„Moderne Industriepolitik – (k)ein Widerspruch zur Sozialen Marktwirtschaft?!“ BAPP, 14. Juni 2019
Begrüßung durch Prof. Bodo Hombach
14. Juni 2019
Sehr verehrte Gäste,
sehr verehrte Damen und Herren,
Bill Clinton hatte die höchste Staatsverschuldung in der Geschichte der USA vorgefunden. Ein jährliches Defizit von 200 Milliarden Dollar hielt er nicht für den richtigen Way of Life. Auch in einer Demokratie kann man einen seriösen Haushalt und ernsthafte Reformen politisch überleben, wenn man Popularisierung nicht Populisten überlässt.
Beim zweiten Antritt 1996 gewann er grandios mit dem Slogan: „It’s economy, stupid!“ (Es ist die Ökonomie, Dummkopf!). Man muss erst verdienen, was man ausgibt und für die Rettung der Welt einsetzen will. Clinton konnte Sozialpolitisches und Ökologisches auf den Weg bringen und Steuern senken. Ab 1998 hat er im Bundeshaushalt Budgetüberschüsse ausgewiesen.
Wirtschaftspolitik kann wirken. Denken und Wählen in ökonomischen Zusammenhängen und Interessen gab es bei uns auch mal.
Gegenwärtig wird das Klimabarometer sehr aufmerksam beobachtet. Das auf Sturm stehende Polit- und Ökonomiebarometer wird eher im Zustand fideler Resignation wahrgenommen. Der Überblick verliert sich angesichts vieler Brandherde.
Der seltsame Mann im Weißen Haus hat den Wirtschaftskrieg angezettelt. Der eskaliert zum (noch) kalten Krieg. Das Abwiegelnde: „Der will doch nur spielen – der tut doch nichts!“ – überzeugt selbst die Börse nicht mehr.
Es gibt schwierige Fragen, da muss ein Könner ran. Deshalb danke und begrüße ich Hans-Jürgen Jakobs, den Autor und Senior Editor des Handelsblattes.
Energie will erzeugt, transportiert und bezahlt werden. Deutsche Ingenieurskunst, häufig noch Spitze, zeigt Schwächen in Anwendung und Umsetzung. In argumentationsarmer Zeit hofft man auf orientierendes Licht am Horizont. Es gibt gute Gründe, einen treuen Diener dieser Republik in die Gründungshauptstadt einzuladen. Der hat das Staatsschiff schon durch Sturm und Untiefe gesteuert.
Es gibt auch gute Gründe, den Chef eines interessanten Unternehmens einzuladen. Der wirkt aus dem Ruhrgebiet in die Welt hinein. Tradition und Moderne, Region und die Welt, Konzernstruktur und Mittelstand muss er im Auge haben.
Sehr verehrte Damen und Herren, – auch in Ihrem Namen – begrüße ich herzlich den Herrn Bundesminister Peter Altmaier und den Vorstandsvorsitzenden Christian Kullmann.
Das (k) in Klammern im Titel stammt noch aus der analogen Zeit, wo nicht alles in 1 und 0 digitalisiert war. Es stammt aus einer Zeit, wo Brandts: „kräftiges Sowohl-als-auch“ gemocht wurde, wo der Kompromiss als politische Kunst und Tugend galt, wo Diplomatie als Kulturleistung galt, mit denen ins Gespräch zu kommen und zu bleiben, mit denen man (noch) nicht übereinstimmt. wo es zum Erwachsenwerden gehört zu erkennen, dass jedes Ding zwei, wenn nicht noch mehr Seiten hat.
Ich hadere mit der „harten – angeblich klaren – Kante“. Ich hadere erst recht mit dem neuen Kampfsport der Skandalierung, Delegitimierung statt Argumentierung zur Vernichtung der Glaubwürdigkeit des Gegenübers.
Wir hier halten es mit Abwägung von Argument und Gegenargument. Es widerspricht der Lebenserfahrung eines Ruhris, dass die Flankierung zukunftsfähiger Industrie kleinen und mittleren Unternehmen schadet. Die wunderbaren Hidden Champions im Bergischen, Ostwestfalen und Sauerland haben sich zunächst an, mit und in den Dinos im Revier entwickelt. Auf dieser Basis konnten und können sie in die Welt hinaus. Dinos sind traurig geworden. Manche übergewichtig. Sie sollen sich anpassen, nicht aussterben. Sonst würde unser Wohlstand auch Thema für Archäologen.
Im BAPP-Buch über die NRW-Geschichte und ihre Ministerpräsidenten, das hier kürzlich vorgestellt wurde, hat unser Gast Christian Kullmann ein kluges Vorwort geschrieben. Da heißt es: „Was gut ist für Industrie und Wachstum, ist gut für die Menschen. … Klientelpolitik, die nur wenigen nützt und viele überfordert, sollte es nicht sein. Diese Orientierung am Gemeinwohl hieß bei Ludwig Erhard: ‚Wohlstand für alle‘. – Ein gutes Ziel.“
Industrie und Politik sind durchaus nicht immer ein Herz und eine Seele. Wenn’s gut läuft, blicken sie in eine Richtung. Das ähnelt Schopenhauers Definition des Menschen als „frierendes Stacheltier“. Sie wollen einander wärmen, aber die Stacheln erzwingen Distanz. Da hilft nur geregelter Konflikt, nicht der Streit: Wer ist Koch oder Kellner?
Wir brauchen Unternehmen mit Kompetenz und langem Atem. Wir brauchen Unternehmer mit mehr Hoffnung auf Erfolg als Angst vor Risiko. Wir brauchen den Staat weniger als Unternehmer, aber als Zielgeber und Abnehmer. Der Staat, das sind wir alle.
Als John F. Kennedy am 25. Mai 1961 verkündete, in 10 Jahren sind wir auf dem Mond, galt das als wahnwitzig. Man hatte plötzlich ein Ziel, das nicht in den Sternen stand. Das entwickelte eine ungeheure Thermik. Sie alle kennen Ähnliches, von dem wir profitieren, auch aus anderen Kontinenten, Abläufen und Zusammenhängen.
Der Staat kann Kräfte bündeln und Schubkraft erzeugen. Seit Aristoteles wissen wir: „Der Anfang ist immer schon die Hälfte.“ Das kann auch der lupenreine Marktideologe begreifen. Er muss nur den Pragmatiker in sich entdecken. Da seien wir ohne Sorge. Auch der Abergläubische hat nichts gegen ein 13. Monatsgehalt.
Aufgabe von Staatsmacht ist es auch, Wirtschaftsmacht zu schützen und zu fördern, nicht sie zu ersetzen. In der Demokratie haben Staats- und Wirtschaftsmacht mindestens einen gemeinsamen Referenzpunkt. Das sind die Menschen, die hier leben. Das ist das allgemeine Wohl.
Führung in einer Demokratie müssen die Geführten wollen. Sie müssen was davon haben, um es dauerhaft zu wollen.
Sehr verehrte Damen und Herren, von unseren großartigen Gästen werden wir viel haben. Ich bin sicher, wir werden klüger gehen, als wir gekommen sind. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben das Wort!