„Zwischen Soli-West und Schuldenbremse: Moderne Finanzpolitik in Deutschland“ – BAPP, 3. Mai 2018
„Zwischen Soli-West und Schuldenbremse: Moderne Finanzpolitik in Deutschland“
Begrüßung durch Prof. Bodo Hombach
Bonner Universitätsforum, 3. Mai 2018
Sehr geehrter Herr Minister Lienenkämper,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hüther,
sehr geehrter Herr Geers,
ich begrüße den Chefredakteur der Rheinischen Post, Herrn Bröcker. Der wird unsere Gäste protokollgerecht vorstellen.
Sehr verehrte Damen und Herren,
wo Geld ist, ist der Teufel – wo keines ist, ist er zweimal. Fritzchen fragte seinen Vater: „Sind 100 Euro viel Geld?“ „Es kommt darauf an, ob ich es verdiene oder deine Mutter es ausgibt.“ Paul Getty bemerkte einmal: „Probleme lassen sich anscheinend immer am besten mit dem Geld anderer Leute regeln.“ Es gibt offenbar viele Gründe für den Satz: „Über Geld redet man nicht.“ Unsere großartigen Gäste werden es tun. Deshalb begrüße ich unsere Gäste – auch in Ihrem Namen – ganz besonders herzlich.
Ein Fallschirmspringer springt aus dem Flieger. Er zieht die Reißleine. Ohne Erfolg. Auch der Rettungsschirm öffnet sich nicht. Der Springer ist in Panik. Plötzlich fliegt ihm von unten ein Mann entgegen. Voller Hoffnung schreit er: „Können Sie Fallschirme reparieren?“ – „Nein!“ ruft der andere, „ich repariere Gasleitungen.“
Die Europäische Zentralbank (EZB) zieht eine Reißleine nach der anderen. Wir alle fürchten einen Aufprall. Volkswirtschaftliche Experten fliegen ihr entgegen. Dass die Lösungen haben, die zum Problem passen, wünschen wir drängend.
„Wirtschaftsweise“ können weise sein. Zu Beratende sind nicht gerade begierig auf wissenschaftlichen Rat. Einmal im Jahr erhalten sie einen dicken Bericht. Ihre Körpersprache ist verräterisch. Hinter den Kulissen wird das 300-Seiten-Werk wie eine heiße Kartoffel Nachgeordneten in die Hand gedrückt. Ob deren Zusammenfassung gelesen wird oder nur die Zeitungsmeldung, ist Temperamentssache. In den modernen Nespresso-Kapseln kann man nicht im Kaffeesatz lesen. Wissenschaftliche Politikberatung wird nach meinem Eindruck in der Berliner Republik weniger nachgefragt als zu Bonner Zeiten.
Wenn auch in unterschiedlicher Menge, so hat doch jeder Geld in der Tasche. Man fühlt sich sachkundig. Wer als Fachfrau oder –mann gilt, meldet sich zu Wort. Man gibt Ratschläge, weiß, wie die Dinge stehen und wo’s langgeht. Wer schlau ist, sorgt vor. Man will sagen können, früh genug gewarnt zu haben, wenn die Katastrophe eingetroffen ist. – Dass die irgendwann kommt, glauben gerade wir Deutschen sicher.
Die Lebensweisheit der Nachkriegsverlegerin Anneliese Brost, in deren Stiftung ich mitwirken darf, hatte was Geniales. Sie schrieb keine Bücher. Ihre Talkshow war der Schwatz mit der Nachbarin. Sie hatte zwei Grundsätze: „Von nix kommt nix – man muss erarbeiten, was man ausgeben will.“ Und: „Gib nicht mehr aus, als du einnehmen wirst.“
In Glaspalästen der Bankenviertel steht diese Weisheit nicht hoch im Kurs. Dabei stand am Anfang jeder Krise, die wir durchleben mussten, ein Verstoß gegen diese Grundsätze. Dass unsere Landesregierung, deren Finanzminister bei uns ist, einen Landeshaushalt 2018 ohne neue Schulden vorgelegt hat, ist deshalb mehr als erwähnenswert. Über die berühmte schwarze Null wird gleich kundig diskutiert. In sieben schweren Jahren haben wir in Nordrhein-Westfalen Probleme gehäuft. Uns wurde in etlichen Bereichen die rote Laterne in die Hand gedrückt. Im Länderfinanzausgleich vom Geber- zum Nehmerland zu werden, ist nicht Kennzeichen ökonomisch erfolgreicher Politik.
