„Medien im Wandel“ mit Sarah Kähler, Prof. Dr. Klaus Kocks und Dr. Helge Matthiesen – Uni Bonn, 27. April 2022

Medien im Wandel
„Alte“ und „Neue Medien“ – Friedliches Nebeneinander oder wechselseitige Entfremdung?

Gastreferenten:
Sarah Kähler
Prof. Dr. Klaus Kocks
Dr. Helge Matthiesen

Einführung:
Prof. Bodo Hombach

27. April 2022

Meine Damen und Herren,

die Medienlandschaft bietet ein widersprüchliches Bild. Die klassischen Medien Zeitung, Rundfunk, Fernsehen, Buch scheinen verunsichert, vielen auch als antiquiert, selbstzufrieden, langsam, staatstragend oder systemgefährdend. Neue Medien verbreitern und diversifizieren das Angebot. Vor allem in den jüngeren Bevölkerungsschichten sind sie oft das einzige Fenster zu Welt.

Gleichzeitig herrscht ein Verdrängungswettkampf mit offensichtlichen Qualitätsverlusten. – Es ist ein Kampf um die begrenzte Lebenszeit der Nutzer, um grelle Inhalte, um den emotionalen Kick und nicht zuletzt um den Einfluss auf Märkte, Wahlen, Macht. Der Zweck heiligt mehr und mehr die Mittel.

Wer hier für sich und gesellschaftlich Ordnung schaffen will, betritt ein schwieriges Terrain. Alles ist in Bewegung. Sämtliche Sachen sind zugleich Ansichtssachen. Es kann nicht anders sein.

Medien spiegeln die Gesellschaft und die Welt, in der wir leben. Sie formen sie aber auch. Es gibt keinen objektiven Blick von außen, denn jeder Betrachter ist selbst Teil des betrachteten Objekts. Darin sah schon der Aufklärer Immanuel Kant die Grenzen der Aufklärung.

Das Ziel dieses Seminars kann also nicht sein ein geschlossenes und gültiges Paket definierter Fakten. Viel mehr – und viel interessanter – geht es um dynamische Faktoren, um Wirkungen, Kraftfelder und Kraftlinien.
Alles ist in Bewegung. Jede schlüssige Beurteilung wäre vorläufig. Es geht uns um Kriterien, Maßstäbe, vergleichende Gewichtung. Und vor allem: Richtige Fragen sind wichtiger als richtige Antworten.

Das Semester bietet uns vier Gelegenheiten, das Thema aus wechselnder Perspektive zu erschließen. Dabei setzen wir auch auf Methodenwechsel.
Jedes Treffen beginnt mit einem kurzen und thesenhaften Papier von mir. Das erhalten Sie zuvor. Dann hören Sie von unseren hervorragenden Gästen Berichte, Analysen und Meinungen aus verschiedenen Praxisbereichen. Unsere prominenten Gäste haben ganz besonders erfolgreiche und einschlägige berufspraktische Erfahrungen. Sie stellen sich anschließend der Diskussion mit Ihnen; Ihre Chance, eigene Beobachtungen einzubringen und offene Fragen zu klären.

Nach der Pandemiepause ist es endlich wieder gelungen, dass besonders engagierte Kommilitonen und Kommilitoninnen für Sie vor Ort die Medienwelt erkundet haben. Auch von deren Eindrücken wird Ihnen berichtet werden.

Da Sie sich für dieses Seminar eingeschrieben haben, ist Ihnen die Bedeutsamkeit des Themas offenbar bewusst. Deshalb von meiner Seite heute nur ein paar Markierungen, die Ihnen in dieser Hinsicht Recht geben.

Der demokratische Rechtsstaat regelt das unvermeidliche Problem der Macht durch die Zu- und Mitbestimmung freier Bürgerinnen und Bürger. Diese ist nur möglich, wenn man sich über frei zugängliche Kanäle über die öffentlichen Angelegenheiten informieren kann.

Das Gemeinwesen ist aber groß und komplex. Nur zum kleinsten Teil beziehen wir unsere Kenntnisse aus Primärerfahrungen. Wir sind angewiesen auf Sekundärerfahrungen, die uns medial vermittelt werden.
Von diesen erwarten wir ein konsistentes und zutreffendes Bild unserer Welt, um – spätestens in der Wahlkabine – ein begründetes Kreuzchen machen zu können.

