„Barosos Kommunikationsdesaster“ – Handelsblatt, 22. November 2013

Demnächst wählt Europa. Die Rechte formiert sich grenzüberschreitend. Sie wird Europa-Skepsis schüren und daran wachsen. Europa-Verantwortliche machen es ihnen leicht. Die positive Handelsbilanz eines Staates ist die negative eines anderen. Natürlich runzelt man dort die Stirn, fragt aber selten nach den tieferen Gründen im eigenen Haus. Wenn Kommissionspräsident José Manuel Baroso Mitte November vor die Prese tritt und den Deutschen wegen ihres Exporterfolges so die Leviten liest, dass die nur missverstehen können, dann hat er als Kommunikator versagt.  Olli Rehens Gegenrudern kann das nicht vergessen machen. Wer schämt sich schon gern für ehrlich erworbene Erfolge! – Den anti-europäischen Populisten schwillt reflexartig das Umfragekonto. Man kann auch Nachdenkenswertes zur falschen Zeit und kontraproduktiv von sich geben. Das wichtigste Geberland in ohnehin schwindender Geberlaune wird vergrätzt, bei anderen Neid statt Nachmachen geschürt. So wie ein französischer Wahlkampfschlager, der ins Desaster führte. Die Bürger sind (noch!) im Grundsatz europäischer gesinnt als ihre politische Kaste. 82 % stimmten (bei einer offenen forsa-Abfrage für die Bonner Akademie BAPP) sogar für eine gemeinsame Verteidigung. Gegen seine Freunde will niemand mehr Wall und Graben. Unvorstellbar für die meisten nationalen Kabinette. Riesen-Distanz der Bürger aber zu berufenen Hütern der EU und besonders deren Banken- und Finanzpolitik.  Man sieht ihnen an: Der alte Schwung ist hin.

Wen aber hinter den Glasfassaden in Brüssel das große Ganze nicht mehr überzeugt, rettet sich offenbar gern in die kleinen Teile. Ein Heer von Erbsenzählern sucht statt des größten gemeinsamen Vielfachen den kleinsten gemeinsamen Nenner. Rumpelstilzchen verstand es, Stroh zu Gold zu dreschen. Die europäischen Rumpelstilzchen von heute dreschen das Gold einer grandiosen Idee zum Stroh ihrer Paragraphen und Fußnoten. – Machen Sie ein Experiment! Behaupten Sie, gerade hätten „die da“ in Brüssel verfügt, jeder Wellensittich hätte ein Anrecht auf eine eigene Schaukel. – Man wird es glauben. – Das ist ein Grund zur Sorge. Europa braucht wieder größere Ziele.

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