In unserem Land ist viel auf- und nachzuholen. Wir reden nicht nur über marode Brücken, Bahnhöfe und Infrastruktur. Im Berliner Koalitionsvertrag steht viel über gleiche Lebensverhältnisse. Faire Zuwendungen aus Berlin und Brüssel sollen auf eine aufmerksamere und gestaltungswilligere Landespolitik treffen. Da sind wir durchaus zuversichtlich, Herr Minister. Es bleibt zu hoffen, dass auf – statistisch– sieben verlorene Jahre nun die besseren folgen.
Ich will ein paar Teufel an die Wand malen:
„Banken“…
… haben auch zehn Jahre nach der Krise noch eine Menge fauler Kredite in den Kellern. Die Eisdecke der Liquidität ist dünn. Nervöse Märkte erzeugen Blasen und demnächst wieder Blasenentzündungen.
„Weltwirtschaft“.
Strafzölle und Handelskriege zerrütten mühsam austarierte Architekturen der globalen Agenda. Das früher rückversichernde Bündnis mit dem großen Bruder jenseits des Atlantiks ist nun Quelle neuer Gefahren.
„Eurozone“.
Es herrscht großes Gefälle zwischen Partnern des gemeinsamen Währungssystems. Das bei sinkender Solidarität. Hoffnungsproduzent Macron stößt auf theatralischen Applaus und zugleich auf „lange Zähne“. Erklärte Gegner der EU sind guter Dinge.
„Schuldenkrise“.
Wie ausgeglichen ist ein Haushalt, wenn der Schuldenpegel bei 2,1 Billionen Euro liegt? Es ist nicht alles gut, weil es gerade nicht schlimmer wird.
Eine quälende Frage: Was passiert, wenn Steuereinnahmen nicht mehr üppig sprudeln, wenn soziale Entspannung nicht mehr mit viel Geld erkauft werden kann?
Niedrige Zinsen haben einigen staatlichen Hallodris in Europa die Verschuldung leicht gemacht. Sie würden die Last ihres Versagens gerne vergemeinschaften. Ein hochwirksamer Bremsbelag für Reformen.
Die EZB hat bisher für 2,3 Billionen Euro Zinspapiere erworben und für 500 Milliarden Euro Firmenanleihen. „Persona non grata“ ist Herr Draghi unter den Finanzministern nicht. Er scheint sogar ihr ziemlich bester Freund. Entwertung der Schulden durch Entwertung der Ersparnisse wird von den Staatshaushältern sicher nicht beklagt.
Wir können die Sorgen-Liste verlängern:
- Krieg und Frieden.
- Flucht und Armutswanderung.
- Klimawandel und Ressourcenverknappung.
- Alterung der Gesellschaft.
- Enteignung persönlicher Daten.
- Roboter und Digitalisierung machen vielen Angst. Sie fürchten Wachstum ohne Beschäftigung.
- Globale Marktgiganten behindern den Eintritt neuer Firmen in neue Märkte. Präsident Trump würde twittern: „Das ist kein fairer Wettbewerb.“
Liebe Gäste,
das war ungebührlich negativ. Wir wollen in der BAPP mehr Energie und Kraft investieren, Probleme abzuwenden als vorherzusagen. Nach Kästner: „Das Schönste, was mir passieren könnte, wäre es, Unrecht zu behalten.“
Die Steinzeit ging nicht dadurch zu Ende, dass es keine Steine mehr gab. Es gab bessere und neue Ideen. „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, tröstete Hölderlin. Selbst der Misanthrop Schopenhauer drehte es positiv: „Kein Geld ist vorteilhafter angelegt als das, um welches wir uns haben prellen lassen, denn dafür haben wir Klugheit eingehandelt.“
Sehr verehrte Damen und Herren,
wie immer sind wir fest entschlossen, diesen Saal klüger zu verlassen als wir gekommen sind. Dafür garantieren unsere kompetenten Gäste. Wer keine Probleme hat, verdient auch keine. Ich bin überzeugt: Unser Finanzminister springt morgens aus dem Bett und ruft: „Hurrah! Es ist eine Lust zu leben!“
Herr Minister, wir freuen uns auf Sie.