Vortrag „Der unruhige Balkan Süd-Ost-Europa vor schwierigen Zeiten“, mit Oliver Vujovic

Gastreferenten: Oliver Vujovic

Begrüßung/Einführung:
Professor Bodo Hombach

10. Juni 2020

Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie und unseren Referenten zu einem weiteren Zoom-Meeting in Sachen Süd-Ost-Europa. Der heutige Gast ist die Antwort auf Ihr erkennbares Interesse für die Medienlage in der Region, mit der wir uns beschäftigen. Sie ist tatsächlich einer der bedeutendsten Indikatoren für den gesellschaftlich/ politischen Zustand. Wir können für Ihr Interesse keine kompetentere und erfahrene Persönlichkeit finden als unseren heutigen Gast.

Herr Oliver Vujović ist Gründer der South East Europe Media Organisation (SEEMO) in Wien und deren Generalsekretär seit 2000. Zuvor war er Balkan-Korrespondent der Tageszeitung Die Presse. 1999 gründete er zusammen mit Christine von Kohl die Zeitschrift BALKAN Südosteuropäischer Dialog. – Herzlich willkommen und großen Dank, dass Sie uns mit Ihrer Expertise unterstützen werden.

Vorab zur Erinnerung einige Aspekte, die uns heute besonders neben der konkreten Mediensituation beschäftigen sollen:

Ziel jeder europäischen Balkanpolitik war und ist die Integration der in sich vielfach gespaltenen Region. Es herrscht Konsens darüber, dass sich die EU einen latenten Konfliktherd an ihrer süd-östlichen Flanke nicht leisten kann und will.

Die Aufgabe war immer schon wichtig. Inzwischen ist sie dringlich, auch weil die geostrategischen Karten neu gemischt werden. Während die westliche Führungsmacht USA unter ihrem irrlichternden Präsidenten erhebliche Schwächen zeigt und sich aus internationaler Verantwortung zurückzieht, zeigen sich aus Moskau revisionistische Tendenzen. Von dort stellt man unerwartete Ergebnisse der Wende von 1989 in Frage. Man fühlt sich von der NATO eingekreist und von Europa ausgegrenzt. Gleichzeitig ist der Aufstieg Chinas zur Weltmacht angesagt. Die Systeme sind ideologisch so unterschiedlich, dass sie nicht auf Zusammenarbeit, sondern auf Sieg setzen. Das cooperative Konzept der EU empfinden sie als Störfaktor bzw. gestaltungsunfähig und schwach. Die Balkanregion ist da willkommener Schauplatz für Einflussnahmen aller Art.

Der Stabilitätspakt für Süd-Ost-Europa von 1999 mit der Unterschrift von 40 Staaten wäre heute kaum mehr vorstellbar. Auch damals gab es erhebliche Differenzen zwischen wichtigen Mitgliedsstaaten über die Beurteilung der Lage und die nötigen Initiativen. Unstrittig war aber die Förderung gutnachbarlicher Beziehungen durch Dialog, Kontakte und Zusammenarbeit auf allen Ebenen der zivilen Gesellschaft.

Dabei ging man neue Wege. Nicht Reaktion, sondern Prävention. Nicht wahllos gestreute Projekte, sondern Fördern und Fordern. Hilfsgelder waren konditional, d. h. an Eigenleistungen und Zusammenarbeit geknüpft. Langfristig ging es um den Aufbau rechtsstaatlicher Verhältnisse, demokratischer Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung.

Es liegt auf der Hand, dass bei allen Initiativen und Prozessen eine transparente Kommunikation nötig war. Nur eine unabhängige Presse und professionell arbeitende Medien konnten den öffentlichen Diskurs ermöglichen und begleiten. Eine “Task Force Medien” sollte dafür die Voraussetzungen schaffen, z. B. durch eine Medien-Charta mit der OECD und Bündnisse mit potenten Verlagen im Westen.

Der Erfolg war eher schwach. Unsichere Regierungen und selbstsichere Oligarchen stemmten die Hacken in den Sand. Man unterschied zwischen nützlicher und schädlicher Information. Kritische Journalisten wurden als Staatsfeinde markiert und leben gefährlich. Die Medienfreiheit steht nur auf dem Papier. Das Bewusstsein von einem funktionierenden Pressewesen als Eckpfeiler der demokratischen Gesellschaft ist unterentwickelt.

Was ist zu tun? EU-Kommissar Günther Oettinger will die Vergabe europäischer Gelder an die Respektierung europäischer Werte binden. – Darunter würden die Menschen leiden, die den geringsten Einfluss haben. Matthias Döpfner, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), setzt auf unternehmerisches Engagement. Eine Konferenz in Sofia trug 2018 zur Klärung der Probleme bei. Sie soll fortgesetzt werden. Ein “Media Freedom Advocacy Fund” ist angekündigt und will konkrete Projekte fördern.

Bei alledem hat der Westen Grund zur Bescheidenheit. Auch hier nämlich gibt es eine politische Radikalisierung durch den Missbrauch von Pressefreiheit, Fake News und Desinformationskampagnen, vor allem in den Sozialen Medien.

Soviel von mir zur Eröffnung unseres Treffens. Herr Oliver Vujovic wird sich dem Thema nun mit Lupe und Skalpell, aber auch dem großen Überblick nähern. Ich freue mich darauf und bin gespannt.