Vortrag „Der unruhige Balkan Süd-Ost-Europa vor schwierigen Zeiten“, mit Dr. Markus Ederer

Gastreferent: Dr. Markus Ederer

Einführung:
Prof. Bodo Hombach

13. Mai 2020

Verehrte Damen und Herren,

ZOOM machts möglich. – Für unser heutiges Thema haben wir einen besonders kompetenten, hochkarätigen und erfahrenen Gast. Der war nicht nur Zuschauer und Analytiker, sondern Gestalter in der Region, über die wir reden.

Sie haben oder werden einen Film, den unser frühere Kollegin Professor Dr. Marie-Janine Calic aus der Stabilitätspakt-Zeit wissenschaftlich beraten hat, gesehen oder sehen. Sie lehrt heute Ost- und Südosteuropäische Geschichte an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Dazu haben Sie schon Fragen eingereicht. Die Gelegenheit besteht bis zum 17. Juni. Dann „zoom“en wir Frau Prof. Dr. Calic zu uns. Der Film über den Zerfall Jugoslawiens endet da, wo Dr. Ederer und ich angesetzt bzw. nach dem Krieg angefangen haben.

Deshalb ist der heutige Termin mit Herrn Botschafter Dr. Ederer eine wunderbare Kombination.

Der Film dokumentiert den Zusammenbruch Jugoslawiens und damit die Ausgangslage in Südosteuropa. Die war äußerst schwierig. Nichts passte zusammen. Es gab enorme Zerstörungen und einen Vorrat an Hass für die nächsten Generationen. Die Zukunft der Region war ungewiss und prekär.

In dieser Situation beschloss ein ungewöhnlich großer internationaler Zusammenschluss ( Herr Dr. Ederer wird dieses einzigartige Mandat gleich erläutern) einen „Stabilitätspakt für Südosteuropa“. Mir gab man die Aufgabe des Sonderkoordinators. Die EU war mit im Boot. Brüssel hatte den Auftrag, uns administrativ zu betreuen. – Klammer auf: Sie tat es mit „langen Zähnen“. Bei der wöchentlichen Sitzung des Rates der Außenminister hatte ich fest reservierte zehn Minuten, um über den Sachstand zu berichten. Es kam vor, dass der Kommissions-Vertreter vom erfolgreichen Abschluss eines Projektes schwärmte, von dem ich durch eigene Anschauung wusste, dass es noch gar nicht begonnen hatte. Ich hab das dann freimütig enthüllt.

Was macht man mit einem solchen Spielverderber? Man schickt ihm die Rechnungsprüfer ins Haus. Was zweimal geschah. Ohne Beanstandung und zum Verdruss der Auftraggeber mit Lob. Ich bekam sogar den „Bronzenen Stier“ des Bundes der Steuerzahler für besonders korrektes Finanzverhalten. – Klammer zu. Dafür noch heute Dank an Herrn Dr. Ederer und die zuständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Der Stabilitätspakt für Südosteuropa ging auf eine Initiative der deutschen Außenpolitik zurück. Er wurde 1999 in Köln beschlossen und in Sarajewo unter dem Vorsitz von Bill Clinton offiziell gegründet. Am Tisch saßen sämtliche Mitglieder der EU, die Balkanstaaten, alle Staaten Südosteuropas, auch die Türkei, sowie Russland, Kanada, Norwegen, Japan und die Vereinigten Staaten. Der US-Präsident hatte den Vorsitz. Zum ersten Mal entstand hier ein Instrument der internationalen Gemeinschaft mit dem Ziel, eine ganze Region zu befrieden; durch ein umfassendes, aktives Herangehen an ihre Probleme. Es gab eine – heute nicht mehr vorstellbare – Bereitschaft, gemeinsam zu tragfähigen Ergebnissen zu kommen.

In einer so zerfallenen Region war Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen das oberste Gebot. Deshalb forderte das Konzept eine große Konditionalität. Das heißt: Es wurden fast nur grenzüberschreitende Projekte gefördert, um Kooperation zu erzwingen und einzuüben. Und möglichst solche, die sich dann auf eigenen Beinen dynamisch verzweigen konnten. Es wurde viel erreicht, und es ist aber noch sehr viel zu tun.

2008 wurde der Stabilitätspakt durch den „Regionalen Kooperationsrat für Südosteuropa“ abgelöst.

Unser heutiger Gast ist seine Exzellenz Dr. Markus Ederer. Er studierte Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen. 1999 ging er als Diplomat nach Brüssel. Er wurde der Kabinettschef für den Stabilitätspakt Sudosteuropa. Ich erlebte seine hohe Kompetenz und sein diplomatisches Gespür. In seinem Stab versammelten sich Diplomaten aus 14 Staaten. Klugerweise wurden sie nicht von der EU bezahlt, sondern von ihren Heimatländern. Das gab ihnen in Brüssel Gewicht und schützte sie in ihren Länden vor dem Verdacht, nur nach der Brüsseler Flöte zu tanzen. Er hat diesen Pakt auch wesentlich konzipiert und etabliert. Er wird dessen Ideen und seine Praxis erläutern. Wir haben zeitgleich unser Engagement in Brüssel beendet. Er ging als Diplomat in die Führungsetage des BND.

Unser Gast wurde später EU-Botschafter in Peking, dann beamteter Staatssekretär im Außenamt. Hier bereitete er maßgeblich die Verhandlungen zum Minsker Abkommen in der Ukraine-Krise vor. Danach ging er als EU-Botschafter nach Moskau.
Und nun ist er Gastreferent unseres kleinen Seminars. – Mehr kann man gar nicht erreichen.

Herr Dr. Ederer, Sie haben das Wort.