„Selbstlos egoistisch“ – Handelsblatt, 17. Mai 2013

17.05.2013

Selbstlos egoistisch

Einverstanden: Das Weltklima ist Jahrhundertproblem, das Bewusstsein dafür stark gewachsen. Trotz Verkehrsdichte, veralteter Kühlschränke und Ölbrenner: Das globale Dilemma wird durch uns Deutsche nur relativ wenig verschärft. Es würde durch totale Enthaltsamkeit hier kaum merklich verbessert.

Hier leben knapp 80 Millionen Menschen. In China und Indien sind es zusammen fast 2 Milliarden. Die wollen nicht minder komfortabel leben wie wir. Das bedeutet einen steil anwachsenden Energiebedarf und Aufwärtskurven für den CO2-Ausstoß, Feinstaub und Raubbau an Ressourcen. Wenn wir hier neue Umweltsünden vermeiden, fühlen wir uns politisch korrekt und ethisch geliftet. Ökologie hat vielfach Oberwasser über Ökonomie gewonnen. Das ändert jedoch fast nichts an der globalen Dimension des Problems. Wenn wir zartfühlend auf die Erschließung heimischen Schiefergases verzichten, haben wir für die Welt nichts getan. Ein mustergültig umweltbewusstes Land wie Schweden passt mit seiner gesamten Bevölkerung dreimal in die chinesische Hauptstadt.

Angesichts so asymmetrischer Proportionen: Müssen wir fatalistisch das allgemeine Ende erwarten?

Wir müssen nicht. Ein rohstoffarmes Land wie das unsrige hat gewaltige Energiereserven. Sie stecken in den Köpfen, in guten Schulen und Universitäten, in effizienter Ausbildung von Facharbeitern, in optimal ausgestatteten Labors. Sie stecken auch in den Irrtümern und schmerzlich erworbenen Erkenntnissen unserer eigenen Fehlergeschichte.

Es wäre unsere größte Umweltsünde, nichts gegen die Fehlentwicklungen in Mittel- und Ostasien erfunden zu haben. Vielleicht sollten wir ihnen intelligente und nachhaltige Lösungen ganz egoistisch schenken (gegen Verkaufen hab’ ich natürlich auch nichts!), denn sie lösen dann – im globalen Beisammensein – auch unsere eigenen.

2010 kamen geschätzte 1,2 Millionen Chinesen durch Smog in den Ballungsräumen um. Welch ein Markt für Erfindungen aus Regionen, die das Thema „Smog“ schon hinter sich haben!

In Chinas Boden lagern 36 Billionen Kubikmeter Schiefergas. Kein grün-deutscher Missionseifer wird verhindern, dass sie angezapft werden. Wir könnten aber helfen, dass statt einer schädlichen eine unschädliche Methode genutzt wird. – Deren Entwicklung dürfte man in unserem Lande allerdings nicht phobisch verhindern wollen.

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