Von zentraler Bedeutung ist der Begriff „Öffentlichkeit“. Diese ist nicht der vorhandene Raum, den man so oder so besiedeln kann. Sie entsteht erst dadurch, dass sie jemand beansprucht, indem er die Privatsphäre verlässt und der institutionellen Macht kritisch gegenübertritt.

Ich zitiere Jürgen Habermas: „Alles kann Teil der politischen Öffentlichkeit werden, solange es für die Einrichtung eines Gemeinwohls wichtig sein könnte. Die entsprechenden Grenzziehungen sind politisch auszuhandeln.“
Das klingt übersichtlich. Es zeigen sich jedoch Spannungen zwischen Faktizität und Norm, zwischen objektivem Sachverhalt und subjektiver Wahrnehmung, die sich zudem ständig verändern. Innerhalb der individuellen Biografie und im kollektiven Bewusstsein.
Das elementare Medium ist deshalb der Diskurs der Zivilgesellschaft. Er allein kann die Fülle der möglichen Alternativen artikulieren. Er kann administrative Macht zähmen und Herrschaft demokratischer Kontrolle unterwerfen. Er organisiert sich in Zeitungen, Sendern und Sozialen Medien.

Die Nutzer erwarten Relevanz und Vielfalt bei der Auswahl der Themen. Sie hoffen auf Professionalität und Sorgfalt bei Recherche und Gewichtung. Sie hoffen auf Unabhängigkeit der Berichterstattung. Und nicht zu vergessen: Sie hoffen bewusst auf Bestätigung ihrer eigenen Primärkenntnisse und unbewusst auf Bestätigung liebgewordener Vorurteile.

Vor diesem Hintergrund entscheidet sich die Rolle der verschiedenen Medien, die wir in den folgenden Treffen näher betrachten werden:
Mit welchem „Pressewesen“ haben wir es in Deutschland zu tun? Gewachsene Strukturen kollidieren mit neuen Herausforderungen.
Wie vollzieht sich der Kampf um die Aufmerksamkeit und Marktanteile?
Wer stellt wie die Weichen in die Zukunft? Erleben wir ein geregeltes Nebeneinander, das zumindest Vielfalt garantiert, oder müssen wir uns auf ein zunehmend totalitäres System gefasst machen mit marktbeherrschendem Einfluss immer größerer Flächen und Schichten durch immer weniger mediale Supermächte?

Ich bin gespannt, um wieviel klüger wir am Ende sein werden.

Ich begrüße unsere heutigen Gäste und beginne mit Frau Sarah Kähler. Deren Berufs- und Erfahrungswelt ist in besonderer Weise die Welt der sogenannten Neuen Medien. Wahrscheinlich ist sie der Medienwelt, in der Sie Zuhause sind, deshalb besonders nah. Frau Kähler ist Nachrichtenchefin Redaktion Markenportale der Funke Mediengruppe NRW; NRW-Newsdesk Online und Print.

Regional besonders mit Ihnen verbunden ist der Chefredakteur des traditionsreichen Bonner General Anzeigers. Herr Dr. Helge Matthiesen studierte Geschichte, Politik und Geografie in Göttingen. Er wurde Redakteur bei verschiedenen Zeitungen im Norddeutschen Raum und übernahm 2015 die Chefredaktion beim General-Anzeiger in Bonn.

Ich freue mich auch, den exzellenten Herrn Prof. Dr. Klaus Kocks zu begrüßen. Er arbeitete nach seinem Studium an der Ruhr-Universität für die Öffentlichkeit der Ruhrkohle AG. Er verdingte sich bei weiteren Unternehmen von Aral über Ruhrgas bis Volkswagen AG. Seit 2001 ist er Honorarprofessor für Unternehmenskommunikation an der Hochschule Osnabrück. Und nicht zu vergessen, ist er gefragter Talkshow-Gast.

Ich heiße auch Sie herzlich willkommen und freue mich auf die anschließende Diskussion.