„Netz der Freiheit? Chancen und Risiken der Neuen Medien im 21. Jahrhundert“ mit Dr. Mathias Döpfner (Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG) – BAPP, 25. Oktober 2012
Bonn, 25. Oktober 2012
Ein akademischer Gruß von Bodo Hombach
Gast: Dr. Mathias Dopfner
(Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG)
Meine Damen und Herren,
die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik dankt der Deutschen Post
dafür, diese schonen Raume nutzen zu durfen. Herr Gerdes arbeitet intensiv in unserem
Kuratorium mit. Auch dafür herzlichen Dank.
Unser heutiger Gast, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG Dr. Dopfner, ist der
profilierteste Kenner der Medien- und lnternetwelt. Wie kein anderer hat dieser aur1erst erfolgreiche
Praktiker mit theoretischem Tiefgang das Thema ergründet und für die offentliche
Debatte aufbereitet. Sein Buch (Die Freiheitsfalle – 2011) ist ein Standardwerk, das gelesen
sein muss, will man das Netz verstehen.
Meine Damen und Herren,
„Der Knecht singt gern ein Freiheitslied
des Abends in der Schenke.
Das fordert die Verdauungskraft
Und wurzet die Getranke.“
Heinrich Heine hatte noch ein Gefühl für das Paradox der Freiheit. Äußere Freiheit setzt innere
Freiheit voraus. Wenn ein Banause eine Weltreise macht, kommt er als braungebrannter
Banause zurück.
Das Internet bietet ein Freiheitsversprechen wie schon lange nichts mehr. Scheinbar fest
gefügte Machtstrukturen, Herrschaftswissen und Vereinzelung korrodieren im Galopp. Die
neue Maschine verstarkt – wie jede Maschine – die begrenzte Kraft des Einzelnen und der
Gruppe. Sie macht gigantisches Wissen zuganglich. Sie knüpft Verbindungen jenseits aller
Vorstellungskraft. Sie erschließt Märkte, beschleunigt Wissenschaft und Forschung, erzeugt
Transparenz und Mitwirkung wie noch nie. – lm neuen Medium Internet scheint sich der
Freiheitsdrang schlechthin zu konkretisieren. Der neue Freiheitsdrang hält Ordnungsformen
für antiquiert. Er wittert in jeder Anfrage gestrigen Kulturpessimismus.
Werte und Standards, die unaufwendig und massenhaft durchbrochen werden, scheinen
damit endgültig erledigt.
• lch denke an den Raub von geistigem Eigentum,
• an die Treibjagd gegen missliebige Personen,
• an Flash-Mobs und Shitstorms, die offentliches Leben lahmlegen,
• an den Verlust von Scham und Rucksichtnahme.
In ihrer Startphase werden funkelnagelneue Maschinen Ieicht zum Selbstzweck. Man weiß
noch zu wenig uber sie. lhre Wirkungen sind nicht vorhersehbar. Man fragt nicht, ob das
„Neue“ besser für die Gesellschaft ist als das „Aite“. Man hält sich an Glaubensätze. Die
müssen mit missionarischem Eifer verteidigt werden. Hier setzt kritische Wissenschaft ein,
besonders, wenn sie sich praktisch überprüfbar macht.
Konrad Lorenz erzählte einmal von seinem Hochschullehrer, der jede seiner Vorlesungen mit
einem Goethe-Wort schloss: „Und so lasst uns denn das Erforschliche erforschen und das
Unerforschliche ruhig verehren.“ Worauf er sich jedes Mal korrigierte: „Nein, ,ruhig‘ nicht!“
In diesem Sinne.