Gespräch mit Bodo Hombach zum Fall Ulli Hoeneß – Focus online, 26. April 2013

26.04.2013

Aus Focus online

Die Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung von Ulli Hoeneß erfordert nach Ansicht von Bodo Hombach, einst Kanzleramtsminister und Berater von SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, von der Politik Sensibilität. Der Fall tauge nicht zu einem simplen Schwarz-Weiß-Denken. „Der Vorgang ist keine Medienblase. Er bewegt die Gemüter tatsächlich und wühlt sie auf“, sagt Hombach im Gespräch mit FOCUS Online. Er beziehe seine besondere Wirkung daraus, dass er wegen der betroffenen Person kein plumpes „Kreuzigt ihn!“ auslöst. „Er hat emotionalen Tiefgang mit mehrfacher Wirkung.“

Hombach nennt drei Punkte:

–          Zum gesellschaftlichen Klima: „Die vernünftigerweise stattgefundene Bewusstseinsänderung, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist, auch wenn es von Kavalieren begangen wird, betoniert sich und setzt sich endgültig fest.“

–          Zur Rolle der Medien: „Immanuel Kant hat gelehrt, dass der „kategorische Imperativ“ von der Frage begleitet wird: Was ist, wenn es alle tun? Die selbstdisziplinierende Frage der Mediengesellschaft lautet: Was ist, wenn es rauskommt? Mächtige und Einflussreiche fürchten nichts so sehr wie Enthüllung ihres Fehlverhaltens. Aus diesem Grunde ist investigative Qualitätspresse auch konstitutiv für Kontrolle der Macht und damit für Demokratie. Der Vorgang belegt das erneut.“

–          Zum Umgang der Politik mit dem Thema: „Der Fall Hoeneß befeuert die seit längerem laufende Kampagne der Partei Die Linke, die Gesellschaft zu polarisieren und in Lager zu spalten. Sie verspricht sich davon Mobilisierung, Gruppenbindung und Mehrheiten. Aus dem größer werdenden Lager von Transferleistungsempfängern will Die Linke dauerhafte Zustimmung gewinnen.“

Vor allem der letzte Punkt muss nach Ansicht von Hombach zu denken geben. Der ehemalige SPD-Politiker, der heute Moderator des Initiativkreises Ruhr ist, mag sich nicht in aktuelle Debatten einmischen. Vor allem will er seiner Partei keine öffentlichen Ratschläge erteilen. Man kann es allerdings als Mahnung an den Wahlkämpfer Peer Steinbrück interpretieren, wenn Hombach aktuelle Probleme in Frankreich anspricht: „Die Reichen“ seien nicht nur für französische Linke ein gewünschtes Feindbild, sagt er und erinnert an den Satz von Frankreichs Präsident Francois Hollande, er möge keine Reichen. „Die Reichen werden als Sündenbock für die Finanz- und Wirtschaftskrise aufgebaut. Aus der Sicht von Wahlkämpfern eignen sie sich, weil sie Minderheit sind, deren Wählerstimmen nicht ins Gewicht fallen. Nach Bankenkrise und anderem, was Eliten schwächt, haben sie auch kaum noch Bedeutung als Multiplikatoren in den Medien“, sagt Hombach. Doch gibt er zu bedenken: „In Frankreich wiederholt sich gerade die historische Erfahrung: Die Revolution frisst mit Vorliebe ihre Kinder. Die Steine, die Hollande erhoben hat, um sie auf andere zu werfen, beginnen, ihm auf die eigenen Füße zu fallen.“

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