„Ordnungsrahmen oder Gefängsnishof“ – Handelsblatt, 7. Februar 2014

Kreativität und Vielfalt. Auf so schöne Dinge muss sich verlassen, wer nicht mit Rohstoffen und Niedriglohn punkten kann. Das ist das Geschäftsmodell der Kreativwirtschaft. Sie belegt in Deutschland Platz 3 der industriellen Wertschöpfung. Wichtige Motoren sind Sender, Verleger, Produzenten. Sie beschäftigen ein Heer von Tüftlern und Kreativos in den Werkstätten, Studios und Redaktionen.

In den USA und Asien werden sie gemocht und gefördert. In Europa, speziell in Deutschland, gelten sie als heikel, und man blockert sie.

Die Medienindustrie erlebt den größten Transformationsprozess ihrer Geschichte. Sie ist von der digitalen Revolution grundstürzend betroffen. Der Markt wird täglich neu verhandelt. Wer zu lange trauert oder zögert, bleibt auf der Strecke. Wer sich mit hausgemachten Hindernissen deutscher Bürokratie plagen muss, hat im globalen Wettbewerb keine Chancen.

Gerade erst untersagte das Bundeskartellamt dem öffentlich-rechtlichen und dem privaten Rundfunk die Gründung einer gemeinsamen Plattform für Videos. Ausländische Konkurrenten, allen voran US-Großkonzerne, reiben sich begeistert die Hände. Sie haben keine Schranken bei Werbung und Verbreitung ihrer Bewegtbildangebote. Die inländischen Fernseh- und Hörfunkveranstalter legt man mit antiquarischen Regelwerken an die Kette. Das ist nicht Ordnungsrahmen, sondern Gefängnishof. Der Wirtschaftsstandort Europa verzwergt sich selbst.

Staatsverträge und Landesmediengesetze, die genau wissen, wie viele Minuten wer wann und wo werben darf, entstammen einer Zeit, als sich der nationale Medienmarkt noch isoliert betrachten ließ. Digitalisierung, Konvergenz und Globalisierung machen daraus jedoch gefährliche Romantik. Längst spielen alle ein neues Spiel, aber jeder nach anderen Regeln.

Hier sind Pragmatismus, Dynamik und mehr Entwicklungsraum gefragt. Inhalte bedürfen der Beobachtung. Wer aber glaubt, technische Verbreitungswege regulieren zu können, denkt in Grenzen, die es längst nicht mehr gibt. Paragraphen sind nicht so schnell geschrieben, wie sich neue Technik entwickelt. Wer unfaire Hürden errichtet, erstickt den Wettbewerb, übrigens auch den um die Qualität von Inhalten.