Vom zunehmenden Wert glaubwürdiger Medien

ZOOM – Seminar

2. Juni 2021

Einführung:
Prof. Bodo Hombach

Gastreferenten:
Dr. Susanne Gaschke
Hans Leyendecker
Julian Reichelt

Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie – nach kurzer Pause heute aus Berlin – zum dritten Kapitel unseres kleinen Seminars über den unverzichtbaren Wert unabhängiger Medien.

Medien, die uns relevante Ereignisse vermitteln und uns die Möglichkeit geben, dazu unsere eigene Meinung zu entwickeln. Ein eigenes Urteil übers Geschehen haben zu können, ist die Freiheit, die wir meinen.

Wieder haben wir besondere, hochkompetente, erfahrene und namhafte Gäste.

Sie schenken uns Zeit und ihre Erfahrungen. Dafür danke ich sehr.

Unsere wunderbaren Gäste sind sehr unterschiedlich erfolgreich. Eine Erfahrung teilen sie: Sie haben nicht nur ausgeteilt, sie mussten auch schmerzhaft einstecken. Es sind angesehene und einflussreiche Publizisten.

Ich nenne zuerst:

Frau Dr. Susanne Gaschke. Sie war u. a. Redakteurin der Zeit und schreibt heute hintergründig, freimütig und für die Welt. Ihre kühl konkrete Analyse macht Lesefreude.

Es gab auch einen Seitensprung Richtung Oberbürgermeisterin von Kiel. – Herzlich willkommen!

Julian Reichelt ist mutiger und kämpferischer Journalist.

Der Mainstream findet ihn fröhlich abwehrend, sofern er ihn nicht macht – dazu hat er durchaus das Potential.

Er begann als Volontär bei der Bildzeitung und studierte das Metier bei der Axel-Springer Akademie. 2007 wurde er Chefreporter und sieben Jahre später Chefredakteur der Internet-Ausgabe von Bild. 2017 übernahm er die redaktionelle Gesamtverantwortung für das Blatt. – Herzlich willkommen!

Hans Leyendecker war bis zu seiner (angeblichen!) Pensionierung der profilierteste Investigativ-Journalist Deutschlands.

Seit 1982 deckte er zuletzt vor allem für die Süddeutsche Zeitung (SZ) zahlreiche Affären im In- und Ausland auf.

Seine moralische Autorität waren ein Grund für die Berufung zum Präsidenten des evangelischen Kirchentages im letzten Jahr. Er ist Gründungsmitglied von „Netzwerk Recherche“ und im Beirat von Transparency International.

Ein herzliches Willkommen auch an Sie!

Bei solchen Gästen fasse ich mich besonders kurz.

Wir reden über den wachsenden Wert unabhängiger Medien. Wie wichtig, ja entscheidend sie für das Funktionieren des demokratischen Systems und einer offenen Gesellschaft sind, haben wir als Prämisse beschrieben.

Wären sie das nicht, müssten wir uns nicht damit beschäftigen. Wir müssen es aber tun, denn das Nötige ist nicht immer selbstverständlich.

Dass es unabhängige Medien überhaupt gibt, ist das Ergebnis eines langen Kampfes. Und wo es sie gibt, sind sie gefährdet. Oft genug bedroht. Sie sind es durch sich selbst, wenn sie sich unter Wert verkaufen, sich korrumpieren lassen oder ihre Berichtspflicht vernachlässigen, um eine eigene politische Agenda zu verfolgen. Meinungsblasen spalten die Gesellschaft, weil sie den Dialog untereinander zerrütten. In der Weimarer
Zeit gab es in Berlin 400 unterschiedliche Zeitungen. Die Zeitungswahl war ideologisches Bekenntnis und selbstangelegte Scheuklappe. Das erodiert die Fundamente der Demokratie. Diese lebt vom Austausch, Ausgleich und Kompromiss. Der öffentliche gebührenfinanzierte Rundfunk sollte akzeptierte Pluralität sicherstellen. Das der in Verdacht gerät, einer Weltsicht das Wort zu reden, ist aktuelles Thema.

Der medialen Unabhängigkeit drohen aber auch Gefahren von außen. Mächtige Interessengruppen versuchen, sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Lichtscheue Machenschaften empfinden kritische Journalisten als lästig – denken Sie an den DieselSkandal, Cum-ex-Geschäfte oder Wirecard.

Robuste Machthaber halten sie für ferngesteuert, überflüssig oder gar Terroristen. Sie erklären sie zum Feind, den es auszuschalten gilt.

In allen autokratisch regierten Staaten werden Journalisten bedroht und verfolgt. Jährlich werden Hunderte eingekerkert oder ermordet. Oft genügt es schon, ihre Arbeit durch repressive Gesetze einzuschränken. Das ist im Vorfeld ein schleichender Prozess. Nicht wenige Diktatoren lassen sich pseudo-demokratisch ins Amt wählen. Sie diffamieren ihre Konkurrenten. Sie arbeiten mit Fake News und anderen demagogischen Mitteln. – Das Internet bietet ihnen ganz neue und wirksame Möglichkeiten.

Nach der Machtübernahme ist es dann eine der ersten Maßnahmen, die Presse gleichund das heißt auszuschalten.

Ich frage unsere Gäste: Wie beobachten und beurteilen Sie solche Entwicklungen?

  • Täuscht mich mein Eindruck, oder liegen sie im Trend?
  • Ist die Freiheit der Medien ein schöner Traum für wenige aber eine ständige Überforderung für viele?
  • Welches sind die Symptome einer Fehlentwicklung?
  • Wie kann sich die offene Gesellschaft wehren?

Ich bin gespannt und neugierig auf Ihre Sicht der Dinge und freue mich auf Sie und unser Gespräch.

In zwei Stunden werden wir alle klüger sein als wir es jetzt sind. Ich gehe auf Empfang.