Ausstellung Burkhard Driest „Malerei als Bürgerpflicht“ – Grußwort, 5. März 2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

der große Joseph Beuys schaffte die Aufnahmeprüfung für die Düsseldorfer Kunstakademie ab. Das fand ich mutig. Sein „Jeder ist ein Künstler“ fand ich übermütig. Beim Motto dieser Ausstellung “Malerei als Bürgerpflicht“ entfuhr mir: Auch das noch!

Welch steiler Gedanke in einem Land, wo „Ruhe“ traditionell als Bürgerpflicht gilt. Malerei, wenn sie akute politische Signale aufgreift, stiftet Unruhe. Wer sie aufs Dekor beschränkt, verkauft sie unter Wert.

Burkhard Driest spürt die Argumentationsarmut der Zeit. Er reagiert mit Bildern. Schon das Bild auf der Einladung irritiert Auge und Verstand: Der Kniefall Willy Brandts in Warschau als „Wandtapete“. Integriert ins bürgerliche Heim mit Wohnzimmerlampe. Der Künstler erzwingt Öffentlichkeit. Er geht das Risiko ein, dass wir es auf unsere Art lesen.

Wir erinnern uns. Geschichtsvergessene Zeitgenossen denunzierten die Geste des Kanzlers als „beschämende Unterwerfung“. Sie verbannten sie hinter eine Blümchengirlande. Aber Driest lässt nicht locker. Die Blüten triefen von Blut. Man kann die Kraft dieser Geste nicht vergittern. Der Kniefall wurde zur Ikone, die sich ins kollektive Gedächtnis prägte.

Der deutsche Kanzler machte sich klein vor den Opfern deutscher Verbrechen. Er schob alle verbalen Formeln der Diplomatie beiseite. Er verließ sich auf diese Geste, verletzlich, aber unmissverständlich. Ein qualvolles Kapitel der Geschichte, für das Worte fehlen, wurde zum „Bild“. Jeder Mensch guten Willens konnte es auf Anhieb und in den Tiefenschichten seiner Existenz begreifen.

Nun verstehe ich das Motto dieser Ausstellung: „Malerei als Bürgerpflicht“. Das ist Appell und Ermutigung zugleich: Wir sollen uns Bilder machen, Bilder, die nichts verstellen, sondern erhellen, die zusammenfassen und ausweiten. Es geht nicht um die Bilderflut, die aus allen Bildschirmen quillt. Es geht nicht um das kichernde „Selfie“. Es geht nicht um eine sich selbst schreddernde Gesellschaft.

Es geht um Konzentrate auf Wesentliches.

Wir lesen oft von „roten Linien“, die dann doch folgenlos überschritten werden. Alle Welt fordert „klare Kante“, aber zu selten steht dahinter ein klarer Kopf. Verbale Posen gibt es zuhauf. Dafür ist Burkhard Driest nicht zu haben.

Ich will persönlich werden: Er ist ein sperriger Freund. Die Begegnung mit ihm regt manchmal auf, regt häufig an und lohnt sich immer. Wer ihm begegnet, der ahnt: Das ist kein zarter Aquarellist. Der lebt nicht in der Schutzatmosphäre seines Ateliers. Dieses Gesicht zeigt Narben eines wilden Lebens. Schon Fassbinder brauchte es für seine bewegten und bewegenden Bilder. Auch Hollywood wollte darauf nicht verzichten. Die große Romy Schneider nahm ihn gleich aus der Talkshow mit. Er ist Schauspieler, Autor von Romanen und Drehbücher und nun Bildern. – Ich nehme an, er kann auch singen.

Ich danke Prof. Dr. Smerling für Gedanke und Tat. Ich danke der „Stiftung Kunst und Kultur“ für die Gelegenheit. Beide fördern einen Künstler, der Europa zum Thema macht, ein fragiles Gut, wie wir in diesen Wochen erleben. Deshalb ist es wert, dafür einzustehen.

Ich danke Kurator Dieter Ronte für die kundige Betreuung dieser Ausstellung. Ich bin gespannt, was er uns sagen wird. Machen wir uns auf Interessantes gefasst. In 15 Minuten werden wir klüger sein als jetzt. Ihnen allen danke ich für die Resonanz.

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