Diskussionsveranstaltung„Im Namen des Volkes – über die Akzeptanz und Vermittelbarkeit von Gerichtsurteilen“

Begrüßung & Einführung
Professor Bodo Hombach

05. März 2020

Verehrte Damen und Herren,

Verehrte Damen und Herren,
verehrter Herr Minister Biesenbach,
verehrte Frau Stockinger,
verehrter Herr Prof. Dr. Höcker,
verehrter Herr Dr. Bräutigam,
verehrte, liebe Frau Oster,

es ist Ihr Privileg, diese geballte Kompetenz zu moderieren. Sie werden diese Persönlichkeiten gleich protollgerecht vorstellen. Ich darf Sie und unsere großartigen Gäste – im Namen aller hier – herzlich begrüßen.

Ein Hollywood-Thriller hatte den deutschen Titel „Ein Mann sieht rot“. Charles Bronson spielte einen Durchschnittsbürger. Der verlor durch einen grässlichen Mord Frau und Tochter. Der Täter kam mit mildem Urteil davon. Bronson wurde zum Kohlhaas. Er nahm die Sache in die eigene Hand. Ohne Polizei und Justiz zu bemühen, brachte er zahlreiche
Gangster zur Strecke. Die Öffentlichkeit wachte auf. Man spendete ihm Beifall. Klammheimlich auch bei der Polizei. Der Staat konnte nicht dulden, dass man ihm das Gewaltmonopol entzog. Der Jäger wurde zum Gejagten. Man ahnt, wie die Sache endete.

Der Film hatte einen explosiven Breitenerfolg. Die Leute haben sich identifiziert. Soziologen forschten und schrieben darüber. Ist der Staat nicht willens oder fähig, zivile Sicherheit seiner Bürger zu garantieren, fordern diese die Gewalt zurück, die sie ihm geliehen haben. Ein brandgefährlicher Zustand. Es wäre das Ende von Rechtsstaat und Zivilisation. Rückfall in die Anarchie. Ich hörte von Jura-Studenten: Hauptziel des Rechtswesens sei nicht Gerechtigkeit. Es soll vor allem Konflikte beenden. Es soll gestörten Rechtsfrieden wiederherstellen.

Der Rechtsfrieden leidet:

• wenn Vermögensschaden schärfer verurteilt wird als Personenschaden,
• wenn man Kleine fängt, Große laufenlässt,
• wenn Jagdgebiete krimineller Clans wie rechtsfreier Raum erscheinen,
• wenn „political correctness“ Dinge nicht mehr beim Namen nennt,
• wenn übelste Beleidigungen als „Meinungsfreiheit“ gelten.

Zwei Raser in Köln töten eine junge Frau. Die Quittung lautet anderthalb Jahre. Für den Totraser von Moers lebenslänglich. Recht ist dehnbarer als das Vertrauen der Gesellschaft. Die Leute haben schon immer mit einzelnen Urteilen gehadert. Das „natürliche“ Rechtsempfinden deckt sich selten mit der juristischen Entscheidung. Wenn das zu weit auseinanderdriftet, beginnt eine schwierige Systemdebatte.

Seit September 2019 läuft die Kampagne des Bundesjustizministers „Wir sind Rechtsstaat“. Er soll „sichtbarer und verständlicher“ werden. Er soll sich als durchsetzungsfähig zeigen. Rechtsstaatlichkeit schützt auch vor staatlicher Übergriffigkeit. Staatliches Handeln bedarf gesetzlicher Grundlagen. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Vordergrund steht nicht Rache, sondern der Schutz der Allgemeinheit. Da heißt es aber
konsequentes Handeln. Sobald ein begründeter Verdacht entsteht, muss der Staatsanwalt ermitteln. Wenn Verbrechen langfristige Folgen für Opfer haben, aber Täter vergleichsweise folgenlos davonkommen, zuckt die Gesellschaft zusammen.

Eine anhaltende Störung des Rechtsfriedens beschädigt das öffentliche Verhalten. Ungeahndete Regelverletzung ist ansteckend wie ein Virus. Auch der individuelle Schutz davor verändert Zusammenleben.

In den Megastädten Südamerikas, Asiens und Afrikas kann man das besichtigen. Häuser und Wohnungen verwandeln sich in Festungen. Wenn die Übeltäter frei herumlaufen, begibt sich der Normalo freiwillig hinter Gitter.

Im demokratischen Rechtsstaat bezieht die Regierung ihre Legitimation aus der Zustimmung der Regierten. Auch die beste Verfassung braucht Bürger, die sie kennen, anerkennen und mit Leben erfüllen. Als Nichtjurist werde ich nicht zu weit vorpreschen. Ich will begründen, dass wir ein wichtiges Thema haben.

Wir schätzen unseren Rechtsstaat. Hier ist niemand, der seine Bedeutung bezweifelt. Das tun auch Autokraten nicht. Die haben ringsum auf dem Globus Konjunktur. Das Rechtswesen ist ihnen so wichtig, dass sie es sofort und gründlich unterlaufen. Das soll ihre Macht sichern.

„Das Wesen der Tat ist abgrundtief“, heißt es in einer Schrift der alten Inder. Trotz dickleibiger Gesetzbücher geht es ständig um Grenzwertbestimmungen. Innere Sicherheit des Staates ist hohes Gut. Innere Freiheit auch. Wir hoffen auf Richter, die zwischen beidem klug unterscheiden. „Im Zweifel für den Angeklagten“.

Der Alte Fritz hatte einmal ein Urteil abzuzeichnen. Ein Dieb hatte kirchliches Gerät gestohlen. In der Verhandlung behauptet er steif und fest, die Jungfrau Maria hätte es ihm geschenkt, geradezu aufgedrängt. „Wenn das so ist“, urteilte der König, „dann müssen mildernde Umstände gelten.“ Der Lump müsse allerdings beschwören, nie wieder ein Geschenk von der Gottesmutter anzunehmen.

Wir werden klüger gehen, als wir gekommen sind. Das garantieren unsere wunderbaren Gäste. Dafür vorauseilender Dank! Herr Minister, ich räume das Pult für Sie.