite bewohnen oder den Dienstboteneingang benutzen: Die Lufthülle unseres Planeten ist das große Ganze und Gemeinsame. Landkarten zeigen einen bunten Flickenteppich der politischen und sozialen Verhältnisse. Schon zwei Meter höher ist alles nur Luft, gemeinsame Luft.

Vom Wissen zum Begreifen und zum Handeln sind es weite Wege. Einige sind Virtuosen darin, uns gesund zu rechnen. Andere stehen in der ewigen Tradition der Weltuntergangspropheten und huldigen der apokalyptischen Vision. Die leben von Problemen, die lösen keines.

Reinhold Messner verniedlicht nichts, aber er motiviert zum Handeln, um zu verbessern und zu gestalten. Eva Menasse sagte 2019 bei einer Ehrung: „Für Pessimismus ist es zu spät“. Sie verzichtete auf Panikmache, denn Panik lähmt. Sie machte auch nicht auf Wut, denn Wut ist kindisch. Die Klebstoff-Idee hätte sie als kontraproduktiv empfunden.

Wir neigen zur fidelen Lust am Untergang. Apokalyptiker wollen lieber Recht behalten, als das Verhängnis abzuwenden. Der Globus wird weiterhin ungerührt seine Kreise ziehen. Die Selbstprophezeiten der „letzten Generation“ werden viele Nachkommen haben. Es sei denn, fehlende Diplomatie lässt der kriegerischen Eskalationsspirale weiterhin freien Lauf.

Wir haben die gestaltende Aufgabe sicherzustellen, dass wir alle noch ein langes Weilchen auf unserem Planeten mitreisen können. Die Wissenschaftler, die kürzlich einen Asteroiden aus der Bahn geschossen haben, sind tatsächliche vor- und fürsorgende Weltenretter. Hoch lebe der Gestaltungs- und Überlebenswille. Wie gut, dass es Zeitgenossen gibt, die neue Wege erkunden und uns ermuntern, sie mit Mut, Fantasie und Geduld auszuprobieren. Die nicht medial oder parteistrategisch punkten wollen, sondern Lösungen zum Punkt bringen.

Das ist auch ein Grund für unser Projekt. Ruhris und Südtiroler sitzen nicht im gleichen Abteil, aber im gleichen Zug. Das reicht mir längst für den Wunsch, dass die Länder an Etsch und Ruhr zu engen Verwandten werden. Wer immer nur im Mainstream mitschwimmt, kann nichts bewirken. Er kommt auch nie zur Quelle. Er verklappt sich selbst im Meer der Beliebigkeit.

Liebe Gäste, Sie merken es: Ich rede wieder über Reinhold Messner. Der ist im Land der hohen Berge geboren. Ich vermute: Da richtet man schon als Knabe den Blick zu den Gipfeln. Da will man auf diese mächtigen Rücken klettern. Man sehnt sich nach klarer und kalter Luft. Man will die Gravitation spüren, indem man sie überwindet. Die Herausforderung – auch die Gefahr – weckt ungeahnte Kräfte. Am Ende lohnt der weite Blick, vielleicht sogar mit einem Achttausender unter den Füßen.

Ein Berg-Steiger aus Südtirol. Was ich jetzt sage, ist kein Kalauer: Steiger hatten auch wir im Ruhrrevier. Es ging nicht hinauf, sondern hinab. Unsere „Gipfel“ waren die Schächte. Auch hier weckten Herausforderung und Gefahr ungeahnte Kräfte. Wir haben gelernt, dass das Schwarze Goldene auch einen ökologischen Preis hat. Wenn in Tirol die Gletscher schmelzen, ist der grandiose Förderturm, neben dem wir stehen, durchaus mitverantwortlich. Deshalb die neue Veranstaltungsreihe von Brost-Akademie und Brost-Stiftung.

Umwelt und Wirtschaft sollen ein intelligentes Zusammenspiel entwickeln – gerade im Ruhrgebiet mit seinen Ewigkeitskosten. Wir wissen: Was hier gelingt, muss nirgendwo scheitern.

Ich freue mich auf Ihre Beiträge. Ich werde diesen Raum klüger verlassen, als ich gekommen bin. – Dafür vorauseilenden Dank!