Vom zunehmenden Wert glaubwürdiger Medien 21. April 2021

ZOOM – Seminar

21. April 2021

Einführung:
Prof. Bodo Hombach


Gastreferenten:

Professor Dr. Klaus Kocks
Professor Claus Richter
Jörg Schmitt

Meine Damen und Herren,

willkommen zum zweiten „Date“ dieses Seminars. Ich begrüße mit Freude und Hochachtung unsere großartigen und erfahren Experten und hilfreichen Gäste in alphabetischer Reihenfolge :

Professor Klaus Kocks studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Germanistik und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Ab 1981 betrieb er die Öffentlichkeitsarbeit der Ruhrkohle AG und weiterer Unternehmen wie Aral, Ruhrgas und Volkswagen. Seit 2001 ist er Honorarprofessor und Lehrbeauftragter für Unternehmenskommunikation an der Hochschule Osnabrück. Natürlich ist er im Zettelkasten sämtlicher
Talkshows. Presse und Kommunikation sind sein Thema, Berufung und Beruf.

Professor Claus Richter studierte Politik, Volkswirtschaft und Germanistik. Er war Redakteur beim WDR, zunächst als Chef für das Magazin Monitor, dann als ARD-Korrespondent und Studioleiter in Warschau, New York, Ostberlin. Es folgten Singapur und Moskau. Dann abgeworben vom ZDF als Chefreporter. Seit 2002 war er freier Dozent an der renommierten Electronic Media School in Babelsberg und ist seit 2014 Inhaber des Lehrstuhls für Fernsehjournalismus an der noch renommierteren Hochschule für Fernsehen und Film München.


Jörg Schmitt studierte Journalistik, Wirtschaftspolitik und Jura in München. Er wurde Redakteur beim Stern und Spiegel und bekannt als wirkmächtiger und schlagkräftiger Enthüller von Schmuddeleien großer Unternehmen. Heute ist er Leitender Redakteur des bedeutenden Investigativressorts der Süddeutschen Zeitung.

Herzlich willkommen!

Ein paar Bemerkungen vorweg:
Glaubwürdige Medien – das ist die Grundannahme unserer Erörterung – sind von absoluter Relevanz für das demokratische System und die offene Gesellschaft. Sie schaffen Transparenz und ermöglichen dadurch Mitwirkung. Sie sollen uns ein realistisches Bild unserer Welt zeichnen und zeigen. Sie sind unser Medium, um zu verstehen, was um uns herum und in der Welt vorgeht. Ich sage oft und gern: Die freie Presse ist keine Veranstaltung für die Demokratie, sondern eine Veranstaltung der Demokratie.

Dieses hohe Gut ist kein gesicherter Besitz. Es ist ein dynamisches Projekt, eine permanente Herausforderung. Es entsteht durch Beanspruchung. Vernachlässigte Muskeln bauen ab. Oder denken sie an einen Schwimmer. Wenn er sich nicht mehr bewegt, geht er unter.#

Erschwerend kommt hinzu: Es gibt starke Kräfte, denen eine freie Presse zuwider ist. Aus vier Richtungen – so haben wir angedeutet – droht ihr Ungemach.

Ein Mosaikstein davon ist heute Thema:
Erinnern Sie sich, was in der letzten Woche die früher investigativ tätige Journalistin Frau Bröker über ihr neues Erleben mit einigen selbstdefinierten Investigativjournalisten gesagt hat: „Die haben das Ergebnis ihrer Recherche schon im Kopf, bevor sie mit der Recherche anfangen. Die suchen nur nach Belegen für ein bereits gefälltes, feststehendes Urteil. Manche scheinen auch genau diesen Auftrag zu haben.“

Journalisten können also ihre Aufgabe missverstehen und ihre Macht missbrauchen. Sie können Haltung mit der Selbstermächtigung zur Manipulation verwechseln. Sie erliegen der Versuchung, im politischen Prozess selbst mitzuregieren, anstatt sich auf ihre wichtigere Rolle zu konzentrieren: Treuhänderische Information über das politische Geschehen und Orientierung durch Kommentare. Wenn sie hier zuwiderhandeln,
werden Informationen nicht mehr sorgfältig recherchiert und überprüft. Sie werden unterdrückt oder in ihrer Relevanz unsachgemäß gewichtet. Es herrscht selektive Wahrnehmung, im schlimmsten Fall bewusste Manipulation. Interviews werden zum Tribunal. Exponenten des öffentlichen Lebens werden in die Falle gelockt, vorgeführt, an den Pranger gestellt.

Das ist nicht nur individuelles Unvermögen oder Charakterschwäche. Drei Faktoren wirken als Verstärker eng zusammen:

  • Konkurrenzdruck auf dem hart umkämpften Markt der öffentlichen Aufmerksamkeit.
  • Monopolstellung bestimmter Schlüsseljournalisten und ihrer Medienplattform.
  • Homogenisierung des journalistischen Feldes aufgrund von Konzentration und Kostendruck.
  • Verknappung des Zeit-Budgets verhindert Sorgfalt, ruhiges Abwägen und Selbstkritik.

All dies kann in der Summe zu einer verzerrten Darstellung der politischen Welt und der gesellschaftlichen Realität führen. Statt sachlicher Beschreibung und Analyse wird gerne Gezänk und Geschacher in den Vordergrund gezerrt. Psychologisierende Diagnosen, Personalisierung und „Beziehungskisten“ überwuchern oder verdrängen faktentreue Information. Die klassischen sechs „W“ des Journalismus: Was, wer, wo,
wann, wie, warum reduzieren sich auf „Wer gegen wen?“ – Am Ende haben wir den „Reporter des Satans“, wie ihn Kirk Douglas im gleichnamigen Film spielte: Ein mittelmäßiger Journalist legt selbst das Feuer, über das er dann als erster berichten kann.

Ein solcher Trend muss uns beunruhigen. Er ist eine ständige Grenzverletzung. Die Selbstüberhöhung der „Unbelangbaren“, wie Thomas Meyer sie nannte, ist im Grunde Selbstentwertung. Sie delegitimiert die Presse als dringlich wichtigen Faktor unseres Systems. Anstatt eine erschlaffende Demokratie zu beatmen und ihr immer neue Impulse zu geben, füttert sie den Patienten mit Placebos. Das Vakuum, das sie hinterlässt, füllt sich mit autoritären Versuchungen und gezielter Desinformation durch sprungbereite Ideologien.

Bevor Sie mich missverstehen: Es gibt in unserem Land ganz hervorragende Zeitungen, Sender und großartige Journalisten. Sie drängen sich nicht auf, aber man findet sie. Ihnen verdanken wir Überblick und Durchblick. Die Schwarzen Schafe der Branche zeigen und demonstrieren nur, was wir an den anderen haben. Wir haben sie, die ausgewiesen klugen und wahrheitsliebenden Medienmenschen, in unserem Seminar zu Gast. Keineswegs Schafe, sondern eher Hütehunde mit Aufmerksamkeit und Wehrhaftigkeit.


Weil wir unabhängige, möglichst objektive, faktentreue ja geradezu wahrheitssüchtige Medien brauchen, sollten wir sie beschirmen und finanzieren, aber auch Fehlentwicklungen erkennen und kritisieren.
Ich danke den wunderbaren Gästen und überlasse das Wort gerne, weil auch ich in zwei Stunden klüger sein will als ich es jetzt bin.