„Unternehmenskommuniktion“ mit Thomas Hüser (Medienbüro Hüser) – HBRS, 30. Juni 2015

Meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie und unseren heutigen Gast. – Thomas Hüser leitet ein großes Medienbüro in Essen. Er kümmerte sich um das öffentliche Erscheinungsbild des Initiativkreises Ruhr. Das sind ca. 70 Unternehmen, die sich als Geburtshelfer für die Zukunft der Region zusammengetan haben. Er betreut publizistisch die Brost Stiftung, deren Projekte journalistischen Nachwuchs und internationale Zusammenarbeit fördern. Und all dies geschieht in den multiplexen Formen moderner Kommunikation. Er wird unser Thema alltagspraktisch bereichern.

Ihm zur Einführung und uns zur Erinnerung: Wir folgen einem Verdacht. Das Kommunikationsgefüge der Gesellschaft scheint sich tiefgreifend zu verändern.
Willensbildung und Entscheidungswege folgen nicht mehr dem klassischen Muster.

Früher wurden Großprojekte der Infrastruktur in kleinen Zirkeln aus Politik und Wirtschaft verabredet und durchgesetzt; mehr oder weniger robust und konse-quent. Drei Parteien teilten die Welt unter sich auf. Mit berechenbaren Mehrheiten wurden die nötigen Gesetze eingestielt. Die beteiligten Unternehmen konnten sich auf klare Bedingungen und langfristige Perspektiven verlassen. Die Öffentlichkeit sah Ergebnisse. An den Prozessen war sie kaum beteiligt. Zwar wurde die Planung „rituell“ vorgelegt, war aber kaum noch zu beeinflussen.

Die Jugendrevolte der 68er brachte erste und heftige Störungen. Die neue Ge-neration definierte sich nicht mehr über Krieg und Nachkriegszeit. Sie wollte ihrer Zeit den eigenen Stempel aufdrücken, zunächst mit manchmal konfusen Aktionen.

Bald tauchten sogenannte „Bürgerinitiativen“ auf. Sie kristallisierten sich an umstrittenen Großprojekten, mit Gesinnung und Leidenschaft, aber auch mit Sachkenntnis. Widerstand beschränkte sich auf überschaubare Gruppen und wurde von den „Ordnungskräften“ kurzgehalten. Die Mehrheit beobachtete das Gerangel um Kernkraftwerke oder die neue Startbahn am Großflughafen ohne Empathie. Stacheldraht, Wasserwerfer, Polizeiknüppel. Da hielt man sich lieber raus.

Die Medien waren eher unauffällig. Es gab sie nur als „Einweg-Kommunikation“, und zwischen Ereignis und medialer Vermittlung verging viel Zeit. Das machte Spontaneität zum Einzel- und Sonderfall. Die Öffentlich-rechtlichen – und es gab nur sie – waren viel zu ängstlich und gesittet, um Volkes Stimme ungefiltert zuzulassen. Allenfalls in den Dritten Programmen tauchten neue Sendeformen auf. Nach dem Motto „Anruf erwünscht“ konnten sich Zuschauer in die laufende Sendung einmischen. Echter Bürgerfunk gelang nur im lokalen Bereich der ersten Kabel-Versuche.

Das hat sich mit der Supernova des Internets radikal verändert. Ich nenne nur vier seiner Eigenschaften:
• Hemmungslose Grenzüberschreitung in allen Bereichen.
• Gleichzeitigkeit von Ereignis und Wahrnehmung in einer denkbar breiten Öffentlichkeit.
• Ubiquität durch immer mobilere und handliche Geräte.
• Rasche Vernetzung gigantischer Nutzermengen in den sogenannten „Sozialen Netzwerken“.

Inzwischen dämmert uns: Wir erleben einen Zivilisationsbruch ersten Ranges. Noch nie war so viel Information im unmittelbaren Zugriff erreichbar. Noch nie war die totale Kommunikation jedes mit jedem so leicht möglich.

Das Werkzeug und die Strukturen haben sich radikal verändert. Es ist aber noch immer derselbe Mensch, der damit hantiert. Auch der Desinformation öff-nen sich enorme Möglichkeiten. Auch die Kommunikation kann sich über Mobbing, Schmähungen, Shitstorm und Bespitzelung in ihr Gegenteil verkehren. Die Richterskala der Gemeinheiten und des schlechten Geschmacks ist nach unten offen.
Die politische Klasse steht noch immer hilflos vor den neuen Verhältnissen. Sie verzichtet auf dezidierte Gestaltung. Wir beobachten eine schleichende Selbst-Delegitimierung von Regierung und Parteien. Man wartet ab, man hält hin, man verzettelt sich in verbalem Geplänkel.

Der Verzicht auf Politik in den gewählten Gremien korrespondiert mit chaoti-schen Verhaltensmustern an der Basis. Wichtige gesamtgesellschaftliche Vor-haben werden zwar theoretisch befürwortet, praktisch aber boykottiert, wenn sie zu Unbequemlichkeiten im Nahbereich führen.

Und schon steht die nächste Revolution ins Haus. Das „Internet der Dinge“ verknüpft die Schaltintelligenz des Netzes mit der realen Produktion und Verteilung von Gütern. Das erlaubt eine früher undenkbare Diversifizierung und Individualisierung, die sich über eine intelligente Vernetzung zum Großprojekt entwickelt.

Beispiel: Energiewende. Hunderttausend Dächer und Windräder haben in kürzester Zeit die gesamte Energiewirtschaft umgekrempelt. Zugleich ein gigantisches Investitionsprogramm, für das ein einziger Steuer-Euro nötig war. Es wurde und wird aus den Taschen der kleinen Energiewirte und Stromverbraucher bezahlt. Und das ist eine alte Erfahrung: Kleine Gewinne werden investiert oder konsumiert, mit großen wird spekuliert.
Das Schlüsselwort heißt „Kommunikation“. Sie erlebt einen galoppierenden Wandel. Das gilt nicht nur für Geräte und Verbindungstechnik. Auch die Bedürfnisse und das Lebensgefühl der Leute verändern sich von Tag zu Tag. Die „Generation Y“ tickt anders als ihre Vorgänger. Meine Altersgruppe stand noch vor unersättlichen Märkten. Vieles wurde möglich, aber manches geschah aus dem einzigen Grund seiner Machbarkeit. Der Markt ist übersättigt und erzeugt Überdruss. Man versucht, ihn durch „Modenwechsel“ und eingebauten Verfall zu stützen. Die Jüngeren lassen sich davon immer weniger beeindrucken. Sie fragen: Warum? Und wozu? – Auf hohem Versorgungsniveau halten sie es für möglich, dass es auch bescheidener geht, unschädlich und nachhaltig.

Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor neuen und spannenden Aufgaben. Erfolg braucht nicht nur innovative Ideen. Mehr denn je braucht er eine glückliche Hand und eine neue, kommunikative Kompetenz, um überhaupt „in die Welt zu kommen“. Die Wirtschaft steht unter einem neuen Zwang und hat neue Chancen. Sie muss nicht nur „erklären“, was sie will und tut. Sie muss es auch „begründen“. In der modernen Unternehmensphilosophie finde ich immer häufiger die Botschaft: Wir bieten keine neuen Geräte. Wir bieten Lösungen.

Hier kommt Thomas Hüser ins Spiel. Im Niemandsland zwischen Unternehmen und Gesellschaft ist er der Bote und Dolmetscher. Ich bin gespannt, was er uns zu sagen hat.

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