„Buchvorstellung – Rücktritte: Über die Kunst, ein Amt zu verlassen“ – BAPP, 13. September 2017

„Buchvorstellung – Rücktritte: Über die Kunst, ein Amt zu verlassen“

Begrüßung durch Prof. Bodo Hombach

Bonner Universitätsforum, 13. September 2017

Sehr verehrte Damen und Herren,

ich begrüße – auch in Ihrem Namen – unsere großartigen Gäste. Der stellvertretende Chefredakteur der Rheinischen Post, Herr Weigel, wird sie gleich protokollgerecht vorstellen.

Es war einmal ein Ausnahmesprinter, der 27 Mal triumphal ein Hundert-Meter-Rennen gewann. Im Londoner Finale der Vier-mal-hundert-Meter muss er 50 Meter vor dem Ziel aufgeben. Ende einer Traum-Karriere. Bolt‘s Ehrenrunde wird zum Triumph.

Heute ein Buch über die Kunst, ein Amt zu verlassen. Das gab’s noch nie. Wir beobachten, ob es irgendwann z. B. wegen Guttenberg ein Buch über die Kunst der politischen Wiederauferstehung geben muss.

Der Rücktritt ist nicht immer eine Niederlage. Nicht immer Scheitern nach langer Gegenwehr. Es gibt die Möglichkeit, die Integrität des Amtes und der Person zu wahren.

Was löst Respekt statt Häme aus? Häme gehört heutzutage zu den verbreiteten Umgangsformen.

Der Autor fragt, woran man merkt, dass Schluss ist. Er wundert sich, dass sich so viele Zurückgetretene für unersetzlich halten. Das Siegertreppchen ist ein begehrter Platz – nicht nur für Sportler. Man hat sich bewundern und feiern lassen. Man wollte sich einbringen.

Man suchte Anerkennung. Man wollte Gutes bewirken. Nicht immer ist es nur Wille zur Macht. Oft auch Bereitschaft zur Verantwortung. Wenn überwiegend die Klugen weichen, entsteht Raum für die Dummen und Ignoranten.

Viele beschreiben sich als Opfer einer Intrige, einer Kampagne. Der Boden wurde dünn. Man kämpfte gegen Windmühlenflügel.

Vermeintliche Freunde waren Parteifreunde.

Skandalierung gehört zum Unterhaltungsjournalismus. Das Publikum giert nach medialen Menschenopfern. Medialer Freispruch ist unbeliebt. Wenn die einzige Währung die Klickzahl ist, wird es besonders brutal.

Bei einigen war der Rücktritt die wichtigste Leistung. Es zeigten sich Souveränität und persönlicher Mut. Man macht Raum für Neues. Man schützt die Integrität des Amtes.

Zwischen den Zeilen des Buches lauert eine steile These. Sie ist „systemrelevant“. Sie zielt in den Kernbereich des demokratischen Staates. Die Aufklärer, die diese erfanden, standen im Clinch mit dem Obrigkeitsstaat.

Machtmissbrauch war an der Tagesordnung. Ihn zu benennen oder gar anzuklagen, führte in den Kerker. Solche Kämpfer fragen zunächst nicht: Wie kommt jemand an die Macht? Sondern: Wie kann man Machthaber verhindern?

Verhindern geht nicht. Das Ergebnis wäre ein Macht-Vakuum. Es würde sich der Skrupelloseste breitmachen. Revolutionen fressen ihre Kinder. Auf herbeigeführte Autoritätsverluste folgt Orientierungslosigkeit.

Macht ist ein Übel. Sie ist aber ein notwendiges Übel. Es geht darum, sie möglichst intelligent zu organisieren, gefährliche Nebenwirkungen zu vermeiden.

Dafür gibt es Regeln:

  • Gewaltenteilung,
  • Rechtsstaatlichkeit,
  • Gemeinwohlorientierung
  • Und – Revidierbarkeit

Sie alle zügeln Macht, es lähmt sie nicht. Widerrufbarkeit ist entscheidend. Machtjunkies, wie sie sich in unseren Schlagzeilen tummeln, wollen immer Recht haben. Wo sie‘s nicht haben, wollen sie es wenigstens behalten.

Rücktritt ist nicht vorgesehen. Machtwechsel geschehen quälend nach schweren Schäden für Gesellschaft und Staat. In demokratischer Gesellschaft sind öffentliche Ämter nicht Privatbesitz.

Einmal angenommen, man will beim Rücktritt alles richtigmachen: Hier ist das Buch nicht mehr Report, sondern Gebrauchsanweisung. Für Zurücktreter oder solche, die es werden wollen:

  • Man handelt schnell und konsequent.
  • Man organisiert den Vorgang umfassend und distanziert.
  • Das Timing sei überlegt,
  • die Begründung plausibel und überzeugend.
  • Man informiert von innen nach außen,
  • und die Rücktrittserklärung sei stilvoll und prägend.

Wer verantwortlich handeln will, hilft sogar bei der Suche nach einem Nachfolger. Nur kleine Geister genießen das Vakuum, das sie hinterlassen – falls sie überhaupt was hinterlassen.

Bevor wir Lust auf den nächsten Rücktritt bekommen, danke ich allen, die das Buch ermöglicht und daran mitgewirkt haben. Stellen Sie es in Griffnähe. – Man kann ja nie wissen.

Ich will enden. Ich denke an den Bischof, der ausgiebig zu predigen liebte. Eines Sonntags fiel ihm das Geläut der Domglocken brutal ins Wort. In der Sakristei fuhr er den Küster an. „Haben Sie nicht gemerkt, dass ich noch nicht fertig war?“ „Doch“, sagte der Mann, „mit Verlaub, Sie hatten nicht gemerkt, dass Sie längst fertig waren.“

Wie Glocken den Kirchgang begleitet uns eine Gewissheit: Wir werden klüger gehen als wir gekommen sind. Auch dafür Dank.