„Rettet die Politik!“ – Handelsblatt, 6. September 2013

Wochenlang nörgelt die Öffentlichkeit, der Wahlkampf sei langweilig.  Presseleute hocken wie frustrierte Terrier vor den Fuchsbau und bellen. Ringsum brennt der Horizont (Schuldenkrise, Eurokrise, Energiewandel, Krieg in Syrien) – das soll warten. „Wann fliegen parteipolitische Fetzen?“, scheint die wichtigere Frage. Angie schweigt und lächelt, Steinbrück vermeidet ausholende Schritte. Man könnte ihm ein Fettnäpfchen hinschieben. Wahlkampf als der Anlauf zum Sprung in die Wahlkabine mal anders. Das Volk ist nicht beunruhigt.

Was tun? Medien setzen alles auf eine Karte: Das Fernsehduell. Wochenlang trommeln die Ausrufer. Dann ist es so weit. Die Nation versammelt sich vor aufgebauter Bildschirmarena, heiß gemacht auf die Frage: Wer hat Beißerqualität? Wer landet Treffer? Wer zeigt Schwäche (Nachdenken, Zögern, Abwägen). Das Ganze mit der Stoppuhr ritualisiert.

Vier Moderatoren tänzeln im Ballett ihrer Fragen. Spieler und Schiedsrichter zugleich. Sie wollen gut aussehen und ankommen. Der zuvor umstrittene Raab traut sich, nachzusetzen und ehrliche Momente zu provozieren (Dafür wird man ihn zu recht feiern.). Die Kanzlerin und ihr Herausforderer schlucken auch Kröten, weil man sie ihnen hinhält. Zwei Politiker, die das Land verbessern und beschirmen wollen, die eigentlich das Recht auf eine Charakterrolle hätten, werden ins Unterhaltungsfach gedrängt. Zwei Menschen, die demnächst unser Geschick bestimmen sollen, werden nicht wie in den USA zur Debatte, sondern zum „Duell“ geladen. Uns scheint das schon normal.

Am nächsten Abend sind drei andere „dran“ (einer von denen, vielleicht sogar zwei, werden unser Schicksal in den nächsten Jahren mitbestimmen), präsentiert als Knallchargen einer Provinzbühne unter dem Titel „Die Drei von der Zankstelle“ (ARD-Werbung). Tags drauf löst Andrea Nahles albern singend im „Hohen Haus“ peinliche Berührung und Fremdschämen aus. Das drängt andererseits die Frage auf: Warum sollten Medien und Öffentlichkeit Politiker ernst nehmen, die sich selber nicht ernst nehmen?

Die Demokratie – das ist Ausdruck ihrer Würde – verzichtet auf höfischen Pomp. Sie sollte nicht auf ihre Würde verzichten. Sie wird sie noch brauchen.

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