10 Jahre Bonner Akademie: „Perspektivwechsel – Die Bedeutung von Grenzgängern für Politik und Gesellschaft“

Einführung:
Prof. Bodo Hombach

Gastreferenten:

Reinhold Messner
Peter Müller
Bettina Böttinger
Julia Grimm

6. Oktober 2021

Respektierte Magnifizenz,
verehrte Gäste jedweder selbstempfundenen Geschlechtlichkeit,


zehn Jahre BAPP. Heute hätte der Saal fünf Mal so groß sein müssen. Jahr für Jahr gab es nachwirkende Treffen. Das haben viele möglich gemacht.


Üblicherweise endet man mit Dank an alle, die massiv geholfen und an die, die nicht verhindert haben. Ich will damit beginnen. – Großer Dank an die Damen und Herren des Trägervereins, des Kuratoriums, der großzügigen Förderer und des wissenschaftlichen Beirates. Sie haben dafür gesorgt, dass die Welt da draußen durch unsere Mauern diffundierte. Durch Sie hatten wir teil an den vielfältigen Erscheinungen, Ihrer persönlichen Wahrnehmung, Ihrer wissen-schaftlichen und beruflichen Kompetenz. Ihr Ratschlag bestimmte den Wert unserer Initiativen. Ihre Verbindungen verstärkten die Hebelwirkung unserer Ideen. Ihre Kenntnisse sorgten für Aktualität und Relevanz unserer Themen. Ihre Verlässlichkeit gab Halt.


Verehrter, lieber Herr Prof. Dr. Hoch,
Sie haben uns ohne Vorbehalt und Zögern von Ihrem geschätzten Vorgänger Prof. Dr. Fohr-mann übernommen und – ich habe Gewissheit: sogar mit Freude – adoptiert. Sie haben die Wände dieses Hauses auch für uns durchlässig gemacht. Sie verwehrten es dieser Uni, zum bloßen Archiv wissenschaftlicher Erfolge und zeitgeschichtlicher Zustände zu werden. Natür-lich, auch hier wird gesammelt, gesichtet, sortiert. Aber spürbar geht es Ihnen darum, Kraftli-nien zu entdecken, Einflusszonen, Wirksamkeiten. Da ist die verdoppelte Anerkennung als Hochschulmanager des Jahres und der Lorbeerkranz der Exzellenz-Universität verdient.


Großer Dank auch an die Referenten und Diskutanten, die unser Haus durchquert haben. Jeder und jede mit Lebenserfahrung und Tiefenschärfe, mit Temperament und Charakter. Im-mer mit Respekt vor der Realität, immer mit Lust am Klügerwerden. Und immer auch mit der Bereitschaft zum kategorischen Zweifel an den scheinbaren Gewissheiten.


Großer Dank schließlich an unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: In Planung – Organisa-tion, Verwaltung – und im Herstellen einer gedeihlichen Atmosphäre.


Frei nach Dante, der gerade seinen 700. Geburtstag begeht: Wer hier eintrat, ließ nicht alle Hoffnung fahren. Er ging mit neuem Wissen davon – mit vermittelter Erfahrung – mit neuen Ideen, mit neuem Vertrauen in die Machbarkeit der Verhältnisse.


Das ist meine Verbeugung vor unseren treuen Gästen.


Wie funktioniert unser Ding? Dazu ein kleiner Exkurs: Kulturhistoriker haben sich nach dem innersten Geheimnis der alten Griechen gefragt. Wie konnten die in kurzer Zeit eine „Super-nova“ der Zivilisation und der Kultur zustande bringen? Ein Wort – so fanden sie heraus – kennzeichnet diesen Vorgang: „Agon“. Es bedeutet Wettstreit, Auseinandersetzung, Ringen um Wissen und Erkenntnis. Nicht als Selbstzweck, sondern als Methode der Erkenntnis.


Ob Wissenschaft, Kunst oder Politik – alles geschah als öffentlicher Diskurs. Ein beinahe spie-lerisches Pro und Kontra. Es ging und geht um die Suche nach dem praktisch lebbaren Raum zwischen den Argumenten. Als Dialog. Als Ausgleich der Interessen in Wort und Widerwort. So – und nur so – entstand die Idee eines dynamischen Gemeinwesens. Die Idee der Selbst-bestimmung, der Gewaltenteilung, der Demokratie, der Menschenrechte. Auch die Idee der Akademie. Immer in Augenhöhe und mit Augenmaß. Nicht von oben herab. Nicht als abgehobenes Glasperlenspiel, sondern mit Nutzwert für Jedermann und Jedefrau.


Helmut Qualtinger sagte einmal: „Es gibt nichts Schöneres, als dem Schweigen eines Dummkopfes zuzuhören.“ Schön ist aber auch, die Gedanken und Worte eines hellwachen Verstan-des zu erleben. Dafür ist dieses Haus seit zehn Jahren Ort und Gelegenheit.


„Perspektivwechsel – Die Bedeutung von Grenzgängern für Politik und Gesellschaft“. Ein bes-seres Thema und großartigere Gäste hätten wir für dieses Treffen nicht finden können. Grenz-gänger sind der Albtraum aller Bürokraten und der natürliche Feind aller Despoten.


Nicht jeder Grenzgänger ist ein Künstler, aber jeder gute Künstler ist ein Grenzgänger. Sie sind das Restrisiko der durchgetakteten Gesellschaft, die Pioniere des Fortschritts. Sie stürzen sich immer in ein Risiko, aber nicht blind, sondern mit sehenden Augen.


Auch der gute Text in Buch oder Zeitung ist Medium des zweiten Gedankens und der vertie-fenden Reflexion. In der Realität ist die Wirklichkeit oft anders. Wer eine Grenze entdecken will, muss sie überschreiten. Dann erweisen sich viele Grenzen: Als Faulheit des Denkens und Handelns, als verzogene Gewohnheit, als künstlich behauptet.


Ohne Grenzgänger säßen wir noch frierend in der Altsteinzeit. Wir würden sogar glauben, der Mount Everest sei im Alleingang nicht zu besteigen … Herzlich willkommen, Herr Reinhold Messner, erfolgreichster Bergsteiger und Grenzübersteiger überhaupt und auch ehedem Mitglied des Europäischen Parlaments.


Herzlich willkommen, Herr Peter Müller, Bundesverfassungsrichter und Ministerpräsident a. D. und bekennender Nach- und Vordenker mit Bodenhaftung.


Herzlich willkommen auch Frau Bettina Böttinger, die uns in ihren Sendungen mit unzähligen Grenzgängern zusammenbrachte und ihnen Kluges abverlangte. Wie bei Brecht, der den Wei-sen an der Grenze so lange stoppen ließ, bis der sein Wissen ablieferte. Sie wird das Gespräch moderieren.


Zuvor aber herzliche Übergabe an den Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In seinem Haus sind Grenzgänger der Wissenschaft das tägliche Brot.


Ich danke fürs Zuhören und freue mich aufs Zuhören. Wir alle werden in anderthalb Stunden klüger sein als wir es jetzt sind. Ich entziehe mir das Wort. Herr Professor Dr. Hoch, Pult und Mikrofon gehören Ihnen.