„Amerika stellt die Weichen? Die Supermacht im Umbruch“ – BAPP, 7. März 2016

Sehr verehrte Damen und Herren,

lieber Herr Prof. Bindenagel, lieber James,

herzlichen Dank für Deine freundliche Begrüßung und kluge Eröffnung.

Ich soll ins Thema führen. Über Amerika zu sprechen, ist einfach. Man kann über das riesige Land sagen, was man will. Es stimmt immer: Irgendwie, irgendwann und irgendwo.

Ein Land der begrenzten Unmöglichkeiten. Dessen Rätsel kann man nicht lösen. Man kann sich nur nähern.

„Amerika stellt Weichen“ ist Titel des Buches und unseres Treffens. Wir haben uns zum klassischen Druck-Medium entschlossen. Man navigiert nicht mit Klick und Wischen – keine lästigen Werbebanner oder Systemabstürze. Man kann in Ruhe lesen. Man kann Kernsätze anstreichen – Steckdosen und schwächelnde Akkus vergessen.

Ausgewiesene Kenner haben zusammengefunden. Geborene Amerikaner, langjährige Beobachter oder erfahrene Diplomaten. Die Promotion meines sehr aktiven Mitherausgebers Dr. Burgard hatte den Titel: „Von Obama siegen lernen“. Sein Chef Tom Buhrow hat ihn zusätzlich mit Amerika-Neugier infiziert.

Allen Autoren ist eins gemeinsam: Sie nehmen Amerika wichtig. Sie trauen ihm zu. Sie muten ihm eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Welt in diesem Jahrhundert zu.

„Amerika stellt Weichen“ ist auch Appell – nicht nur Interpretation. Die Frage „Stellt Amerika noch die Weichen?“ steht im Raum. Ist es noch ein Leuchtturm für Demokratie und Freiheit? Arbeitet es für eine Weltordnung, in der jedem Bürger das Recht „auf Streben nach Glück“ erlaubt ist und ermöglicht wird?

Wir lesen und hören von einem im Innern gespaltenen Land. Wir erkennen nicht , dass diese Spannungen aktivieren. Sie scheinen zu lähmen. Wir wünschen uns, dass hier kein – durch misslungene Interventionen – frustrierter Riese in Selbstblockade fällt. Niemand ist eine Insel. Eine atomare Supermacht schon gar nicht.

Sind die USA bereit und fähig, ihre Verantwortung neu zu buchstabieren? Finden sie ihre Rolle in einer multipolaren Welt? Haben sie die Kraft, sie zu spielen?

Nine-eleven hat den Begriff „Supermacht“ relativiert. Terrorismus, der sich als Vollstrecker eines göttlichen Willens ausgibt und Todessehnsucht im erbarmungslosen Massenmord auslebt, ist eine völlig neue Kategorie. Mit minimalem Aufwand suchen dessen Killerkommandos ein Maximum an Opfern und Zerstörungen. Das hat Zerrüttung im Lebensgefühl und in den liberalen Rechtsstrukturen des Westens angerichtet. Dieser asymmetrische Krieg ist mit den alten Methoden von Geostrategie, Abschreckung, Einflusszonen und Interkontinental-Raketen nicht zu bestehen.

Hier steht die adäquate Antwort des Westens und seiner Führungsmacht noch aus. Unter dem Banner „Globalität“ marschieren wir über möglichst alle Grenzen hinweg.
Das Netz tut das mit dem Ungestüm einer Naturgewalt. Geld- und Warenströme schicken wir um den Globus. Aber noch immer überlagert Verdrängungswettkampf die nötige Zusammenarbeit. Der Meeresspiegel steigt. Wir tun so, als beträfe das nur den Pegel eines fernen pazifischen Archipels.

Seit dem Ersten Weltkrieg ist die transatlantische Beziehung für Europa und die Welt von grundlegender Bedeutung: Eine dynamische Konstante. In ihrem Kern nie bezweifelt.
Es gibt wechselnde Erscheinungsformen – sie ist ein ständig neues Projekt. Das Ost-West-Schema war schon 1945 antiquiert. Aber es ist noch nicht Geschichte. Eine neue Friedensordnung ist nicht gefunden. Wenn sie je gelingt, dann nur zusammen mit dem transatlantischen Partner.

Die Beziehung steht mehr denn je außer Frage, aber zugleich unter verschärfter Beobachtung.

Die Obama-Administration versucht auf der Zielgeraden viel zu bewegen. Ist Amerika zurück im Spiel?

Wir beobachten irritiert den aktuellen Wahlzirkus. Fast weltweites Verlangen: „Neues Denken“ wird dort gerade originell umgesetzt: Man erkennt keinen neuen Gedanken – aber eine ganz neue, bislang unmöglich scheinende Mischung: Alte politische Schubladen werden ausgeschüttet. Sie werden anders gefüllt: Selbst Altes nationalistisches und sozialistisches Besteck legt man nebeneinander.

Der Durchmarsch von Donald Trump wird als Neuauflage des „ugly American“ berichtet. Mir scheint er Symbolfigur für endemisch gewachsenes Misstrauen ins politische Establishment. Ganz fremd ist uns das nicht. Rituale, ausbleibende Erfolge, die Sprache und zunehmend das Unausgesprochene der etablierten Politik wirken wie Hefe im Teig frustrierter Gefühle. Aufgeregter Medienschaum verzerrt zusätzlich das Verstehen der realen Welt. Der naive Charme neuer Medien hat Anteil am grassierenden Gefühlsanarchismus.

Die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik übergibt Ihnen heute ein altmodisches Medium: Ein Buch für kritische Leser. Herzlichen Dank denen, die mitgearbeitet haben. Sachkenntnis und Leidenschaft wurden zusammengeführt. Die BAPP will dafür Ort und Gelegenheit zu schaffen. Die folgende Diskussion unter großartigen Kennern wird uns vieles verständlicher machen. In einer Stunde werden wir klüger sein, als wir es jetzt sind. Dafür vorauseilenden Dank.

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