Vortrag „Unruhiges Südosteuropa Eine europäische Region in und vor schwierigen Zeiten“, mit S.E. Botschafter Gordan Bakota

Gastreferent:

S.E. Botschafter Gordan Bakota

Einführung:
Prof. Bodo Hombach

24. Juni 2020

Exzellenz Herr Botschafter Bakota,
verehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie und unseren ganz besonderen Gast: Botschafter Gordan Bakota studierte Jura an der Universität Zagreb und in Washington. Er bekam sehr wichtige Rollen im Außenministerium der Republik Kroatien, wurde Botschafter in Österreich, in der Türkei und in verschiedenen Staaten der Russischen Föderation. Gegenwärtig ist er Botschafter von Kroatien in Berlin.

Man wird kaum einen besseren Kenner der „unruhigen Region“ finden. Wir können uns auf seine Kenntnisse und Einsichten freuen.

Vorab ein paar Aspekte, die unser heutiges Thema mehr umreißen als behandeln.

„The Future We Want“ – Die Zukunft, die wir wollen. So heißt Name und Motto eines
Jungendprojets im westlichen Balkan. Jugendliche treffen sich an wechselnden Orten in verschiedenen Ländern zu länderübergreifenden Friedensaktionen. Für sie ist das keine „nette Idee“, sondern lebenswichtiger Ernst. Die Nachkriegsgesellschaften ihrer Länder sind von tiefen Gräben durchzogen. Ihr ganz persönliches Umfeld kennt Spaltung
und Ausgrenzung. Sie erleben die Traumata ihrer Eltern ganz nah und immer wieder neu. Sie wollen der nationalistischen Rhetorik in den gelenkten Medien nicht folgen.

Gegen Vorurteile, Diskriminierung und Gewalt wehren sie sich mit Fantasie und Kreativität. Sie wollen ihre Zukunft in die eigene Hand nehmen.

Zukunft. Was steht auf der Agenda?

Wichtige Aufgaben sind: Stabilität und Sicherheit in der Region. Aufbau einer nachbarschaftlichen Solidarität. Vertiefung des Demokratiebewusstseins und der Rechtsstaatlichkeit als Legitimation staatlicher Institutionen. Eine bürgerorientierte Verwaltung braucht Transparenz und Beteiligung.

Es geht um die einzelnen Staaten und zugleich um die interregionalen Beziehungen. Alle Handlungsfelder sind gegenseitig vernetzt. Sie hängen voneinander ab. Das macht Politik zu einer spannenden und komplexen Herausforderung. Nicht der raffinierte Trick, sondern einfühlsames Denken ist die geeignete Methode.

Süd-Ost Europa ist in gärender Bewegung. Wer die Armutswanderung nach Westeuropa verstehen will, sollte nicht von den Konsequenzen ausgehen, sondern von den Ursachen. Hilfreiche Stichworte sind: berufliche und soziale Kompetenz, Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt, Aufstiegschancen.

Interregional geht es um gegenseitige Toleranz und grenzüberschreitende Aktivitäten auf allen Ebenen. Gemeinden kooperieren bei Projekten der Infrastruktur. Sie bündeln ihre Kräfte und tauschen Erfahrungen aus. Junge Diplomaten lernen an den Universitäten regionale Strategien. Internetplattformen führen Jugendorganisationen zusammen.

Gemeinsame Projekte entwickeln ein gemeinschaftliches Bewusstsein. Der Satz gilt auch umgekehrt: Neue Perspektiven und beharrlicher Reformwille produzieren konkrete Schritte und Ergebnisse.

Politische Beobachter sehen Verbesserungen beim Thema „Sicherheit“. Andererseits gibt es eine Infiltration radikaler Islamisten, die das Erreichte durch terroristische Attacken gefährden. Das betrifft dann nicht nur den einzelnen Staat, sondern immer auch die gesamte Region. Eine latente Gefahr sind die ungelösten ethnischen Rivalitäten. Sie sind fast immer ohne sachliche Substanz. Aber sie eignen sich als Trägerwelle für Spaltung und Hass. Der Frieden war immer und ist ein fragiles Element.

Schließlich ist der Zugang zur EU-Mitgliedschaft konstitutiv. Gegenwärtig haben nur Serbien und Montenegro einen klaren Zeitrahmen bis 2025, um die nötigen Bedingungen zu erfüllen. Die EU selbst hat zu viel eigene Probleme, um sich von einer Erweiterung Vorteile zu versprechen. Man möchte Stabilität exportieren, aber keine Instabilität importieren.

Das Ganze geschieht vor einer sich ständig wandelnden geostrategischen Neuordnung der Weltkarte. Die EU ist Puffer zwischen den geschwächten USA, den hegemonialen Avancen der Russischen Föderation und Chinas.

Würde man mich fragen, wo ich die Zukunft der Region sehe, würde ich lange zögern und am Ende vielleicht sogar passen. Eines ist jedoch klar. Südosteuropa hat eine Zukunft. Es ist nicht der „Hinterhof“ Europas. Es muss im Fokus des Interesses bleiben, nicht nur der Interessen. Es ist ein attraktives Projekt, nicht nur in seinen Krisen. Die außenpolitische Beauftragte der Europäischen Kommission Federica Mogherini brachte es auf eine prägnante Formel: „Frieden auf dem Balkan bedeutet Frieden in Europa.“

Herr Botschafter, wie sehen Sie die „Lage der Region“? Sie sind Garantie dafür: Wir sind gleich deutlich klüger als wir es gegenwärtig sind.
Dafür vorauseilenden Dank.