„Europäischer Balkan“ – Handelsblatt, 5. Juli 2013

Jugoslawien war – unter Titos Dampfdeckel – relativ umgänglich. Der dort kultivierte Kommunismus hatte weiche Konturen und unterschied sich von seinen fossilen Varianten. In der Vielvölker-Region gab und gibt es noch immer unverdaute Vergangenheiten. Alte Mächte hatten ihre Stellvertreterkonflikte hineingetragen.

Die EU macht es richtig, wenn sie die Balkanstaaten an ihren Kernsinn einer Friedensordnung mit wirtschaftlichem Fundament auf dem Kontinent heranführt. Sie würde Fehler machen, wenn sie einzelne Staaten aus dem Netzwerk herausbricht und anderen ein Schild vor die Nase hängt: „Ihr müsst draußen bleiben.“ Die Chance zur Beitrittsfähigkeit muss offen bleiben. Der alberne Namensstreit darf Mazedonien nicht ausgrenzen.

Beispiel „Serbien“. Es hatte schon immer und hat noch lange eine Schlüsselrolle. Bei der Umwandlung eines Kriegsherdes in einen geregelten Konflikt ist höchste Sorgfalt geboten. Schon die schnelle Anerkennung Kroatiens vor zwanzig Jahren gab serbischen Nationalisten einen Vorrat an Ressentiments. Es ist falsch, dass am Festtag des sinnvollen kroatischen Beitritts mehr Sorgen als Hoffnungen verbreitet wurden. Wirtschaftliche Stabilität braucht Friede und Friede braucht wirtschaftliche Stabilität. Wer diese Erfahrung europäischer Nachkriegseinigung Südosteuropa vorenthält, erwärmt damit auch heute noch eine Lunte mit gefährlich niedriger Zündtemperatur.

Wer über den Tellerrand der Parteinamen hinausblickt, sieht zudem, dass die jetzige Regierung Serbiens viel konsequenter als ihre Vorgängerin gegen Korruption und Kriminalität vorgeht. Er sieht auch, dass junge Mitglieder wie Rumänien oder Bulgarien nach dem Beitritt innere Irritationen durchleben, während sie vorher den Musterschüler gaben. Die EU sollte Standards, die sie zur Aufnahmeprüfung erwartet, auch anschließend einfordern, – übrigens auch von Altmitgliedern.

Wir dürfen nie vergessen: Mitgliedsstaaten verbleiben im Schicksalsverbund ihrer eigenen Region. Dort müssen sie eine wohltuende Rolle spielen und nicht – mit einem großen Bruder von gestern im Rücken – alten Gegnern eine lange Nase drehen. So würden wir alte Konflikte nicht los und holten uns neue ins europäische Haus.

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