„Wieviel Islam gehört zu Deutschland? – Praktische Perspektiven auf eine kontroverse Debatte“ – BAPP, 7. Dezember 2017
„Wieviel Islam gehört zu Deutschland? – Praktische Perspektiven auf eine kontroverse Debatte“
Grußwort von Prof. Bodo Hombach
Bonner Universitätsforum, 7. Dezember 2017
Sehr geehrter Herr stellvertretender Ministerpräsident Dr. Stamp,
für Sie ist diese Universität gewiss Ort guter Erinnerungen.
Herr Prof. Dr. Prantl,
danke, dass Sie heute Abend bei uns sind, wo doch in München die Erde bebt.
Sehr verehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie zu diesem Treffen „aus gegebenem Anlass“. Ich meine nicht nur unser intensives Forschungsprojekt: „Wieviel Islam gehört zu Deutschland? Integrationserfahrungen junger und alter Menschen in einer säkular geprägten Gesellschaft“.
Ein junger Alt-Bundespräsident hat die Frage nach der Zugehörigkeit des Islam zu unserer Republik energisch bejaht. Das ist Gegenstand zahlreicher Erregungen und Diskussionen. Man stellt eine Menge Fragen, will aber nicht wirklich Antworten.
Wenige wollen das behagliche Vorurteil aufgeben. Bei Selbstgesprächen behält man auf jeden Fall Recht.
Heute Abend haben wir großartige und kompetente Gäste. Man kennt sie. Der erfahrene stellvertretende Chefredakteur der Rheinischen Post, Herr Stefan Weigel, wird sie gleich protokollgerecht vorstellen. Diese Herren sind Garantie dafür, dass wir klüger gehen, als wir gekommen sind.
Sie stehen auch dafür, dass wir uns dem Thema ergebnisoffen nähern. (Das Wort ist in den GroKo-Umkreisungen zu großen Ehren gekommen.) Etliche Talkshow-Zusammensetzungen sind bei unserem Thema kaum zu ertragen. Helmut Qualtinger würde sagen: Es gibt kaum etwas Schöneres, als dem Schweigen eines Dummkopfes zuzuhören.
Natürlich lassen sich Belege für islamische Durchdringungen der europäischen Geschichte und Kultur finden. Da sind wichtigste Impulse für die Wissenschaft des Mittelalters. Mozart hat sich inspirieren lassen, Lessing mit seinem „Nathan“ und Goethe mit seinem „West-östlichen Diwan“. Die Moschee von Wilmersdorf und das Türkische Regiment der Preußen wird Berlin-Touristen vorgestellt. Dass Araber die Null erfunden haben, ohne die kein Computer funktioniert, wissen nicht alle.
Wissen wir überhaupt noch vom Humor und der Selbstironie arabischer Erzählkultur? Als Beispiel die Possen des volkstümlichen Nasruddin: Eines Tages kommt Aische weinend zu ihrem Vater. Ihr Mann hätte sie geschlagen. Daraufhin schlägt er auch zu und ruft zornig: „Ein Mann, der meine Tochter schlägt, dem schlag ich seine Frau.“
Seit Langem hat sich zwischen den Kulturen und Religionen mehr gemischt als Hasspredigern und Engstirnlern lieb ist. Sie wollen trennen, was zusammengewachsen ist, weil es zusammen gehört.
Seit es Flugzeuge und erst recht internettaugliche Handys gibt, sind entfernte Verwandte nicht mehr, was sie einmal waren. Ungleichzeitigkeiten und Traditionen prallen schroff aufeinander. Früher haben große Distanzen, Gebirge, Gewässer oder Wüsten Kulturen getrennt. Sie haben sie auch voreinander geschützt. Heute kann eine Karikatur in einer dänischen Provinzzeitung in Pakistan Zehntausende wütend auf die Straße treiben.
Demagogen befördern und befeuern gern das Beleidigtsein. Sie kreieren eine Beleidigt-sein-Kultur. Eine Armee aus Beleidigten soll entstehen. Wie großartig passt da das Trump’sche Einreiseverbot. Es versieht ausgewählte Staatsvölker mit dem Stigma der gefährlichen Religion.
Unser Land, das kein Einwanderungsland sein will, hat gut von Einwanderung gelebt und sich bislang damit recht gut eingerichtet. Auch das wird man in unserer Studie belegt finden.
Die zu uns gekommen sind und schon lange hier leben, stehen erstaunlich häufig der sogenannten Willkommenskultur skeptisch gegenüber. Eilige moralische Entrüstung wäre hier Heiligenschein Scheinheiliger. Die von uns befragten Gruppen kennen die Ambivalenz aller Religionen. Sie wissen, dass gleicher Glaube noch lange nicht gleiches Verhalten bedeutet.
Die Erwartung, dass Neuzugänge häufiger Probleme als Lösungen mit sich bringen, eint etliche integrierte Immigranten mit vielen Urdeutschen ihrer Umgebung. Diese erkennbare Gemeinsamkeit nährt den Verdacht, dass es nicht unbedingt Religionszugehörigkeit ist, die Abgrenzung befördert.
Der mir persönlich bekannte und in seinem Land als weltoffen und modern geltende Abu Dhabi Minister Scheich Nahjan hat am 14. November via n-tv „Laissez Faire“ gegenüber Moschee-Gründern und Predigern kritisiert. Bei aller diplomatischer Zurückhaltung rügte er, dass hier fast jeder eine Moschee aufmachen und predigen darf.
In seinem Land müssen Moscheen lizenziert und Prediger seriös ausgebildet sein. Er sagte: „Wir haben immer unsere Hilfe angeboten, wir haben immer angeboten, Menschen auszubilden, aber aus Europa kam nie etwas zurück. Wir denken, dass auch in Europa etwas passieren muss.“
Im Nahen Osten hörte ich häufig, dass Radikalität junger Muslime durch unsere Praxis befördert würde. Selbst in der Türkei versteht man unsere Offenheit für bestimmte Koranschulen und deren Inhalte nicht. Ich kann diesem Unbehagen nichts entgegensetzen.
Ich erkenne keinen Clash der Kulturen. Ich erkenne wenig Konfrontation der Ausgebildeten und der Gebildeten. Es sind die, die bösen Geistes sind – auf beiden Seiten -, die trennen und Hass säen wollen. Die wollen nicht versöhnen, die wollen spalten.
Sie wollen vor allem das natürliche Bündnis zwischen Aufgeklärten und Vernünftigen über Religionsgrenzen hinweg stören bzw. zerstören.
Etwas davon haben sie leider geschafft. Wir wollen die Islamdiskussion und die Sicherheitsdiskussion auseinanderhalten.
Bis Anfang der Woche war ich auf Österreich-Expedition. Deshalb habe ich mehrfach auf den großen Helmut Qualtinger zurückgegriffen. Die Sozialdemokratie zerfleddert sich dort gerade an einem anderen Zitat. Ihr Urvater Victor Adler hat ihnen hinterlassen: „Es ist besser mit dem Volke zu irren, als gegen das Volk Recht zu haben.“ Ein aktueller und spannender Diskurs.
Ich halte es mit der Weisheit von Mark Twain: „Immer wenn man die Meinung der Mehrheit teilt, ist es Zeit innezuhalten und sich zu besinnen.“ Das ist auch Standpunkt der Wissenschaft und Forschung. Wir brauchen methodische Selbstkontrolle und klare Sprache.
An unserer Tür steht „Bitte stören!“. Wir sagen mit Bertholt Brecht: „Gelobt sei der Zweifel“. Ich bin sicher: Das werden wir heute durchleben. Dafür mein vorauseilender Dank.