Diskussionsveranstaltung „Macht und Ohnmacht in der Politik – Über Kunst und Risiko guter Regierungsarbeit“

Begrüßung
Professor Bodo Hombach

2. Dezember 2019

Sehr geehrter Herr Minister Dr. de Maizière!

Sie haben ein kluges und erhellendes Buch geschrieben. Hintergründiges wird ausgeleuchtet. Vordergründiges bloßgestellt. Ihr Buch, Herr Dr. de Maizière, erinnert an die Treuhänderrolle des Staates. Sein Titel hätte auch sein können: „Ich dien!“ Das wäre dann nicht Ausdruck bourgeoiser Trägheit, sondern von republikanischem Stolz. Mancher kann sich nicht kleiner machen, weil er nicht groß genug ist. Sie sind es! Politiker als Realitätssimulanten, die sich umkostümieren und das Gewünschte statt des Machbaren propagieren, sind nicht Ihr Ding. Bei uns hier sind Sie damit sehr willkommen. Im Namen – aller hier – begrüße ich Sie herzlich in der Gründungshauptstadt Bonn.

Bei mehr als bisher 100 Einführungen habe ich noch nie Redezeit verschenkt. Heute mache ich es. Aus Respekt und Willkommens – Zeichen gebe ich die Hälfte an unseren Gast.

Lieber Herr Pofalla, das auch, weil Sie mich erfolgreich ins anschließende Podium gelockt haben. Auch das ist neu. Sie sind der neue Kuratoriumsvorsitzende der BAPP.

Unsere Moderatorin Frau Ulrike Demmer hat eine mehrfach ausgezeichnete Karriere als Journalistin bei wichtigen Medien der Republik hinter sich. Nun erlebt sie als stellvertretende Regierungssprecherin, dass die Vermittler der politischen Realität diese allzu oft selbst verkürzt, verzerrt oder unterkomplex wahrnehmen.

Die wunderbare Chance, Sie Frau Demmer und Sie Herr Pofalla hier zu haben, begrüße ich – im Namen aller hier – sehr herzlich.

Verehrte Damen und Herren,

über „Macht und Ohnmacht in der Politik“ grübeln wir seit Solon, Sokrates, Kleisthenes und Platon. Bibliotheken wurden gefüllt. Geschichte und Gegenwart sind randvoll mit Versuchen, das Problem der Macht in den Griff zu bekommen. Mal geglückt, oft gescheitert.

Eigentlich unbegreiflich: Wir bauen Kathedralen und komponieren Neunte Sinfonien. Wir transplantieren Organe. Wir fliegen zum Mars. Wir hantieren mit subatomaren Teilchen und kosmischen Schwarzen Löchern. Da lernen wir aus Fehlern hinzu. Beim intelligenten Umgang mit der Macht verbleiben wir wie blutige Anfänger. Das darf man wörtlich nehmen.

Ich wage keine Erklärung, allenfalls ein paar Vermutungen: Die Versuchungen der Macht und die der Unterwerfung wurzeln tief im Unterbewussten. Jeder heutige Säugling ist so dumm wie der neugeborene Neandertaler. Politisches Denken fängt immer bei Null an. Natürlich: Das Haltbarkeitsdatum geschichtlicher Erfahrungen verlängert sich in Traditionen, Verfassungen und Gesetzen. Die müssen aber gelernt, trainiert und verteidigt werden. Sonst verlieren sie sich wie ein unbenutzter Muskel.

Anwesende ausgeschlossen: Der Griff nach der Macht lockt vor allem unbedachte Täternaturen. Die Weisen haben eher Skrupel und bedenken die Folgen. Sie suchen Sinn in der Machtnutzung. Das verschafft Machtgrabschern einen Wettbewerbsvorteil.

Auch in der Demokratie sind Weisheit und geschickter Umgang mit Macht eine seltene Doppelbegabung. Hier aber sorgen weise Institutionen für Ausgleich. Sie unterscheiden Amt und Person. Sie ermöglichen kritischen Diskurs und geregelten Machtwechsel. Fehlentscheidungen sind reversibel. Alternativen kommen leichter ins Spiel.

Die Uhr dieses kostbaren Treffens tickt. Ich rette mich und Sie in ein Bonmot über die langweilige Trägheit der Demokratie: Die macht normale Menschen verrückt und bringt Verrückte zur Vernunft.

Aber: Nichtstun ist keine Lösung. Der entscheidungsschwache Politiker macht wenig sichtbare Fehler. Aber: Er ist der Fehler und Gefahr für das System. Mein Stichwort: Wirkmächtigkeit.

Hier springt mir Bertolt Brecht zur Seite. Ich überlasse ihm gern das Schlusswort: „Den Unbedenklichen, die niemals zweifeln, begegnen die Bedenklichen, die niemals handeln. Sie zweifeln nicht, um zur Entscheidung zu kommen, sondern um der Entscheidung auszuweichen. Ihre Köpfe benützen sie nur zum Schütteln. Mit besorgter Miene warnen sie die Insassen sinkender Schiffe vor dem Wasser.“

Ich freue mich auf das Gespräch. Ich bin entschlossen, diesen Saal klüger zu verlassen als ich ihn betreten habe. Dafür werden Sie alle sorgen. Und dafür vorauseilender

Dank! Herr Dr. de Maizière … Ihre Bühne!