„Präsident Trump?! Wohin steuert die Weltmacht?“ – BAPP, 24. Januar 2017
„Präsident Trump?! Wohin steuert die Weltmacht?“
Grußwort von Prof. Bodo Hombach
Bonner Universitätsforum, 24. Januar 2017
Sehr verehrte Damen und Herren,
wenn man einem von Herzen übelwill, gibt es in China einen volkstümlichen Fluch: „Mögest du in interessanten Zeiten leben!“
Das tun wir!
Vertraute Gewissheiten zerbrechen:
- Konflikte, die wir auf Distanz glaubten, treten uns die Türen ein.
- Grenzen grenzen nicht ab.
- Globalisierung und Digitale Revolution erzeugen mehr Opfer als Gewinner.
- Lug und Trug bringen ganze Branchen ins Wanken.
Nun auch noch ein US-Präsident, der nichts vom Interessensausgleich hält! Der origineller Weise besonders die republikanische Orthodoxie ignoriert. Der sich wie ein Volkstribun einführt. Seine Einführungsrede glich der des Jakobiners und Vorsitzenden des Wohlfahrtsausschusses Robespierre vor dem Nationalkonvent. Nationalistisches und Sozialistisches wurde gemischt.
Vor 70 Jahren verkündete ein US-Außenminister im zerbombten Stuttgart den Beginn konstruktiver Politik seines Landes für Europa. Begierig griffen die Westdeutschen die ausgestreckte Hand. Die transatlantische Brücke war verlässliche Konstante – tief prägend. Es entstand, was man die Westliche Welt nennt: Die wurde zum Synonym für Zukunft – zur Hoffnung unterdrückter Völker.
BILD gab letzte Woche Nostradamus breiten Raum. Wenn man dem glaubt, ist der Weltuntergang nun ausgemachte Sache.
Die Amerikaner haben gewählt. Der Erwählte verstößt gegen fast alle bislang gültigen Regeln. Deshalb haben sie ihn gewählt. Sie spielten das alte Spiel nicht mehr mit. Sie schmeißen das Spielbrett um.
Eine ausreichende Mehrheit glaubt, Amerika wird: „great again“, indem es sich auf sich selbst zurückzieht. Ihr Präsident sieht einen Deal nicht als Win-Win-Situation. Die neue Melodie ist: „Einer wird gewinnen.“ Oder: „Wenn jeder für sich selbst sorgt, ist für alle gesorgt.“
Das Muster „Wer nachgibt, hat verloren“ glaubte ich in meine Balkan-Erinnerungskiste abgelegt.
Wuchtiges Trump-Bashing ist große Mode. Seine Gegner blasen zum Kampf der Kulturen. Es sei nicht ihr Präsident.
1905 veröffentlichte Max Weber sein Buch über „Die protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus“. Darin untersuchte er Herrschaftstypen. Einer ist der charismatische. Der wird gesucht bei Krisenerfahrungen und Veränderungsdruck. Der Charismatiker ist laut Weber „weder angestellte Amtsperson, noch Inhaber eines als Fachwissen erlernten und gegen Entgelt geübten Berufs, sondern Träger – als übernatürlich gedachter – Gaben“. Er wischt die alten Akten vom Tisch und konstelliert die Fragen neu. Er hat, was Vielen fehlt: Kraft, Sendung, Entschlossenheit, pralles Leben.
Diese Persönlichkeitsmerkmale sind Zuschreibungen – Hoffnungen des Publikums selten Realität. Die Hoffnung hat ein Verfallsdatum. Sie endet, wenn Misserfolge den Unfehlbarkeitsglauben erschüttern. Sie endet meist auch im Räderwerk der Institutionen und der Bürokratie.
Es gibt die helle und die dunkle Seite der Macht – die aufbauende und die zerstörerische.
Auch Obamas „Yes we can!“ wirkte charismatisch. Seine lächelnde Ruhe ließ ihn für viele als Erlöser erscheinen. Er sprach von Zusammenführung und Versöhnung, gelungen ist es ihm nicht.
Wir bewunderten die älteste Demokratie der Neuzeit für ihre Fähigkeit, am Ende einen pragmatischen Kompromiss zu finden. Jetzt verhielt man sich wie Skorpione in einer kleinen Kiste. Wer eigene Projekte nicht durchsetzen konnte, wollte wenigstens die des Gegners blockieren. Aus politischen Gegnern sind Feinde geworden.
Donald Trump ist nicht Verursacher der Polarisierung, sondern ihr Ergebnis.
Uns interessiert auch die Frage, warum vielen Wählern ein Wechsel um jeden Preis so wichtig war. Die Eliten haben sich offenbar in einer Parallelwelt eingerichtet. Es scheint ein Potenzial an Perspektivlosigkeit gewachsen, das systemgefährdend ist.
Das ist uns nicht gänzlich unbekannt.
Unsere Akademie lebt auch von ihrer Fähigkeit, hinter die Kulissen zu blicken und dazu besonders kluge Gäste einzuladen. Diese klugen Köpfe begrüße ich auch in Ihrem Namen herzlich.
Unsere Moderatorin, Frau Bröker, wird sie gleich protokollgerecht vorstellen. Frau Bröker hatte schon journalistische Stationen in Washington, Moskau und Peking. Sie wird mit unseren Gästen das Relevante vom Beifang unterscheiden.
Wir wollen analysieren und – wenn es sein muss – auch spielverderberisch fragen:
Sind Trump-Wähler samt und sonders a-politische Dumpfbacken?
Wollen die einfach mal auf die Pauke hauen?
So wie wir das aus dem Radau-Fernsehen kennen?
Oder: Haben die auch Gründe, das etablierte System mit seiner „Arroganz der Macht“ in Frage zu stellen?
- Man darf sich nicht wundern, wenn Leute, die nichts zu beißen haben, bissig werden. Dass sie, wenn niemand zuhört, zu schreien anfangen.
- Amerika hat gute Gründe, über seine jahrzehntelange desaströse Interventionspolitik nachzudenken.
- Es darf den Europäern empfehlen, für ihre Sicherheit die eigenen Hausaufgaben zu machen.
- Ein Gesprächsangebot an Wladimir Putin ist sicher nicht ganz und gar falsch.
- Dass Trump nicht nur das Drama von Alleppo, sondern auch das von Mossul thematisiert, fanden meine Studenten in der letzten Woche sehr bemerkenswert.
Wer in Amerika war, hat eine Erkenntnis ganz sicher: Man kann über dieses Land sagen, was man will, es stimmt immer irgendwo und irgendwie.
Die atlantische Beziehung bleibt existenziell wichtig. Das europäische Bündnis wird noch viel wichtiger.
Ich freue mich auf den folgenden Vortrag von Herrn Dr. Scharioth und die Diskussion. Eines ist schon jetzt sicher: Wir werden in zwei Stunden klüger sein als wir es jetzt sind. Dafür vorauseilenden Dank.