Ende der Akademisierung? Welchen Stellenwert hat die berufliche Bildung?

Begrüßung von

Professor Bodo Hombach

15. März 2021

Ich grüße herzlich unsere Zuschauenden und auch die großartigen, hochrangigen teilnehmenden Gäste.

Pandemie ist kein Ereignis wie andere. Sie hat keinen linearen Verlauf. Sie verhält sich vegetativ. Sie fesselt vieles und viele. Betroffenheiten unterscheiden sich. Es gibt zahlreiche Pandemien: Die der Kranken und Toten. Die der Familien, der Gastgeber, der Einzelhändler, der Kulturschaffenden und auch der unverschämten Glücksritter.
Enorm betroffen sind: Kitas, Schulen, Universitäten. Lernen leidet unter Abstand. Ein Stresstest im Wortsinne.

Talente brauchen Entfaltung. Talente haben individuelle Formen. Sie dürfen das Unmögliche wollen, um das Mögliche zu erreichen. Alle wollen Ausbildung, um durch Einkommen Auskommen zu haben.

Für prekäre Haushalte sind die Karten schlecht gemischt. Vielen Kinder fehlt die richtige Mischung von Anregung und Geborgenheit. Nicht wenige akademisch gebildete Eltern sehen ihr Kind als „Projekt“. „Wer bist du eigentlich?“ tritt hinter die Frage „Warum bist du nicht wie wir?“ zurück. Auch das produziert Scheitern – zumindest Umwege.

Konkretes Wissen und Können wird dringlich gebraucht. Die Fähigkeit, beherzt zuzupacken, darf nicht verkümmern. Pandemie maskiert Gesichter. Sie demaskiert Defizite.

Ich benutze einen Leitartikel der ZEIT: „Masken, Impfen, Testen. Auf allen Feldern, wo man der deutschen Politik Planung, Vorsorge und Organisationsvermögen zugetraut hätte, enttäuscht sie diese Erwartung“.

Mein Argwohn: Wir wälzen die Probleme, statt sie zu lösen. Ich erlausche Widerhall einer Art „Intellektualismus“. Abstrakter Disput scheint Mode. Sprechshows erschöpfen. Demzufolge ist Pragmatismus angesichts eilig drängender Herausforderungen einzufordern. Zeitvergessene Politikmache in der Grüppchengesellschaft hat es schwer, falsche Wege zu meiden. Eigentümlicher Weise kann man zu schlau werden, um das Naheliegende zu erkennen und zu handeln.

Die Worte „gesunder Menschenverstand“ landen demnächst gewiss auf dem Tisch der „Unwort-Kommission“. „Von des Gedankens Blässe angekränkelt verliert es den Namen ‚Tat‘“, sinniert einer in Shakespeare‘s Hamlet.

In weniger poetischen Worten frage ich: Ob es eine verkrampfte Akademisierung der deutschen Bildungslandschaft gibt?

Des großen Lord Dahrendorf durfte ich Stellvertreter in einer intensiv arbeitenden Regierungskommission sein. Er nahm meinen Vorschlag an, im Bildungskapitel über „Befähigung“ statt „Bildung“ zu reflektieren. Wir sahen einen Trend, der Jugendliche hinderte, sich angemessen zu entwickeln. Die Hauptschule ist verdunstet. Auch die Realschule gilt vielen als Verliererstraße. Gymnasium und Abitur erscheinen als „Muss“
für höherwertige Berufskarrieren.

In den Stunden der Wahrheit – an der Uni – werden manche richtig traurig.

Die Zukunft Deutschlands wird als „Wissensgesellschaft“ ausgelegt. Rohstoffarm, müssen es die Synapsen richten. Überfluss an Akademikern kann Mangel an Fachkräften nicht ausgleichen.

Immerhin gibt es das „Duale System“ – weltweit als Modell gewürdigt. Es erzeugt Grenzverkehr zwischen Hörsaal und Werkbank. Praxiserfahrung ist das beste Mittel gegen Elfenbeintürme. Praxis-Schock kann heilsam sein.

Seit drei Jahren ist Frau MdB Anja Karliczek Bundesministerin für Bildung und Forschung im 4. Kabinett Merkel. Unser Thema ist ihr tägliches Brot. Sie steht für die Suche nach neuen Berufsbildern, die zur Akademisierung Alternativen bieten. Man erkennt: Sie fährt lieber im Kreisverkehr mit vielen Ein- und Ausgängen als in Einbahnstraßen oder gar in eine Sackgasse.

Ebenfalls die Ehre gibt uns Professor Dr. Dr. h. c. Michael Hoch. seit sechs Jahren ist er der 143. Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Ein Haus von herausragender Qualität, von wissenschaftlicher Exzellenz und Modernität seines Managements.

Ein herzliches und respektvolles Willkommen Ihnen beiden.

Gastgeberin ist BAPP, die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik. Der Name ist Programm. Ein idealer Schauplatz für diese Begegnung.

Der leitende Redakteur des Senders, der Gebühren rechtfertigt, phoenix, Herr Michael Krons, wird unsere wunderbaren Gäste zu Beginn der Diskussion protokollgerecht vorstellen. Er wird moderierend das Beste aus ihnen herausholen.

Schon jetzt ist sicher: Wir alle werden in 90 Minuten klüger sein als wir es jetzt sind.
Dafür vorauseilender Dank!
Herr Prof. Dr. Hoch, schön, dass Sie sich Zeit für uns und mit uns nehmen.
Bitte übernehmen Sie.